Veröffentlicht am: 03.02.2025 um 19:26 Uhr:

Bundesregierung: Rede von Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier zur Verleihung des Silbernen Lorbeerblattes an die Gewinner der Deaflympischen Winterspiele, der Olympischen und Paralympischen Sommerspiele 2024

Am 4. November 2024 hat Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier zur Verleihung des Silbernen Lorbeerblattes an die Gewinner der Deaflympischen Winterspiele, der Olympischen und Paralympischen Sommerspiele 2024 nachfolgende Rede in Berlin gehalten

» Vor wenigen Tagen war ich in Griechenland – dort, wo vor sehr langer Zeit die Olympischen Spiele der Antike entstanden sind. Damals, während der Panhellenischen Spiele in Olympia, lieferten sich die Athleten Kämpfe, von denen wir uns manche gar nicht mehr vorstellen wollen. Die Olympischen Spiele der Neuzeit erreichen heute ein internationales Milliardenpublikum und begeistern Menschen weit über die Grenzen des Veranstaltungsortes hinaus – und in diesem Jahr ganz besonders. Ein Grund dafür sind Sie, liebe Athletinnen und Athleten der Neuzeit! Wie schön, dass Sie alle heute hier sind: die Siegerinnen und Sieger der Deaflympischen Winterspiele und der Olympischen und Paralympischen Sommerspiele in diesem Jahr.

Sie haben es bis an die Spitze geschafft. Sie haben Herausragendes erreicht und für unser Land Medaillen errungen – in Erzurum in der Türkei oder, wie die meisten von Ihnen, in Frankreich, in Paris. Heute gibt es eine weitere Auszeichnung obendrauf, denn Sie haben nicht nur sportlich Außergewöhnliches geleistet, sondern Sie haben auch ein ganzes Land stolz gemacht. Sie haben uns unvergessliche Momente geschenkt, Momente der Spannung und der Freude. Dafür möchte ich Ihnen heute ausdrücklich und von Herzen danken und Ihnen die höchste Auszeichnung überreichen, die unser Land für sportliche Leistungen zu vergeben hat. Ich freue mich sehr, dass Sie alle heute hergekommen sind, und zwar so zahlreich, dass selbst der Große Saal im Schloss Bellevue für alle zusammen zu klein gewesen wäre. Seien Sie ganz herzlich willkommen!

Drei Stöße mit einem Holzstab, kurze Stille und dann Jubel und Beifall auf den Tribünen – so begann in diesem Jahr in Paris jeder olympische und paralympische Wettkampf. Das Ritual, eigentlich eine alte französische Theatertradition, sollte zeigen: Jetzt geht es los! Jetzt wird es ernst! In diesem Sommer erinnerten uns Zuschauer diese drei Schläge jedes Mal: Jeder Wettkampf ist einzigartig. Er erfordert volle Aufmerksamkeit – von den Athletinnen und Athleten und gleichzeitig auch vom Publikum. Und genau das ist es auch, was mich am Spitzensport besonders fasziniert: Wie im Theater gibt es hier diesen ganz entscheidenden Moment, auf den es ankommt. Es gibt den Punkt, an dem die Sportlerinnen und Sportler voll da sein müssen.

Ob auf dem Pferd im Schlosspark von Versailles oder im Boot auf dem Wasser in Vaires-sur-Marne, ob beim Schießen auf die Zielscheibe, beim Sprung ins Schwimmbecken oder in die Seine, ob im Stadion vor dem Eiffelturm, im Grand Palais oder im Stade de France – Sie, liebe Athletinnen und Athleten, haben bei den Wettkämpfen in Paris alles gegeben. Und auch bei den Deaflympics in Erzurum in der Türkei gab es für Sie die Augenblicke, in denen es um alles ging, in der Fußballhalle oder auf der Skipiste. Ich kann mir vorstellen, wie groß die Anspannung für Sie gewesen sein muss. Binnen Sekunden mussten viele von Ihnen ihre Leistung abrufen, vollkommen fokussiert sein, ohne Ablenkung, ohne Zweifel an sich selbst. Nur der nächste Schritt zählte, der perfekte Schlag, der präzise Wurf. Andere unter Ihnen mussten durchhalten, weitermachen, die Kräfte über Stunden einteilen. Mit dieser Fähigkeit, an einem bestimmten Tag alles zu geben, haben Sie Medaillen errungen.

Und doch wäre dieser große, ergreifende Moment des Erfolges nicht möglich gewesen, das wissen wir alle, ohne harte Vorarbeit, ohne Entbehrungen. Jahrelang haben Sie ehrgeizig auf dieses sportliche Ziel hingearbeitet, diszipliniert trainiert und dafür, so ahne ich, auch auf vieles verzichtet. Sie haben sich aufreibenden Qualifikationen und hohen Erwartungen gestellt. Ich kann mir vorstellen, wie oft all das für Sie auch eine Achterbahn der Gefühle war, immer wieder aufs Neue zu hoffen und auch dann immer wieder an den Start zu gehen, wenn es beim Mal zuvor vielleicht nicht ganz so gut gelaufen war. Keine Sportkarriere ist ohne Rückschläge und Niederlagen zu haben. Und mich beeindruckt sehr, dass Sie sich auch aus Tiefen und schwierigen Phasen bis nach ganze vorne gearbeitet haben. Sie geben nie auf. Sie sammeln immer wieder Kraft und nehmen die nächste Hürde.

