Veröffentlicht am: 27.10.2024 um 22:33 Uhr:

Bundesregierung: Rede von Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier zur Eröffnung des Bürgerfestes im Park von Schloss Bellevue

Zur Eröffnung des Bürgerfestes im Park von Schloss Bellevue hat Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier am 13. September 2024 in Berlin nachfolgende Rede gehalten

» Ehrlich gesagt, das mit dem Wetter hatten wir anders geplant. Ich hatte eher so an Aperol-Spritz-Wetter gedacht. Es ist leider eher Jagertee geworden, das tut mir leid. Aber davon lassen wir uns die Laune nicht verderben. Es ist so schön, dass Sie da sind. Herzlich willkommen Ihnen allen!

Das Schloss, das Sie auf dieser Seite sehen, feiert in diesem Jahr sein 30. Dienstjubiläum. Es wurde 1994 zum ersten Amtssitz des Bundespräsidenten befördert und repräsentiert seitdem ganz offiziell unsere Republik. Schloss Bellevue steht heute für das vereinte Deutschland im Herzen Europas, für die freiheitliche Demokratie unseres Grundgesetzes, für eine offene und vielfältige Gesellschaft gleichberechtigter Menschen.

Und einmal im Jahr, am Wochenende des Bürgerfests, kommt dieses Land hier im Park von Schloss Bellevue in all seiner Vielfalt zusammen. Und das Schöne ist: Sie alle, liebe Gäste, machen diesen Ort zu einem lebendigen Symbol unserer lebendigen Demokratie. Herzlichen Dank für alles, was Sie tun für die Gemeinschaft, den Zusammenhalt in unserem Land, und danke, dass Sie gekommen sind.

Bei uns sind heute mehr als 4.000 ehrenamtlich engagierte Bürgerinnen und Bürger, darunter, lieber Stephan Weil, viele aus unserem diesjährigen Partnerbundesland Niedersachsen, auch natürlich aus den 15 anderen Bundesländern. Bei uns sind Menschen mit den unterschiedlichsten Herkunftsgeschichten, diesmal auch viele mit afrikanischen Wurzeln – Unternehmerinnen, Musiker und Künstlerinnen aus Kenia, unserem Partnerland bei diesem Bürgerfest. Und sie kommen nicht allein. Sie werden begleitet – mehr geht nicht – vom Staatsoberhaupt Kenias. Es ist uns eine große Ehre, dass Präsident Ruto mit seiner Frau bei uns zu Gast ist. Bitte heißen wir unsere Gäste aus Kenia ganz besonders herzlich willkommen!

Sehr geehrter Herr Präsident Ruto, verehrte Frau Ruto, meine Frau und ich freuen uns sehr, dass Sie und viele Ihrer Landsleute uns Ihr faszinierendes Land heute und morgen noch ein Stück näherbringen. Nach der Gründung der Republik Kenia im Jahr 1963 war die Bundesrepublik Deutschland das erste Land überhaupt, das ihre Unabhängigkeit anerkannt hat. Seitdem verbinden uns enge und wirklich freundschaftliche Beziehungen. Und die Zusammenarbeit wird immer enger: bei Energie, bei Umwelt, bei Bildung, bei Ausbildung.

Und deshalb: „Pamoja – gemeinsam stärker“, so lautet das Motto dieses Bürgerfests, eine schöne Mischung aus Swahili und Deutsch. Wir freuen uns, liebe Gäste, Sie alle hier zu sehen. Was für eine tolle Festgesellschaft! Karibuni sana, schön, dass Sie bei uns sind!

Wir haben uns natürlich auch gefragt, ob es überhaupt angemessen ist, in dieser beunruhigenden Zeit der Kriege und Krisen ein Bürgerfest auszurichten, in einer Zeit, in der wir auch in unserem Land erleben müssen, dass Demokratieverachtung mancherorts Wahlerfolge feiert. Und wir haben uns diese Frage jetzt noch einmal neu gestellt nach dem furchtbaren islamistischen Terroranschlag in Solingen und dem vereitelten Anschlag auf das israelische Generalkonsulat in München.

