Veröffentlicht am: 12.11.2024 um 05:52 Uhr:

Deutsche Sporthochschule Köln: Vereinsschädigendes Verhalten

Im Auftrag des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und der Deutschen Sportjugend (dsj) haben die Wissenschaftler*innen vom Institut für Sportrecht der Deutschen Sporthochschule Köln, Univ.-Prof. Dr. Martin Nolte und Dr. Caroline Bechtel, ein rechtswissenschaftliches Gutachten erstellt. Es beantwortet praxisrelevante Fragen zu den Werten des organisierten Sports, zum Tatbestand und den Rechtsfolgen von vereins- bzw. verbandsschädigendem Verhalten sowie zum Umgang mit parteipolitischen Realitäten vor Ort.

» Kern des fragebasierten Gutachtens war die Erarbeitung einer Formulierung zur Konkretisierung von vereins- oder verbandsschädigendem Verhalten. „Vereins- oder verbandsschädigendes Verhalten liegt vor, wenn ein Tun oder Unterlassen den Interessen eines Vereins oder Verbandes widerspricht“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Martin Nolte, der den Formulierungsvorschlag entwickelt hat, und ergänzt: „Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Verhalten dazu führt, dass der Verein oder der Verband seine Ziele, Zwecke oder Grundsätze nicht oder schlechter erfüllen kann oder das Ansehen, der Bestand und die Funktionstüchtigkeit des Vereins oder Verbandes gefährdet werden.“ Ob die Schädigung durch ein Verhalten innerhalb des Sportvereins bzw. -verbandes (z.B. bei Sportwettkämpfen, Trainingsmaßnahmen oder anderen Veranstaltungen im Bereich des Vereins/Verbandes) oder außerhalb (etwa auf Demonstrationen oder Kundgebungen) geschieht, ist dabei irrelevant. Ebenso kommt es für die Verwirklichung eines tatbestandlichen vereinsschädigenden Verhaltens nicht auf die Häufigkeit oder die Schwere eines Fehlverhaltens an. Dies wird durch die offene Formulierung des Tatbestandes von vereinsschädigendem Verhalten zum Ausdruck gebracht. Maßgeblich ist allein, ob ein Verhalten den Zwecken und Werten des Vereins bzw. Verbandes widerspricht und dessen Interessen beeinträchtigt werden.

Zu den Werten eines Vereins bzw. Verbands gehören regelmäßig Fair Play, Teamgeist, Verlässlichkeit und Engagement. Sie sind wesentliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Sportkultur, die soziale und integrative Kraft entfaltet. Damit verbunden sind gleichsam gesellschaftspolitische Zwecke, wie die Ablehnung von Rassismus, Diskriminierung und Gewalt. „Bloßes Sporttreiben ohne Werte gibt es nicht. Erst die Verbindung der körperlichen Aktivität mit der Wahrung und Einhaltung ethischer Werte macht Bewegung zu Sport und verleiht ihm diejenigen Funktionen, auf denen seine Wertschätzung und Anerkennung durch Staat und Gesellschaft beruhen“, sagt Dr. Caroline Bechtel, die an der Erstellung des Gutachtens mitgewirkt hat. Mit seinem Beitritt zu einem Verein bekennt sich ein Mitglied zu dessen Zwecken und Werten. Damit verbunden ist die Pflicht, sich in Einklang mit den Zielen, Zwecken, Grundsätzen und Werten des Vereins oder Verbands zu verhalten. Diesen Zwecken widerspricht rassistisches, diskriminierendes oder gewaltverherrlichendes Verhalten eines Mitglieds diametral. In diesen Fällen liegt ein vereins- bzw. verbandsschädigendes Verhalten vor.

Der konkretisierende Formulierungsvorschlag von vereins- und verbandsschädigendem Verhalten eröffnet zugleich die Möglichkeit für Vereine bzw. Verbände, ein Mitglied zu sanktionieren, wenn sich dieses vereins- oder verbandsschädigend verhält. Dabei empfiehlt Univ.-Prof. Dr. Martin Nolte: „Der Tatbestand sollte keine zwingende Rechtsfolge vorsehen, sondern dem Verein oder Verband ein Ermessen einräumen, ob und wie er Fehlverhalten sanktioniert.“ Zugleich betont er: „Bei der Sanktionierung hat der Verein bzw. Verband eine sachgemäße und vollständige Beurteilung aller Umstände vorzunehmen und das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten.“

Mit alledem knüpft das vorliegende Gutachten an Erkenntnisse aus einem früheren Gutachten zur parteipolitischen Neutralität von Sportvereinen an. Es soll Vereinen und Verbänden rechtssicher Aufschluss darüber geben, was vereins- bzw. verbandsschädigendes Verhalten ist, wie dieses im Einzelfall festgestellt werden kann und welche Maßnahmen zur Sanktionierung von vereins- und verbandsschädigendem Verhalten zur Verfügung stehen. Dies erfolgt mit Blick auf die gesellschaftspolitischen Funktionen des organisierten Sports im Allgemeinen sowie zur Stärkung der Werte, Bekenntnisse und Grundsätze des DOSB und der dsj im Besonderen.


Das Institut für Sportrecht gibt es seit dem 1. Januar 2014 an der Deutschen Sporthochschule Köln. Es ist das einzige universitäre Institut dieser Art im deutschsprachigen Raum. Es befasst sich mit den Spiel- und Sportregeln (inter-)nationaler Sportorganisationen sowie den sportrelevanten Normen des (zwischen-)staatlichen Rechts mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen des Sports in gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und organisatorischer Sicht. Nach der Entwicklung des ersten akkreditierten Masterstudiengangs zum Sportrecht, erstellte es die erfolgreiche Konzeption zur Einführung einer Fachanwaltschaft zum Sportrecht unter dem Dach des Deutschen Anwaltsvereins, veranstaltet Sportrechtstage sowie -abende und pflegt zahlreiche Kooperationen mit (zwischen-)staatlichen Stellen, Sportorganisationen, Wirtschaftsunternehmen (Sponsoren) sowie anderen gesellschaftlichen Akteuren. «


Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Sporthochschule Köln vom 31. Oktober 2024

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