Und Sie bestärken einander gegenseitig – im Team und hin und wieder auch unter Konkurrenten. Mit Ihrem Ehrgeiz und Ihrer ganz besonderen Hingabe inspirieren Sie andere, ebenfalls an sich selbst zu glauben, ausdauernd zu sein und sich hohe Ziele zu stecken. In einem Wort: Sie alle sind wichtige Vorbilder – und das weit über den Sport hinaus! Auch dafür möchte ich Ihnen danken. Gerade im Spitzensport, aber auch in vielen anderen Bereichen gilt: Kaum einer erreicht große Ziele ganz allein. Medaillengewinne wie die Ihren sind immer auch eine Gemeinschaftsleistung. Und das stimmt nicht nur für die Teamsportarten. Hinter jeder Athletin und jedem Athleten stehen Trainerinnen und Trainer, Betreuerinnen und Betreuer, aber auch Familie und Freunde, die mitarbeiten, anspornen und mitfiebern – Menschen, die Halt und Kraft geben. Einige sitzen heute hier im Publikum. Auch Ihnen möchte ich von Herzen danken. Vielleicht gehört auch Ihnen ein kleines Stück von der Medaille – und deshalb auch ein kleines Stück vom Silbernen Lorbeerblatt.

Das Schöne ist: Auch Triumph und Freudentränen, auch die Freude über den Erfolg lässt sich teilen – ja, sie wird sogar noch größer, wenn wir gemeinsam feiern und jubeln. Wie oft hatten wir in diesem Jahr Anlass dazu, zum Beispiel gleich am ersten Wettkampftag in Paris, als einem deutschen Beckenschwimmer ein spektakulärer Olympiasieg gelang – die erste olympische Goldmedaille in dieser Sportart für das wiedervereinigte Deutschland! Aber das war nur der Anfang der historischen Leistungen. In der Rhythmischen Sportgymnastik gab es das erste deutsche Gold überhaupt, genauso wie beim 3x3-Basketball der Frauen, einer noch relativ neuen Sportart, die viele Zuschauer fasziniert hat. Und natürlich war auch das sensationell: Der „Herr der Lüfte“, wie ihn manche nennen, holte zum vierten Mal bei den Paralympics deutsches Gold im Weitsprung. Gleich zwei Goldmedaillen auf einmal gab es im Schießen, eine davon sogar mit paralympischem Rekord – auch das ein besonderer Erfolg, zu dem ich stellvertretend für die vielen anderen herausragenden Leistungen, die ich hier nicht alle nennen kann, herzlich gratulieren möchte.

Erlauben Sie mir an dieser Stelle noch einen Glückwunsch der anderen Art: Darja Varfolomeev, die jüngste deutsche Medaillengewinnerin der Olympischen Spiele und sechsfache Weltmeisterin in der Rhythmischen Sportgymnastik, feiert heute ihren 18. Geburtstag. Liebe Frau Varfolomeev, ich gratuliere sehr herzlich – wie schön, dass Sie Ihren Geburtstag mit uns feiern!

Die Spiele in Paris haben mit ihrem leuchtenden Glanz, mit ihrer besonderen Magie ein paar Wochen lang die Welt verzaubert. Ich selbst habe zusammen mit meiner Frau die Eröffnung der Paralympics und danach auch einige Wettkämpfe besucht. Und ich bin sehr dankbar dafür. Dieser Sportsommer in Paris war einzigartig. Zwischen feiernden Fans, strahlenden Athletinnen und Athleten und einem über die Welt verteilten Publikum, kurz, zwischen vielen, ganz unterschiedlichen Menschen entfaltete sich plötzlich eine lang vermisste Atmosphäre von Leichtigkeit und sogar Heiterkeit. Über diese schönen Sommerwochen hinweg konnten wir gemeinsam ein wenig auf- und durchatmen. Wir konnten ein friedliches, ein vielfältiges und lebendiges Miteinander erleben, ein Miteinander über Grenzen hinweg, das wir uns auch jenseits des Sports für unser Leben wünschen. Angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, angesichts von Terror und Krieg im Nahen Osten wächst unsere Sehnsucht nach einem friedlichen Miteinander jeden Tag. Manchmal aber scheint es uns weit entfernt. In dieser schwierigen Zeit, die uns tatsächlich oft mit Sorgen erfüllt, verbreiteten die Spiele von Paris etwas ganz Kostbares, etwas, was zwischendurch manchmal verloren zu gehen droht: Zuversicht.

In diesem Sinne wollen wir heute nicht nur Medaillen und Rekorde feiern, sondern auch den Zusammenhalt und die Gemeinschaft, die durch Sport entstehen. Liebe Athletinnen und Athleten, lassen Sie uns die Freude über Ihre außergewöhnlichen Erfolge heute noch einmal teilen. Und erlauben Sie mir, diese Freude mit der Auszeichnung unseres Staates quasi auch noch zu verdoppeln. Herzlichen Glückwunsch zu den herausragenden Leistungen! Herzlichen Glückwunsch zum Silbernen Lorbeerblatt, das ich Ihnen jetzt gemeinsam mit der Bundesinnenministerin einzeln überreichen darf. «


Quelle: Bulletin 105-1 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 6. November 2024

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