Wir haben uns die Fragen gestellt, aber ich finde: Ja, es ist richtig und wichtig, dass wir heute und morgen gemeinsam dieses Bürgerfest feiern – klar, natürlich mit mehr Vorsorge bei der Sicherheit. Vielleicht haben Sie das gespürt. Es hat etwas mehr Zeit gekostet, um reinzukommen. Aber ich finde – und das ist das Wichtigste –, wir dürfen uns unsere Art zu leben von niemandem nehmen lassen. Wir brauchen gerade jetzt helle und heitere Momente, aus denen wir auch wieder Kraft schöpfen können für unsere Aufgaben in Beruf, Familie, Gesellschaft und Politik. Wir brauchen wenigstens hin und wieder auch das fröhliche Miteinander, weil wir uns bewusst werden müssen, dass wir eine Gesellschaft der Vielen sind und bleiben wollen. Wir brauchen Begegnungen wie diese heute, weil sie uns immer wieder Mut machen, gemeinsam für eine friedlichere und gerechtere Zukunft einzutreten.

Lassen Sie uns also hier und heute miteinander feiern. Und lassen Sie uns zeigen, dass wir in diesem Land friedlich zusammenleben wollen als freie und gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger, so verschieden wir auch sind! Und: Lassen Sie uns zeigen, dass wir zusammenstehen, gemeinsam gegen Menschenfeindlichkeit, Hass und Gewalt! Auch das ist notwendig.

Heute Abend hier im Park sind die versammelt, die sich tagtäglich für ein friedliches und respektvolles Miteinander einsetzen, nicht selten – wenn ich an Feuerwehr und Rettungssanitäter denke – dafür auch noch angegriffen werden. Wir brauchen sie. Wir brauchen diejenigen, die helfen im Notfall, die sich für Zusammenhalt und Mitmenschlichkeit einsetzen, die gegen Entfremdung ankämpfen und Brücken bauen zwischen den gesellschaftlichen Gruppen. Aber es gilt auch das Umgekehrte: Alle die brauchen auch unsere Rückendeckung. Die ehrenamtlich Tätigen sind das Rückgrat unserer Gesellschaft.

Aber Zusammenhalt werden wir nur bewahren, wenn auch Politik ihre Aufgaben erledigt, wenn die Parteien der demokratischen Mitte Sorgen aufgreifen, die die Menschen umtreiben, und Gründe für Verunsicherung und Angst angehen. Sie sind es, die jetzt Verantwortung übernehmen, Kompromisse und Lösungen finden müssen, um Vertrauen da, wo es verloren gegangen ist, zurückzugewinnen. Sie sind es, die jetzt dafür sorgen müssen, dass die Menschen in unserem Land darauf vertrauen können, dass der demokratische Rechtsstaat sie so gut wie möglich vor Gewalt und Terror schützt, ja – aber dabei auch die Menschlichkeit verteidigt. Egal, ob Politik oder Gesellschaft, gemeinsam müssen wir denen entgegentreten, die das Geschäft mit der Angst zur politischen Strategie machen. Wir müssen uns schützen vor der täglichen Empörungsmaschine der sozialen Medien. Und wir müssen eintreten gegen menschenverachtende Stimmungsmache von Extremisten.

Wir müssen auch deutlich sagen, gerade in diesen Tagen: Wer ganze Gruppen unserer Gesellschaft unter Generalverdacht stellt, wer zu Hass und Gewalt aufstachelt, der löst eben keine Probleme, sondern der handelt unverantwortlich und schadet unserer freiheitlichen Demokratie. Der vergiftet das gesellschaftliche Klima. Der schürt gerade da Angst und Panik, wo wir jetzt den Mut zur Vernunft brauchen. Ohne Vernunft, ohne Vertrauen in uns selbst werden wir die Zukunft nicht gewinnen. Aber ich bin mir ganz sicher: Wir gewinnen sie mit Menschen wie Ihnen – mit Mut, mit Zuversicht, mit Engagement für andere, mit Engagement für unser Gemeinwesen. All das zeichnet Sie aus. Das zeigen Sie im Alltag. Und dafür sind wir Ihnen dankbar!

Wir leben in einer Zeit von viel zu vielen Krisen und Konflikten. Wir leben im Dauerstress. Aber ich bin davon überzeugt: Wir werden das hinter uns lassen, weil wir eine Stärke haben, die andere Länder nicht haben. Eine der größten Stärken unseres Landes, das sind zweifellos die vielen Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, all jene, die sich Tag für Tag um andere und um das Gemeinwesen kümmern, oft zusätzlich zu ihren Aufgaben in Familie und Beruf.

