Veröffentlicht am: 24.12.2024 um 14:56 Uhr:

Bundesregierung: Rede des Bundesministers für Gesundheit, Dr. Karl Lauterbach, eingangs der Befragung der Bundesregierung vor dem Deutschen Bundestag

Eingangs der Befragung der Bundesregierung vor dem Deutschen Bundestag hat der Bundesminister für Gesundheit, Dr. Karl Lauterbach, am 16. Oktober 2024 folgende Rede in Berlin gehalten

» Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Lassen Sie auch mich mit einem Dank beginnen. Mein Dank gilt all jenen, die jeden Tag als Ärztinnen und Ärzte, als Pflegekräfte, als Assistenzkräfte in unserem Gesundheitssystem dafür sorgen, dass es funktioniert, dass wir jeden Tag Leben retten können, dass wir jeden Tag Gesundheit erhalten können. Mein Dank gilt insbesondere auch denjenigen mit einem Migrationshintergrund, die dies tun. Wir brauchen Sie. Wir brauchen Ihre Arbeit. Wir sind stolz auf Sie. So sieht das der überwiegende Teil unserer Bevölkerung. Und lassen Sie sich bitte nicht verunsichern von Parteien, die versuchen, Ihre Arbeit gering zu schätzen und Sie zu verunglimpfen! Sie stehen an unserer Seite. Ohne Sie könnten wir das nicht schaffen. Ich danke Ihnen!

Der Schätzerkreis im Gesundheitssystem ist heute zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beitragssatz im nächsten Jahr um 0,8 Beitragssatzpunkte steigen muss. Das ist eine historische Steigerung. Das bedeutet eine Steigerung um 0,4 Beitragssatzpunkte für die Arbeitnehmer. Woran liegt das? Zum einen haben wir zu kämpfen mit Inflation und mit höheren Löhnen. Zum Teil sind die höheren Löhne auch berechtigt, und das ist richtig. Aber wir müssen uns auch ehrlich machen: Unser Gesundheitssystem ist das teuerste Gesundheitssystem in Europa und kann ausweislich seiner Qualität nicht überzeugen. Wir sind in der Qualität Mittelmaß. Wir haben in den letzten Jahrzehnten Strukturreformen versäumt. Und das ist auch ein Versäumnis meiner eigenen Partei gewesen. Das ist keine parteipolitische Position, die ich hier beziehe. Aber wir müssen jetzt zusammenhalten. Wir müssen die wesentlichen Reformen machen.

Unsere Krankenhäuser haben im letzten Jahr sieben Milliarden Euro mehr bekommen. Und trotzdem machen die meisten Krankenhäuser Defizite. 30 Prozent der Betten stehen leer. Das ist eine ineffiziente Struktur. Wir brauchen bessere Qualität, mehr Spezialisierung. Wir brauchen auch einen Abbau von Überkapazität. Wir müssen aber auch die kleinen Häuser auf dem Land so erhalten, dass dort überall die Daseinsfürsorge gewährleistet ist. Diese große Reform werden wir morgen im Deutschen Bundestag beschließen. Darauf können wir stolz sein. Das ist ein wichtiger Schritt.

Wir haben seit 20 Jahren die Digitalisierung in unserem Gesundheitssystem nicht erreichen können. Die elektronische Patientenakte, die eigentlich die Voraussetzung für eine gute Qualität ist, haben wir nicht einführen können. 20 Jahre lang haben wir Milliarden Euro ausgegeben, aber die elektronische Patientenakte ist nicht da. Oft kommen die Befunde mit wochenlanger Verzögerung aus den Kliniken in die Praxen. In den Praxen wird oft noch mit Faxgeräten gearbeitet. Die Befunde sind nicht da; es kommt zu Doppeluntersuchungen.

Wir verlieren hier Qualität. Und das geht einher mit einer ermüdenden Bürokratie. Im Januar werden die Digitalgesetze dazu führen, dass die elektronische Patientenakte erstmalig kommt. Das elektronische Rezept und die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sind schon eingeführt. Wir werden im Rahmen der Digitalisierung auch Forschung mit moderner künstlicher Intelligenz ermöglichen, sodass wir hier endlich Anschluss finden an die Spitzennationen.

In den Hausarztpraxen brauchen wir eine Entbudgetierung. Wir brauchen auch eine Entbürokratisierung. Die Hausarztpraxen sind voll von Patienten, die dort eigentlich gar nicht sitzen müssten, weil unser kompliziertes Honorarsystem bis zu acht Arztbesuche in einem Jahr für einen älteren Menschen notwendig macht, damit der Hausarzt sein volles Honorar bekommt. Dazu kommt der ermüdende Arzneimittelregress – bürokratisch und ohne Funktion. Das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz wird die Hausarztpraxen attraktiver machen, entbürokratisieren und auch zahlreiche überflüssige Besuche unnötig machen.

Wir brauchen endlich eine neue, wirklich durchschlagende Initiative bei der Vorbeugemedizin. In Deutschland sterben weit mehr Menschen an Herzinfarkten und Schlaganfällen, als das eigentlich notwendig wäre. In den skandinavischen Ländern ist es gelungen, die Zahl der Schlaganfälle und Herzinfarkte um ein Drittel zu reduzieren. Wir haben das nicht reproduzieren können. Daher sind das Gesundes-Herz-Gesetz und die Errichtung des neuen Instituts für Vorbeugemedizin überfällig. Das wird die Kosten reduzieren.

Gestatten Sie mir eine abschließende Bemerkung. Ohne diese wichtigen Strukturreformen, die ich gerne auch mit der Opposition beschließen würde, würden die Beitragssätze immer weiter steigen – und schlimmer noch: Es gäbe zahlreiche vermeidbare Todesfälle bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen und den Krebserkrankungen. Somit sind wir jetzt auf dem Höhepunkt unserer Reformen. Ich lade alle ein, an diesen wichtigen Reformen mitzuarbeiten.

Ich danke Ihnen. «


Quelle: Bulletin 98-3 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 17. Oktober 2024

Weitere Artikel zum Thema Bundesregierung, die Sie auch interessieren könnten...

Deutscher Verlagspreis 2024 verliehen

Bund fördert mit Gründungsstipendien die Games-Branche

Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Investment Round des World Health Summit

Rede des Bundesministers der Justiz, Dr. Marco Buschmann, zum Gesetz zur Entwicklung und Erprobung eines Onlineverfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit

Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Feier 40 Jahre privater Rundfunk