Veröffentlicht am: 12.06.2024 um 15:40 Uhr:
Bundesregierung: Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz zur aktuellen Sicherheitslage
» Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren!
Lassen Sie mich zu Beginn eines klar sagen: Viele in unserem Land warten voller Spannung auf diesen Sommer, auf die Fußball-Heim-EM, auf gute Spiele, auf die Gäste, die aus ganz Europa kommen. Ich bin überzeugt: Unser Land wird sich in diesem Fußballsommer von seiner besten Seite zeigen. Alle sind bereit. Am Montag habe ich mich in München selbst davon überzeugt. Auch unsere Sicherheitsbehörden haben sich sorgfältig vorbereitet. Deshalb sage ich allen Bürgerinnen und Bürgern: Lassen Sie sich die Vorfreude auf dieses Fußballfest, auf diesen Sommer nicht nehmen, auch wenn gerade in diesen Tagen und Wochen viel passiert ist, das uns aufwühlt und vielen Sorgen bereitet.
Der gewaltsame Tod des Polizisten in Mannheim hat uns alle ins Herz getroffen und eine Welle der Solidarität und des Mitgefühls im ganzen Land ausgelöst. Im Süden unseres Landes hat ein dramatisches Hochwasser Häuser und Straßen überflutet. Es gab Tote, und es ist schon die dritte verheerende Überschwemmung hier in Deutschland seit Jahresbeginn. Gleichzeitig spitzt sich der brutale russische Angriffskrieg gegen die wehrlose zivile Bevölkerung der Ukraine weiter zu, in diesen Tagen besonders in der Millionenstadt Charkiw.
Diese Ereignisse und Entwicklungen mögen in keinem direkten Zusammenhang miteinander stehen, aber sie beschäftigen uns alle. Sie werfen Fragen auf, sie verunsichern – jedes Ereignis für sich, aber vor allem alle zusammen. Völlig zu Recht wollen die Bürgerinnen und Bürger wissen, wie die Lage ist, und vor allem, was die Bundesregierung unternimmt. Darauf möchte ich heute Antworten geben.
Die wichtigste Antwort lautet: Jede und jeder muss in unserem Land ohne Furcht vor seinen Mitmenschen leben können. Das ist das zentrale Versprechen unseres Rechtsstaates, und dieses Versprechen setzen wir mit aller Macht durch. Das ist die Aufgabe unserer Sicherheitskräfte und der Sicherheits- und Justizbehörden. Dabei haben sie den Rückhalt meiner Regierung und – ich bin sicher – dieses Hauses.
Umso mehr erschüttert mich, erschüttert uns alle, was in Mannheim passiert ist. Das tödliche Messerattentat auf einen jungen Polizisten ist Ausdruck einer menschenfeindlichen Ideologie, eines radikalen Islamismus. Dafür gibt es nur einen Begriff: Terror. Terror sagen wir den Kampf an, und zwar unabhängig davon, ob er, wie in Mannheim, islamistisch motiviert ist, ob er von ganz rechts oder ob er von ganz links kommt, ob er sich gegen Deutsche richtet oder Ausländer, gegen Christen, Muslime oder Juden.
Das Ziel ist immer dasselbe: Terrorismus will Angst und Schrecken verbreiten, er will uns einschüchtern und seine Weltsicht aufzwingen. Er will unsere Freiheit einschränken, die Freiheit, unsere Meinung zu sagen, egal ob sie anderen gefällt oder nicht, die Freiheit, für unsere Überzeugungen einzutreten, auch wenn sie anderen nicht passen, die Freiheit, ohne Furcht zu leben, egal was wir politisch denken, woran wir glauben, wen wir lieben oder woher wir kommen. Ohne diese Freiheiten gibt es keine Demokratie. Und deshalb sage ich: Nicht diejenigen sollen sich fürchten müssen in Deutschland, die in Freiheit und Frieden leben wollen, sondern diejenigen müssen sich fürchten, die unsere Freiheit angreifen und unseren Frieden stören. Wer unsere Freiheit angreift und unseren Frieden stört, der hat mich, der hat die Bundesregierung und der hat unseren Rechtsstaat als seinen entschiedensten Gegner.