Weil sie nicht alle hier in diesen Park passen, haben wir eine kleine Auswahl – über 4.000 – eingeladen. Und es sind heute Frauen und Männer aus allen Teilen unserer Republik hier, die sich in herausragender Weise engagieren – sei es, weil sie sich schon seit vielen Jahren unermüdlich anstrengen, mit anpacken, weil sie besonders gute Ideen haben oder weil sie mit ihrer Mitmenschlichkeit, Leidenschaft und Tatkraft Berge versetzen können. Sie sind da für Kinder, Jugendliche, Alte oder Kranke. Sie helfen Geflüchteten und Migranten dabei, in unserer Gesellschaft zurechtzukommen. Sie halten das Vereins- und Kulturleben am Laufen. Sie übernehmen Verantwortung in Initiativen, Gewerkschaften und Parteien. Sie engagieren sich im Rettungsdienst und im Katastrophenschutz, bringen den Naturschutz und die weltweite Verständigung voran – und vieles, vieles andere mehr.

Sie alle, liebe Gäste, Sie kümmern sich. Sie stehen für Zusammenhalt und Mitmenschlichkeit in unserem Land. Und Sie alle zeigen, wie viel wir bewegen können, wenn wir Konflikte miteinander in Respekt voreinander austragen, Probleme gemeinsam anpacken, nach Lösungen suchen, statt über andere zu schimpfen oder uns mit Wut im Bauch zurückzuziehen. Sie alle machen Mut. Sie verbreiten Gemeinsinn, Zuversicht, oft auch Humor und gute Laune – all das, was uns in diesen schwierigen Zeiten helfen kann, die Dinge wirklich und nachhaltig zum Besseren zu verändern. Sie und die vielen anderen engagierten Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, Sie machen aus dem bloßen Nebeneinander in einer Gesellschaft ein Miteinander in unserem Land. Sie machen unsere freiheitliche Demokratie stark. Dieses Bürgerfest ist unser Dankeschön an Sie, liebe ehrenamtlich Engagierte. Haben Sie ganz herzlichen Dank von uns beiden für Ihren großartigen Einsatz, den Sie an 365 Tagen im Jahr leisten. Herzlichen Dank dafür! – Ich weiß, viele von Ihnen mögen es nicht, selbst im Scheinwerferlicht zu stehen. Manche verstehen gar nicht, warum sie überhaupt geehrt werden. Wenn man engagierten Bürgerinnen und Bürgern seinen Dank ausspricht, dann hört man immer wieder den Satz: „Ach, das mach‘ ich doch gern, das ist doch selbstverständlich!“ Und es ist natürlich auch diese Bescheidenheit, die Sie alle miteinander auszeichnet.

Aber, liebe Gäste, ich wünsche mir, dass das, was Sie alle für das Gemeinwesen tun, noch sichtbarer wird. Ich wünsche mir, dass Sie noch mehr zu Vorbildern oder, wie man heute sagt, zu Influencern werden, an denen sich andere ein Beispiel nehmen. Das würde ich mir wünschen. Und ich wünsche mir, dass wir auch bei diesem Bürgerfest weiter darüber diskutieren, was wir in Politik und Gesellschaft tun können, um noch mehr Menschen für das bürgerschaftliche und das demokratische Engagement zu gewinnen. Wir haben in diesem Land lange über „Wutbürger“ gesprochen. Lassen Sie uns in Zukunft wieder mehr über die „Mutbürger“ dieses Landes sprechen! Die brauchen wir!

Meine Frau und ich, wir freuen uns auf die vielen Begegnungen und Gespräche in den kommenden anderthalb Tagen. Und wir wünschen Ihnen viele verbindende Momente hier im Park von Schloss Bellevue. Freuen Sie sich auf inspirierende Menschen, auf Konzerte von Künstlerinnen und Künstlern aus Europa und Afrika, auf kulinarische Spezialitäten von Currywurst bis Ugali. Wir wünschen Ihnen einen wunderschönen Abend und freuen uns jetzt auf die Worte von Herrn Präsident Ruto. Ihnen allen meinen herzlichen Dank! «


Quelle: Bulletin 83-2 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 18. September 2024

Weitere Artikel zum Thema Bundesregierung, die Sie auch interessieren könnten...

Rede von Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier beim Besuch der German International University (GIU) in Kairo

Breites Bündnis aus Wirtschaft, Verbänden, Politik und KfW bekennt sich im Rahmen der WIN-Initiative zum Start-up-Standort Deutschland

Zentralasien ist für Deutschland eine äußerst wichtige Region

Wirtschaftsbeziehungen weiter vertiefen

Umfassende Partnerschaft weiter stärken