Veröffentlicht am: 20.05.2025 um 06:36 Uhr:
Bundesregierung: Pressekonferenz anlässlich der Reise von den Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Deutschland, Polen und dem Vereinigten Königreich nach Kyjiw am 10. Mai 2025
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Bundeskanzler Merz
Lieber Wolodymyr, liebe Kollegen, Emmanuel Macron, Keir Starmer, Donald Tusk, meine Damen und Herren,
wir haben in dieser zu Ende gehenden Woche an verschiedenen Plätzen in der Welt des Endes des Zweiten Weltkriegs gedacht ‑ ein Krieg, der von Deutschland begonnen wurde. Mein Land hat schon wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ‑ nicht zuletzt durch die Vereinigten Staaten von Amerika, durch Frankreich, durch Großbritannien und viele andere ‑ die Chance bekommen, in den Kreis der zivilisierten Völker der Welt wieder aufgenommen zu werden.
Diese großartige Chance, die Deutschland erhalten hat, ist für uns heute eine Verpflichtung, für die Freiheit auf der ganzen Welt einzutreten und dem Frieden in der Welt zu dienen. Ich bin persönlich am Ende dieser Woche auch ein Stück bewegt, dass es mir als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland heute erlaubt ist, in diesem Kreis hier zu stehen und zusammen mit dem polnischen Ministerpräsidenten, dem britischen Premierminister und dem französischen Staatspräsidenten unserem Freund und Partner, dem Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, nicht nur unsere volle Solidarität und Unterstützung zum Ausdruck zu bringen, sondern in dieser schwierigen Phase eines schon seit über drei Jahren andauernden Krieges, an einem fast schon historischen Tag, zu sagen: Wir stehen fest und bleiben fest an der Seite der Ukraine.
Wir wissen um das Schicksal der Menschen. Wir wissen, dass jeden Tag auf dem Boden der Ukraine Menschen sterben, unbeteiligte Zivilisten, Frauen, Kinder, ältere Menschen, aber auch Soldaten ‑ Soldaten auf beiden Seiten, nicht nur ukrainische Soldaten, sondern auch russische.
Deshalb möchte ich Ihnen gern sagen, dass wir heute mit unserer Präsenz hier ein sehr klares und sehr deutliches Signal geben, das Signal, dass wir entschlossen sind, alles zu tun, um diesen Krieg so schnell wie möglich zu beenden, und wir bereit sind, dazu jeden Beitrag zu leisten, den wir fünf, die wir hier stehen ‑ vier Partner der Ukraine ‑, leisten können und leisten müssen.
Dieser Krieg ist ausschließlich von Russland ausgegangen. Er ist nicht provoziert, er ist nicht durch die NATO oder die Europäische Union und auch nicht durch die Demokratie ausgelöst worden. Dieser Krieg ist ausschließlich ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg Russlands.
Wir haben uns heute ‑ Deutschland, Frankreich, Polen, das Vereinigte Königreich und die Ukraine ‑ zu diesem Treffen verabredet, und wir haben es gut vorbereitet. Wir haben alle vorher mit dem amerikanischen Präsidenten gesprochen, und wir haben ihn unmittelbar nach dem Ende unseres heutigen Treffens auch noch einmal persönlich informiert. Wir sind dankbar, dass der amerikanische Präsident voll und ganz unsere Initiative unterstützt, sie teilt und sie auch mit uns gemeinsam ergreift. Wir arbeiten gemeinsam darauf hin, dass Russland sich endlich auf einen längeren Waffenstillstand einlässt, statt immer wieder neue Vorbedingungen zu stellen. Wir haben mit Präsident Selenskyj heute darüber beraten, wie die nächsten Schritte hin zu einem echten Frieden aussehen könnten.
Der erste Schritt muss über den Waffenstillstand des Wochenendes hinaus ein 30-tägiger Waffenstillstand ab Montag der nächsten Woche sein, der unkonditioniert von Russland eingehalten wird. Es muss klar sein: Wenn Russland sich diesem Waffenstillstand verweigert ‑ einem Waffenstillstand, der die Grundlage für sofort beginnende Verhandlungen sein kann ‑, dann werden wir die Ukraine weiter verteidigen, und wir werden den Druck auf Russland weiter erhöhen.