Viele von uns haben das Video vom vergangenen Freitag aus Mannheim gesehen, diese grausame Messerattacke auf den jungen, heldenhaften Polizisten Rouven L. Er hat sein Leben eingesetzt für unsere Freiheit und unsere Sicherheit.
Unsere Herzen sind schwer. Wir denken in diesen schweren Stunden voller Mitgefühl an seine Familie und Freunde. Wir fühlen mit seinen Kolleginnen und Kollegen, die am Montag zu seiner tief bewegenden Gedenkveranstaltung in Mannheim zusammengekommen sind. Wir denken an all die Polizistinnen und Polizisten im ganzen Land, die Trauer tragen, die für die Hinterbliebenen von Rouven L. sammeln als Zeichen der Verbundenheit der gesamten Polizeifamilie in einer solch schweren Situation, in solch schweren Stunden.
Ich möchte Ihnen heute sagen – gerne im Namen von uns allen –: Wir fühlen mit Ihnen. Wir stehen hinter Ihnen. Wir stehen hinter unserer Polizei. Wer uns schützt, so wie Sie das tagtäglich tun, der verdient selber Schutz. Wer einen Polizisten tötet, der muss auf das Härteste bestraft werden. Dass der Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernommen hat, zeigt: Das geschieht. Unser Staat nimmt solche Verbrechen sehr ernst.
Wer Frauen und Männer, die helfen und Leben retten wollen, hinterrücks angreift oder in Hinterhalte lockt, der muss die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen. Dafür werden wir das Strafrecht gezielt schärfen und solche hinterlistigen Überfälle härter bestrafen.
Es geht auch um den Schutz unserer Demokratie, unseres demokratischen Miteinanders. Ich denke zum Beispiel an die Angriffe auf unseren Kollegen Roderich Kiesewetter, auf Matthias Ecke in Dresden, Heinrich Koch in Mannheim oder Kai Gehring und Rolf Fliß in Essen. Wer Politikerinnen und Politiker, Bürgermeister, Ratsmitglieder oder Landräte bedroht oder beleidigt, Frauen und Männer also, die sich in unseren Städten und Gemeinden für unser Gemeinwohl einsetzen, muss härter bestraft werden.Solche Taten können, wollen und werden wir nicht akzeptieren.
Schon jetzt gibt es die Möglichkeit, Waffen- und Messerverbotszonen auszuweisen. Davon muss noch mehr und konsequenter Gebrauch gemacht werden. Die Bundespolizei setzt das an Bahnhöfen bereits durch.
Wir brauchen das bundesweit vor allem an Hotspots und bei Großveranstaltungen. Es gibt in Deutschland kein Faustrecht. Wer das anders sieht, der kriegt ein massives Problem mit unserer Polizei und unserer Justiz.
Das gilt für diejenigen, die schon immer im Deutschland leben, genauso wie für diejenigen, die erst in den vergangenen Jahren nach Deutschland gekommen sind. Ich sage das in aller Klarheit und ohne jedes Ressentiment. Das ist mir wichtig. In Deutschland leben mehr als 20 Millionen Bürgerinnen und Bürger mit Einwanderungsgeschichte. Sie sind Nachbarn, Arbeitskolleginnen, Schulkameraden und Freunde. Sie sind entsetzt und erschüttert über die Bluttat von Mannheim. Auch sie werden nicht selten Opfer von Hetze und Gewalt. Auch sie werden von den Islamisten bedroht und oftmals eingeschüchtert. Vor allem aber: Sie sind Teil unserer Gesellschaft. Wir lassen uns nicht spalten. Ganz nebenbei: Wir können stolz darauf sein, dass sich dies auch in unserer Nationalmannschaft widerspiegelt. Es sind alles Deutsche. Es sind alles unsere Jungs.
