Veröffentlicht am: 03.08.2025 um 03:18 Uhr:
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Bundesregierung: Rede des Bundesministers für Digitales und Staatsmodernisierung, Dr. Karsten Wildberger, beim Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV)
» Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Hilscher (Vorstand BDZV),
sehr geehrter Herr Dr. Eggers (Vorstand BDZV),
sehr geehrter Herr Schmutterer (Schirmherr Beta),
vielen Dank für die Einladung. Vielen Dank, dass ich heute bei Ihnen sein kann.
Ich erlebe in meinen ersten Wochen in meinem Amt jeden Tag, an wie vielen Stellen in unserem Land mit großer Leidenschaft bereits an der Digitalisierung gearbeitet wird. Auch Sie sind mit Ihren Verlagen mutige Vorreiter für die Digitalisierung Ihrer Branche. Sie sind inzwischen so viel mehr als „nur“ die gedruckte Zeitung, die für viele Menschen noch immer zu einem gelungenen Start in den Tag gehört. Sie sind E-Paper. Sie sind App. Sie sind Newsletter. Sie sind Podcast. Sie sind Video. Sie sind wirklich digitale Vielfalt in Ihren Prozessen und in Ihren Produkten.
Ich weiß, weil ich auch Leser und „User“ Ihrer Angebote bin, wie wertvoll und wichtig Sie sind, Ihr unabhängiger Journalismus, für den Diskurs in unserem Land, für die Meinungsvielfalt, für die Meinungsbildung, letztlich für Demokratie und Freiheit. Dafür danke ich Ihnen und all Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr.
So, wie Sie digitale Zukunft gestalten, so versteht sich auch mein neues Ministerium als Antreiber und Möglichmacher einer digitalen Zukunft. Es geht um digitalen Spirit. Es geht um digitale Führung. Es geht um digitale Souveränität. Es geht um digitale Geschäftsmodelle, die ein Boost sein können für Wachstum und Wirtschaft. Und es geht auch um die Rolle von künstlicher Intelligenz (KI) in unseren Prozessen, Produkten, in der Wirtschaft und in unserem Leben. Es ist das Anliegen meines Hauses und meines gesamten großartigen Teams, mit Ihnen allen gemeinsam in Wirtschaft und Gesellschaft ein digitales „Next Germany“ zu gestalten, ein „Next Germany“, das drei entscheidende Facetten hat.
Erstens: Ein „Next Germany“, in dem der Staat Vorreiter wird für die Digitalisierung. Ein Staat mit schlanken Prozessen, mit weniger Bürokratie und mit dem Einsatz von KI, die vieles effizienter und effektiver macht. Ein Staat also, der Service bietet, Kundenfreundlichkeit und Schnelligkeit. Ein Staat, in dem alle Bürgerinnen und Bürger eine eID haben und eine Digitale Wallet, einen digitalen Ort also für Personalausweis, Führerschein, Kreditkarte und Zertifikate.
Dazu arbeiten wir an einem Sofortprogramm für Bürokratieabbau: 20 Prozent der Verwaltungsvorschriften sollen weg. Das ist eine klare Ambition, deren Ergebnisse spürbar werden und für die ich mich mit meinem Ministerium als Motor verstehe.
Zweitens: Wir gestalten ein digitales „Next Germany“, in dem die Infrastruktur unseres Landes zukunftsfähig wird, weil die Daten fließen, und zwar schnell und überall. Letzte Woche haben wir im Kabinett dazu einen wichtigen Gesetzentwurf zur Beschleunigung des Netzausbaus verabschiedet. Der hakt bislang daran, dass er nicht als überragendes öffentliches Interesse gilt. Das haben wir geändert in drei Wochen – nach 18 Monaten Stillstand. Jetzt können Genehmigungsverfahren für Festnetz und Mobilfunkstandorte drastisch verkürzt werden. Genehmigungen, die bisher Monate, manchmal Jahre dauern, können dann auch in Wochen passieren. Außerdem arbeiten wir an einer digitalen Infrastruktur in Europa, die nicht von außereuropäischen Anbietern abhängig ist, im Cloud-Bereich oder bei KI-Entwicklungen. 75 Prozent aller unserer Cloud-Daten liegen noch immer auf den Servern von außereuropäischen Hyper-Scalern. Warum? In Deutschland werden rund 65 Prozent aller öffentlichen Cloud-Dienste von drei Anbietern dominiert. Wie lange noch?
