Foto-Recht
Kunst mit „gefundenen“ Bildern
Frage von Stefan Habermann:
Ich bin Fotokünstler und benutze Fotos aus dem Internet, um per Collagentechnik und Photoshop neue, eigenständige Bilder mit ganz anderen Bildaussagen und Zusammenhängen als auf den verwendeten Materialien zu gestalten. Durch Verfremdungen (Unschärfe, Überlagerungen…) werden die Motive teilweise unkenntlich, Personen bekommen andere Gesichter, Augen, Frisuren usw. Meine Werke sollen ausgestellt, im Katalog erscheinen und auch verkauft werden können. Für die im Web gefundenen Fotos habe ich keine ausdrückliche Verwendungserlaubnis. Wie ist das urheberrechtlich zu beurteilen? Gibt es Agenturen, deren Bilder man völlig frei zu einem Kunstwerk „verarbeiten“ kann?
Antwort von RA Dr. Endress Wanckel:
Juristisch stellt sich bei dieser Art von Fotokunst die Frage, ob es sich um eine Bearbeitung/Umgestaltung der Vorlage handelt (§ 23 UrhG) oder um eine freie Benutzung (§ 24 UrhG). Bearbeitungen/Umgestaltungen dürfen nur mit Einwilligung des Urhebers (Fotografen) des bearbeiteten Fotos veröffentlicht und verwertet werden. Ein selbstständiges neues Werk, das in freier Benutzung fremder Fotos geschaffen worden ist, darf hingegen ohne Zustimmung genutzt werden. Die Abgrenzung zwischen unzulässiger Bearbeitung und zulässiger freier Nutzung zählt zu den schwierigsten Fragen des Urheberrechts und wird im Streitfall vor Gericht stets individuell anhand des konkreten Motivs beurteilt. Dabei besteht ein erheblicher Wertungsspielraum der Richter und ein daraus resultierendes unvermeidliches Risiko. Die Faustformel der Abgrenzung lautet: Die übernommenen Elemente dürfen die Collage nicht prägen, sondern müssen in ihr verblassen. Keine zulässige freie Nutzung liegt daher vor, wenn Ausschnitte aus fremden Fotos lediglich neu kombiniert werden oder fremde Motive nur durch Weglassungen oder kleineren Änderungen im Detail verändert werden. Maßgeblich ist in der Gesamtschau auch, wie viele Elemente/Details aus der Vorlage übernommen wurden und wie stark sie das neue Motiv prägen. Je ausgeprägter die künstlerische Individualität der Vorlage ist, umso weniger leicht ist es, sie im eigenen Werk verblassen zu lassen. Hat die eigene Collage hingegen eine stark eigene individuelle künstlerische Ausdruckskraft, wird man die Vorlagen weniger leicht wiedererkennen können, werden diese also umso eher verblassen.
Da Sie nach Ihren Angaben die übernommenen Elemente zusätzlich verfremden, in einen neuen Kontext setzen und ein neues künstlerisches Werk entsteht, spricht viel dafür, dass es sich um zulässige freie Nutzung nach § 24 UrhG handelt. Dies kann jedoch von Motiv zu Motiv unterschiedlich sein. Angesichts des bei solchen Arbeiten immer bestehenden Risikos und der meist strengen Haltung der Gerichte ist zu empfehlen, jedes Motiv vor einer Veröffentlichung/Verwertung zusammen mit den benutzten Vorlagen von einem erfahrenen Urheberrechtler bewerten zu lassen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass eine Entstellung (§ 14 UrhG) der verwendeten Vorlagen zu einem weiteren juristischen Problem werden kann, wenn bei der Bearbeitung zu viel übernommen wird und sich der Fotograf in seinem Urheberpersönlichkeitsrecht verletzt fühlt. Auf der ganz sicheren Seite sind sie nur, wenn Sie sich vor jeder Veröffentlichung/Verwertung die ausdrückliche Zustimmung der Fotografen bzw. deren Agenturen einholen. Wenn Sie Vorlagen von Bildagenturen beziehen, sollten Sie dies in jedem Fall tun, da nach den Nutzungs- und Geschäftsbedingungen vieler Agenturen die lizensierten Bilder nicht verändert werden dürfen und eine normale Lizenz (einfaches Nutzungsrecht) künstlerische Bearbeitungen/Umgestaltungen nicht ohne weiteres abdeckt.