Es ist abwegig und infam, mehr als 20 Millionen Frauen und Männer unter Generalverdacht zu stellen. Wer Verbrechen wie das in Mannheim dazu missbraucht, der legt die Lunte an unseren Zusammenhalt. Das schadet unserer Nation.
Lassen Sie mich aber auch klar sagen: Es empört mich, wenn jemand schwerste Straftaten begeht, der hier bei uns Schutz gesucht hat. Solche Straftäter gehören abgeschoben, auch wenn sie aus Syrien und Afghanistan stammen. Schwerstkriminelle und terroristische Gefährder haben hier nichts verloren. In solchen Fällen wiegt das Sicherheitsinteresse Deutschlands schwerer als das Schutzinteresse des Täters. Deshalb sucht das Bundesinnenministerium nach rechtlich und praktisch tragfähigen Wegen, wie das gelingen kann. Das Bundesinnenministerium arbeitet daran, Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern nach Afghanistan zu ermöglichen.
Über die praktische Umsetzung ist das Bundesministerium bereits mit Nachbarländern Afghanistans im Gespräch. Nicht länger dulden werden wir auch, wenn terroristische Straftaten verherrlicht und gefeiert werden. Das ist ein Schlag ins Gesicht für die Opfer, ihre Angehörigen und unsere demokratische Grundordnung. Deshalb werden wir unsere Ausweisungsregelungen so verschärfen, dass aus der Billigung terroristischer Straftaten ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse folgt. Wer Terrorismus verherrlicht, wendet sich gegen alle unsere Werte und gehört auch abgeschoben. In zwei Wochen beraten auch die Innenminister der Länder dieses Thema. Ich bin dem Hamburger Innensenator sehr dankbar für seine Initiative dazu.
Für Schutz und Sicherheit brauchen wir Personal. Seitens des Bundes haben wir in den vergangenen Jahren die Bundespolizei mit 1.000 zusätzlichen Polizistinnen und Polizisten pro Jahr verstärkt. Auch das stärkt die innere Sicherheit in Deutschland, und wir stärken die Bundespolizei weiter. Gerade erst haben wir dafür gesorgt, dass niemand mehr den deutschen Pass bekommt, der durch Judenhass und Islamismus auffällt. Extremisten mit deutschem Pass begegnet der Rechtsstaat konsequent mit allen Mitteln des Straf-, Versammlungs- und Vereinsrechts. Bei der Hamas, bei Samidoun und zuletzt bei den Hammerskins haben wir konsequent durchgegriffen. Das bleibt auch in den kommenden Monaten so.
Extremisten ohne deutschen Pass können inzwischen sehr viel schneller abgeschoben werden. Die Botschaft ist klar: Wer unseren Schutz ausnutzt wie der Täter von Mannheim, der hat diesen Schutz verwirkt. Da gibt es null Toleranz.
Wenn wir heute über die Sicherheit in unserem Land sprechen, dann sind unsere Gedanken natürlich auch bei den Betroffenen des Hochwassers und bei den Rettungskräften, die in Bayern und in Baden-Württemberg seit einer Woche rund um die Uhr dagegen ankämpfen. Ich war am Montag in der bayerischen Gemeinde Reichertshofen; die hat es besonders schlimm getroffen. Einer der Anwohner dort hat uns gesagt: Da sind Wassermassen gekommen, die hat man noch nie gesehen.
Die Bürgerinnen und Bürger in Reichertshofen, aber auch an anderen Orten entlang der Ilm, der Donau und an ihren Zuflüssen haben Naturgewalten erlebt, wie sie sich niemand dort vorstellen konnte. Da stieg der Wasserspiegel immer weiter – unaufhaltsam. Da gaben durchweichte Dämme nach. Da mussten völlig erschöpfte Helferinnen und Helfer von der Feuerwehr, vom Katastrophenschutz an manchen Stellen zurückweichen, weil es einfach nicht mehr ging. Nach Tagen fast ohne Schlaf erreichte die Rettungskräfte im Landkreis Pfaffenhofen noch die schreckliche Nachricht vom Tod eines Kollegen, eines freiwilligen Feuerwehrmannes, dessen Rettungsboot gekentert war. Er ist einer von inzwischen sechs bestätigten Opfern der Wassermassen. Weitere sieben Personen werden vermisst. Wir hoffen, dass sie lebendig geborgen werden können und die Lage sich weiter entspannt.