Wir sind uns sicher einig: Das ist kein Zukunftsmodell für Europa und unser Land – weder wirtschaftlich noch politisch. Ich bin überzeugt: Wir in Europa haben das Potenzial für eigene digitale Player und eigene digitale Ideen auf Basis unserer eigenen Werte. Dafür müssen wir die Bedingungen schaffen und eng mit den Unternehmen zusammenarbeiten.
Damit sind wir bei meinem dritten Punkt: Wir werden ein „Next Germany“ gestalten, das attraktiv ist für Unternehmen und Startups, die Digitalisierung und KI vorantreiben. Damit meine ich: Rahmenbedingungen schaffen für das Thema Datenpolitik und für Chancen der Künstlichen Intelligenz, für Chancen von digitalen Geschäftsmodellen für Deutschland, Europa und die Welt.
Gerade in Sachen KI sind wir in Deutschland so viel besser, als viele denken. Das hat eine Studie der OECD gerade wieder gezeigt. Darauf wollen wir aufbauen. Das wollen wir ausbauen, gemeinsam mit der EU. AI-Factories zum Beispiel, wo Startups Compute-Power finden, oder KI-Reallabore, wo man KI testen und entwickeln kann, all das brauchen wir, damit wir in Deutschland die Kompetenzen zu KI bündeln, weiterentwickeln und skalieren mit einem klaren Ziel, dass Deutschland zu einem führenden KI-Standort wird. Da steckt eine Menge Potenzial drin: Unternehmen sehen Steigerungen ihrer Produktivität durch KI von im Durchschnitt mehr als zehn Prozent. Allein für Deutschland wird geschätzt, dass durch KI in der Entwicklung und in der Anwendung das Bruttosozialprodukt um einen ähnlichen Prozentsatz wachsen kann. Ich persönlich bin überzeugt, dass die Entwicklung viel schneller voranschreiten wird und diejenigen unter Druck setzt, die nicht schnell genug vorangehen.
Weil es zu einem solchen Thema viele Fragen gibt, laufen aktuell die Vorbereitungen zur Einrichtung einer KI-Servicestelle bei der Bundesnetzagentur. Sie soll Ansprechpartner sein für alle Marktakteure – für mehr Klarheit, für mehr Sicherheit und mehr Tempo auf dem Weg unseres Landes zu einem entscheidenden KI-Standort. Das also ist meine digitale Agenda: der Staat, die Infrastruktur, die Wirtschaft. Sie sehen: Wir packen an. Wir meinen es ernst.
Und ich erlebe viele Mitstreiter im gesamten Land. Und dabei setze ich auch ganz auf Sie, denn gerade Sie haben mit der Digitalisierung und KI bereits mehr Erfahrung als vielleicht die Politik. Das zeigen Sie auch mit dieser beeindruckenden Veranstaltung heute. Sie haben sich schon länger auf den Weg der Digitalisierung begeben – mit allen Investitionen, die es dafür braucht, mit allem Trial and Error, mit den Herausforderungen, die neue Technologien an das Geschäftsmodell stellen, und auch mit den Erfolgen, die nur die haben können, die sich aufmachen und vorangehen.
Und eine entscheidende Zukunftsfrage wird sein, wie Journalismus und KI zueinanderfinden, wie sie sich ergänzen – aber auch ganz klar unterscheidbar bleiben. Das Ob ist dabei keine Frage mehr. Es geht allein um das Wie. Eines ist klar: KI bietet immense Chancen, für Effizienz zum Beispiel. Deswegen ist KI in Ihren Redaktionen sicher schon lange eine Technologie, mit der Sie arbeiten.
