Foto-Recht

Street-Fotografie

Nathanael Rietzsch beabsichtigt mittelfristig „nebenbei“ Geld mit seinem fotografischen Hobby zu verdienen und ist dabei auf eine wichtige Frage gestoßen: „Das ich von mir erstellte Fotodrucke beziehungsweise digitale Bilder von öffentlichen Gebäuden zeigen und problemlos verkaufen kann, ist mir bewusst, wie sieht es aber mit Streetfotografie aus? Benötige ich das Einverständnis der abgelichteten Person, wenn sie erkennbar ist? Was aber, wenn die Person nur von hinten zu sehen und somit nicht direkt erkennbar ist?“

Antwort Mathias Straub:

Zunächst gilt der Grundsatz, dass ein Bildnis einer Person nur dann veröffentlicht oder verbreitet werden darf, wenn die Person zugestimmt hat. Dies gilt im Übrigen nicht nur für Fotos, sondern auch für sonstige Abbildungen von Personen in Form von Gemälden, Zeichnungen oder gar Silhouetten. Der Grundsatz gilt aber nur, wenn überhaupt ein Bildnis im Sinne der erkennbaren äußeren Wiedergabe des Erscheinungsbildes einer konkreten Person vorliegt. Ist die Person nicht erkennbar, darf sie ohne Einverständnis abgelichtet werden. Dies führt zu der im Detail oft sehr streitigen Frage, ab wann eine persönliche Erkennbarkeit vorliegt. Zumeist wird die Erkennbarkeit an den Gesichtszügen einer Person festgemacht. Dies ist aber nicht zwingend das einzige oder das entscheidende Kriterium. Personen mit besonders prägnanter Statur, typischer Frisur oder sonstigen besonderen körperlichen Merkmalen wie möglicherweise Tätowierungen können unter Umständen auch ohne Sichtbarkeit des Gesichtes eindeutig erkannt werden. Des Weiteren kann sich die Erkennbarkeit beispielsweise anhand der Umgebung, der Ablichtung mit Begleitpersonen oder aufgrund des konkreten Anlasses der Bildaufnahme ableiten lassen. Ausreichend ist, wenn Personen aus dem Bekanntenkreis die abgebildete Person anhand der sichtbaren Merkmale identifizieren können. Wurde der oder die Abgebildete tatsächlich konkret auf dem Bild erkannt und hierauf im Bekanntenkreis angesprochen, wird dies als Bestätigung der Erkennbarkeit gewertet. Auf eine allgemeine Bekanntheit kommt es hingegen nicht an. Damit kann also zwar nicht generell gesagt werden, dass Personen, die nur von hinten zu sehen sind, immer unerkennbar sind. Liegen keine anderen individuellen Zuordnungsmerkmale vor, wird aber hier zumeist die Erkennbarkeit ausscheiden. Es spielt im Übrigen keine Rolle, ob der Fotograf die Erkennbarkeit beabsichtigt hat oder vielmehr im Gegenteil eine unbekannte Durchschnittsperson abbilden wollte.

Vom Grundsatz der Zustimmungspflicht bei Bildnissen von erkennbaren Personen gibt es aber Ausnahmen. Zum einen kann bereits eine möglicherweise stillschweigende Einwilligung vorliegen, wenn die Person sich offenbar bewusst fotografieren ließ. Zudem gibt es, neben der ohnehin in gewissem Rahmen zulässigen Bildberichterstattung über Prominente und Personen der Zeitgeschichtet, Ausnahmen für Aufnahmen von Personen, die nur als Beiwerk neben einer anderen Örtlichkeit oder bei größeren Menschansammlungen entstanden sind. Auch diese Ausnahmen sind freilich kritisch zu prüfen und werden im Falle typischer Street-Fotografie, in der es gerade um die (zumeist unbemerkte) Abbildung anonymer Durchschnittsmenschen geht, selten vorliegen. Die Streetfotografie bleibt daher stets ein Bereich mit einer gewissen rechtlichen Unsicherheit.

Diese Einschätzung erfolgt auf Basis der mir vorliegenden Informationen. Für eine konkrete Bewertung Ihres Einzelfalles müsste eine Prüfung des gesamten Sachverhaltes erfolgen.

Mathias Straub ist Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht bei Riegger Rechtsanwälte in Ludwigsburg.

Quelle: ColorFoto 07/2012