Die Betroffenen in den Flutgebieten haben aber auch noch etwas anderes erlebt: eine Flut der Hilfsbereitschaft. Zehntausende Einsatzkräfte waren in Bayern und Baden-Württemberg im Einsatz, unzählige spontane Helferinnen und Helfer kommen dazu: Nachbarn, die beim Auspumpen des Kellers helfen, die mit der Schaufel rüberkommen, um die Schlammmassen wegzuräumen, Freunde und Kollegen, die ein Bett anbieten, die mit Essen und trockenen Kindersachen helfen. Allen, die ihre Hand reichen, die trotz Erschöpfung weitermachen und andere unterstützen, will ich heute sagen: Ganz herzlichen Dank.
Für mich sind es auch diese Bilder der Solidarität und der Mitmenschlichkeit, die diese Tage prägen. So ist Deutschland. Wir sind stark, weil wir zusammenhalten. Das ist die wichtige Botschaft, die von diesem Unglück ausgeht.
In akuten Notlagen wie dieser ist immer auch der Bund mit allen seinen Kräften zur Stelle. In den vergangenen Tagen hat sich wieder gezeigt: Unser Land funktioniert. Der Bund hilft den betroffenen Ländern, Landkreisen und Gemeinden, wo es nur geht, mit dem Technischen Hilfswerk, Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, mit der Bundespolizei und dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Was diese Frauen und Männer in den vergangenen Tagen mit vereinten Kräften geleistet haben, darauf kann Deutschland stolz sein. Die Zusammenarbeit lief auf allen Ebenen Hand in Hand. Auch die Warnsysteme und Apps haben funktioniert und Leben gerettet. Wir werden an der geübten Praxis der Solidarität festhalten, wenn es um die Beseitigung der Schäden geht. In der Not rücken wir zusammen. Das gehört sich so. So ist Deutschland.
Das Hochwasser in Süddeutschland ist ein Unglück, eine außergewöhnliche Naturkatastrophe. Aber wenn solche Extremwetterereignisse häufiger passieren, dann ist das nicht mehr nur ein Unglück, dann ist das ein Ergebnis des Klimawandels. Der menschengemachte Klimawandel ist die größte globale Herausforderung, vor der wir stehen – eine Herausforderung, die für diese Bundesregierung von Tag eins an höchste Priorität hatte und weiterhin hat.
Allein in diesem Jahr bin ich schon viermal in überflutete Gebiete gefahren – von Niedersachsen bis Bayern, von Sachsen-Anhalt bis ins Saarland. Wir müssen uns besser vorbereiten auf solche Katastrophen, überall im Land. Das tun wir. Wir stellen erhebliche Mittel des Bundes zur Verfügung, um den Küstenschutz und den Hochwasserschutz im Binnenland zu verbessern. Wichtig ist, dass nun auch überall im Land Flutpolder und Rückhaltebecken entstehen, auch wenn das nicht überall beliebt ist.
Mit dem Nationalen Hochwasserschutzprogramm unterstützen wir die Länder beim überregionalen vorbeugenden Hochwasserschutz. Darüber hinaus setzen wir gemeinsam mit den Ländern und Kommunen die Nationale Wasserstrategie und das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz um. Ein ganz wichtiges Ziel ist dabei, den Wasserhaushalt besser gegen Extremwetter zu wappnen.