Aber: Wie sieht die Zukunft Ihrer Branche aus, wenn KI selbst verlegerischen Content generiert? Was passiert dann mit dem Journalismus? Mit uns? Dann ist die Frage von KI nicht mehr allein eine Frage von Technologie. Dann ist KI eine Frage von Haltung, eine Frage von Werten, eine Frage von Kultur, auch einer Veränderungskultur. Denn KI ist eine Technologie, die bislang unvorstellbare Möglichkeiten schafft – gerade in Ihrer Branche. KI verändert, wie Informationen entstehen, wie sie verteilt werden und wie wir als Rezipienten sie wahrnehmen.
Was passiert dann mit dem Journalismus? Mit der Gesellschaft? Mit uns? Wie gestalten wir diesen Wandel, dass Fakten Fakten bleiben, dass klar ist, was ist von Menschen, was von der Maschine generiert, dass Informationen frei auffindbar und zugänglich bleiben und das Vertrauen erhalten bleibt?
Erlauben Sie mir, einige Gedanken zu Ihrer Diskussion heute beizusteuern. Es sind sechs Notizen, die ich mir gemacht habe.
Erstens: Ich als Leser schätze es, wenn KI Informationen für mich personalisiert, wenn mich das erreicht, was mich wirklich interessiert. Medien können durch solche Personalisierung noch relevanter werden. Genau das kann KI. Dann ist KI auch eine Chance für den Journalismus.
Zweitens: Die Menschen lieben und schätzen ihre Heimat, das Lokale. Lokaler Journalismus ist kein Anachronismus. Er ist „der“ strategische Vorteil, er ist Ihr strategischer Vorteil im Vergleich zu irgendwelchen Portalen von irgendwo. KI kann diese Nähe nur schwer ersetzen. Aber KI kann diese Nähe für Sie skalieren.
Drittens: Oft gilt KI als Bedrohung für unsere Kompetenzen. Aber ist KI nicht vielmehr ein Verstärker für das, was wir am besten können? Das gilt in vielen Branchen, auch in den Medien – in der Recherche zum Beispiel, in der Organisation von Daten, im Entdecken von blinden Flecken. Wir werden mit der KI wachsen, uns entwickeln, besser werden. Davon bin ich überzeugt. Ich betone: mit der KI, aber definitiv nicht gegen sie.
Viertens: „Sagen, was ist!“ Das Zitat kennen Sie. Das ist die vielleicht kürzeste Umschreibung dessen, was Journalismus ausmacht: die Suche nach den Fakten, nach der Wahrheit. Was die Wahrheit ist, was die Fakten sind, das muss die KI lernen. KI braucht den Journalismus. Das alles muss sie vom Journalismus lernen, von Ihnen – von wem sonst?
Fünftens: Wenn KI dann glaubwürdig für Werte steht wie Zuverlässigkeit, Fakten, Wahrheit, dann entstehen Angebote, die die Menschen überzeugen, zu denen die Menschen auch wieder zurückkommen, weil sie wertvoll sind, weil sie Sinn und Bedeutung stiften.
Und damit mein letzter Punkt, sechstens: Dann kann uns KI eine Welt öffnen zu mehr Nähe, mehr Tiefe und mehr Relevanz. Dann ist KI mehr als ein „Tool“. Dann ist KI eine Technologie, die uns unvorstellbare Potenziale öffnet. Das ist ein Weg, das ist eine Entwicklung – auch für die Medien –, wenn wir die Risiken sehen und diskutieren und wenn wir die Chancen erkennen und nutzen. Risiken und Chancen, das sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Das gilt für Digitalisierung. Das gilt für KI. Für beides braucht es Akzeptanz. Und für Akzeptanz braucht es Kommunikation und Diskussion. Dafür sorgen Sie heute auch mit dieser Konferenz.
In unseren turbulenten Zeiten heute brauchen wir mehr denn je Streiter für den Journalismus, Streiter für die Meinungsvielfalt, Streiter für Fakten und Wahrheit, Streiter für die Demokratie und Vorreiter für eine wertebasierte KI und Digitalisierung. Sie hier im BDZV vereinen das alles.
Vielen Dank, dass ich heute bei Ihnen sein darf. Vielen Dank, wenn wir heute und in der Zukunft darüber diskutieren können. «
Quelle: Bulletin 43-5 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 4. Juni 2025