Auch das gehört zum heutigen Tag dazu: Fast alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union und eine große Koalition der Willigen auf der ganzen Welt ist entschlossen, diese Sanktionen auch in Kraft zu setzen, wenn unsere Initiative des Wochenendes scheitern sollte. Diese Initiative ergreifen wir dank unserer gemeinsamen Verantwortung, dank unserer gemeinsamen Geschichte.
Ich will es noch einmal betonen: Es ist nicht nur eine Ehre, es ist eine Verpflichtung für Deutschland und die neue Bundesregierung ‑ so wie das auch von der ausgeschiedenen Bundesregierung wahrgenommen wurde ‑, an diesen Arbeiten teilzunehmen und jede Anstrengung zu unterstützen, dass dieser Krieg in Europa ‑ und es ist ein Krieg in Europa ‑ so schnell wie möglich endet.
Wir haben eine Chance, dies zu tun. Und wenn er endet, dann werden wir ihn gemeinsam mit der Ukraine, mit der NATO, mit der Europäischen Union so absichern, dass die Ukraine auf Dauer in Freiheit, in Frieden und in einer Demokratie leben darf.
Herzlichen Dank.
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Frage
Herr Präsident Selenskyj, Deutschland hat einen neuen Bundeskanzler. Friedrich Merz ist nur vier Tage nach seinem Amtsantritt in die Ukraine gereist. Was erwarten Sie jetzt von der neuen Bundesregierung? Erwarten Sie, dass die so lange von Ihnen ersehnten Marschflugkörper Taurus an die Ukraine geliefert werden? Hoffen Sie darauf, dass Deutschland, was die Einladung der Ukraine in die NATO angeht, zugänglicher sein wird?
Und, Herr Bundeskanzler, was werden Sie anders machen als Ihr Vorgänger in der Ukrainepolitik? Als Sie das letzte Mal im Dezember hier waren, waren Sie noch Oppositionspolitiker. Da haben Sie die Taurus-Marschflugkörper sehr deutlich in Aussicht gestellt. Jetzt sind Sie Bundeskanzler. Werden Sie nun etwas anderes machen? Sind Sie bereit, gegebenenfalls bei einem Waffenstillstand Bodentruppen für die Ukraine zur Verfügung zu stellen?
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Bundeskanzler Merz
Herr Kollege, ich stehe in einer gewissen Kontinuität der früheren Bundesregierung. Wir haben viele Entscheidungen auch in den letzten dreieinhalb Jahren gemeinsam getroffen. Wir haben gleich zu Beginn des Krieges im April 2022 einen gemeinsamen Entschließungsantrag in den Deutschen Bundestag eingebracht. Ich bin von den deutschen Politikern der Erste gewesen, der nach dem Ausbruch des Krieges dann am 1. und 2. Mai 2022 die Ukraine besucht hat.
Wir haben immer gesagt, dass wir der Ukraine helfen wollen und müssen, und zwar nicht nur aus dem Interesse der Ukraine heraus, sondern auch in unserem gemeinsamen europäischen Interesse. Denn dieser Krieg gefährdet nicht nur die territoriale Integrität der Ukraine, dieser Krieg will die gesamte politische Ordnung Europas zerstören. Und deswegen stehen wir an der Seite der Ukraine.
In welchem Umfang wir das tun, das stimmen wir in Zukunft noch enger mit unseren europäischen Partnern und der Koalition der Willigen ab. Der Tatsache, dass ich heute hier bin, mögen Sie entnehmen, dass ich in diesem Format E3 und, wo immer möglich, auch zusammen mit Polen alles tun werde, um auch eine gemeinsame Führungsverantwortung dieser vier Länder wahrzunehmen.
Welche Maßnahmen wir gemeinsam treffen, um diesen Krieg zu beenden, und welche gemeinsamen Entscheidungen wir treffen, um einen möglichen Frieden in der Ukraine abzusichern, das ist in erster Linie nicht Gegenstand öffentlicher Erörterungen, sondern zunächst intensiver Beratungen in diesem Format mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Ich lege allergrößten Wert darauf, dass die Vereinigten Staaten von Amerika engagiert bleiben. Welche Absicherung wir dann auch sicherheitspolitisch einer Ukraine geben, die einen Friedensvertrag unterschreiben konnte, das sind Entscheidungen, die wir zur gegebenen Zeit miteinander besprechen und sie dann zur gegebenen Zeit miteinander vollziehen.
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Quelle: Pressemitteilung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 10. Mai 2025