Und nicht zuletzt haben wir vor einem Jahr das Klimaanpassungsgesetz verabschiedet. Damit haben wir einen verbindlichen Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden in Sachen Klimaanpassung gegeben. Über das Zentrum KlimaAnpassung beraten wir Kommunen bei der Suche nach Förderprogrammen und helfen bei der Anpassung und beim Schutz.
Und es geht auch darum, sich vor möglichen Schäden zu versichern. In Sachen Elementarschadenversicherung kommen wir voran. Bei meinem Treffen mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder am 20. Juni wird das ein wichtiges Thema sein. Eigentümer von Häusern und Wohnungen müssen sich gegen Elementarschäden versichern können.
Noch steht an vielen Orten das Wasser; noch sind Häuser, Straßen und Bahnstrecken nicht wieder frei und auf Schäden untersucht worden. Klar ist aber bereits jetzt: Das Ausmaß der Schäden wird groß sein. Das gilt auch für die Überschwemmungen der vergangenen Monate im Saarland und in Rheinland-Pfalz, in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, für jene letztes Jahr an der Ostsee. Wir werden diese Schäden, wie bei früheren Hochwassern auch, gemeinsam mit den Ländern bewerten und Hilfe organisieren.
Zum Schluss möchte ich noch einige Worte zu einer Frage der Sicherheit sagen, die viele Bürgerinnen und Bürger ebenso beschäftigt wie das Hochwasser oder der furchtbare Messerangriff in Mannheim, nämlich Russlands Krieg gegen die Ukraine und wie er sich auswirkt auch auf uns hier in Deutschland.
Wir alle fühlen mit den angegriffenen Ukrainerinnen und Ukrainern, den Kindern, die von russischen Bomben getötet werden, den Vätern, die an der Front fallen. Zugleich fürchten viele Bürgerinnen und Bürger, dass der Krieg weiter eskalieren könnte, dass Sicherheit und Frieden auch bei uns in Gefahr geraten.
Sich Sorgen zu machen um den Frieden, daran ist nichts Naives oder Anrüchiges, wie es manchmal dargestellt wird. Sorgen der Bürgerinnen und Bürger sind etwas, was wir respektieren und ernst nehmen sollten. Ich jedenfalls tue das. Als Bundeskanzler trage ich die Verantwortung dafür, dass kein Kind, das heute in Deutschland geboren wird, jemals Krieg in unserem Land erleben muss. Das hat für mich absolute Priorität.
„Frieden sichern“ heißt nicht, die weiße Fahne zu hissen oder vor Gewalt und Unrecht zu kapitulieren. Frieden bedeutet nicht Unterwerfung. Das will ich an die Zwischenrufer von der AfD sagen, die zu der Frage, die uns hier zusammenführt, hier unangemessen in die Beratung reinrufen: Das ist schon peinlich, dass Sie heute großes Lob vom russischen Präsidenten bekommen haben. Und ich will gerne sagen: Das haben Sie sich wacker erarbeitet, und das werden die Bürgerinnen und Bürger gut zu beurteilen wissen.
Russland versucht, der Ukraine ihr Land zu rauben. Würden wir diesen Imperialismus akzeptieren, dann – und gerade dann! – geriete auch unsere Sicherheit in Gefahr und die Sicherheit von ganz Europa gleich mit, weil sich dann ein gefährliches Prinzip wieder durchsetzen würde, das Europa jahrhundertelang ins Unheil gestürzt hat, das Prinzip nämlich, Grenzen mit Gewalt zu verschieben, wenn man die Macht dazu hat. Die Rückkehr des Krieges als Mittel der Politik aber lassen wir nicht zu.
Darum geht es. „Frieden sichern“ heißt heute, dass wir die Ukraine unterstützen, ihre Unabhängigkeit und Souveränität zu verteidigen. Deutschland tut das mit großer Entschlossenheit. Kommende Woche richten wir gemeinsam mit der Ukraine hier in Berlin eine große internationale Wiederaufbaukonferenz aus. Sie wissen: Wir leisten mehr Unterstützung als alle anderen Länder Europas – Hilfe, die gebraucht wird, die ankommt und die wirkt, Hilfe, die wir seit Kriegsbeginn immer wieder überprüfen, ausweiten und anpassen, weil auch dieser Krieg und seine Schauplätze sich permanent verändern.
Russland hat in den letzten Wochen eine neue Front eröffnet. Charkiw, eine ukrainische Millionenstadt unweit der Grenze zu Russland, liegt seitdem fast Tag und Nacht unter russischem Beschuss mit Raketen und Gleitbomben. Es trifft Häuser, Einkaufszentren, Schulen und Fabriken; vor allem aber trifft es unschuldige Zivilistinnen und Zivilisten – Frauen, Männer und Kinder.
Wir haben uns mit unseren Verbündeten eng abgestimmt, wie wir darauf reagieren, so wie wir das immer machen. Und wir haben gemeinsam noch einmal bekräftigt: Die Ukraine hat das völkerrechtlich verbriefte Recht, sich gegen Angriffe auf ihr Territorium, auf ihre Städte und ihre Bürgerinnen und Bürger zu wehren. Das gilt auch für Angriffe wie im Raum Charkiw, die Russland aus Stellungen im direkt angrenzenden russischen Grenzgebiet durchführt.
Um sich gegen solche Angriffe zu verteidigen, kann die Ukraine auch die von uns und unseren Verbündeten gelieferten Waffen einsetzen – immer in Übereinstimmung mit internationalen rechtlichen Verpflichtungen.
Zugleich sage ich ganz klar: Es ist richtig, dass wir uns vor solchen Entscheidungen, vor solchen weiter reichenden Entscheidungen wieder und wieder und wieder mit unseren Partnern und Verbündeten eng abstimmen. Dass wir dabei besonnen handeln, dass wir alle Risiken genau abwägen, dazu stehe ich als Bundeskanzler, dem der Frieden und die Sicherheit Deutschlands wichtig sind und der ihnen verpflichtet ist. Darauf können sich die Bürgerinnen und Bürger verlassen. Deshalb brauchen wir eine starke Bundeswehr, die dafür sorgt, dass niemand es wagt, uns anzugreifen.
Und ja, Frieden braucht auch Diplomatie, mühsame, kleine Schritte. Deshalb reise ich Ende nächster Woche zum Friedensgipfel für die Ukraine in der Schweiz. Es wird dort noch keine Friedensverhandlungen geben; davon sind wir noch weit entfernt, solange Russland glaubt, seine Ziele auf dem Schlachtfeld zu erreichen. Aber ich werde wie schon in der Vergangenheit weiter daran arbeiten, Länder weltweit einzubinden, um Moskau gemeinsam klarzumachen: Wir stehen zum Völkerrecht und zur Charta der Vereinten Nationen.
Es ist an Russland, Truppen zurückzuziehen und so den Weg frei zu machen für einen gerechten Frieden. Auch das ist für mich Friedenspolitik im Jahre 2024; auch das ist Friedenspolitik in der Zeitenwende.
„Ohne Sicherheit ist alles nichts“. Dieser Satz hat für mich große Bedeutung. Denn wo es an Sicherheit fehlt, da wächst die Furcht – Furcht der Bürgerinnen und Bürger untereinander, Furcht vor äußeren Bedrohungen, Furcht vor der Zukunft, Furcht, die Vertrauen und Zuversicht zersetzt.
Gerade deshalb ist Sicherheit der Schlüssel für alles andere. Gerade deshalb bin ich so überzeugt: Sicherheit ist der Grundpfeiler unserer Freiheit, unserer Demokratie und unserer Rechtsstaatlichkeit. Gerade deshalb tritt die Bundesregierung allen Bedrohungen, die die Sicherheit unseres Landes gefährden, so entschieden entgegen. Darauf können sich die Bürgerinnen und Bürger verlassen. «
Quelle: Bulletin 52-1 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 7. Juni 2024