Veröffentlicht am: 28.04.2020 um 15:15 Uhr:
Fotografie: Wiederholungstäter
» Im Laufe eines durchaus abwechslungsreichen Jahres sitzt der Bildredakteur einer Fotozeitschrift doch in einigen Wettbewerbsjurys oder klickt sich abends online durch die labyrinthartigen Bildergalerien ausländischer "Photo Contests". Branchenkollegen haben derlei Bildbetrachtungen mit der Suche eines Trüffelschweines verglichen, das im Erdreich italienischer Eichenwälder die Feinkost erschnüffelt. Tatsächlich gibt es bei unserer Arbeit jedoch deutlich mehr Gemeinsamkeiten mit den Wein-Degustationen eines Sommeliers, der in netter Umgebung viele Rotwein-Flaschen vor sich aufgereiht sieht und nach dem Nippen an den vermeintlich "feinen" Tropfen meist nur den Geschmack des Durchschnittlichen auf dem Gaumen hat. Wobei den produzierenden Winzern allerdings der Wille zum Exzeptionellen zu unterstellen wäre. Fotografen hingegen neigen allzu gerne zum Kopieren von Bildern. Dies mag oft unbewusst geschehen. Manche guten Bilder gaben sich eben tief ins Unterbewusste. Liegen sie dort lange genug, können sie bisweilen als "eigene Idee" wieder auferstehen. Dann scheint es nur eine Frage der individuellen Fertigkeit eines Fotografen und dessen visuellen Erinnerungsvermögens zu sein, wie nah die Kopie dem Original kommt. Fotohistorisches Grundwissen könnte an dieser Stelle Schlimmeres beim intuitiven Kopieren verhindern. Komplizierter erscheint jedoch der Fall der Wiederholungstäter. Deren Werk ist zielgerichtet, planvoll - und natürlich völlig fehlgeleitet.
Wiederholungstäter analysieren Siegerbilder und verfallen der seltsamen Idee, sie müssten sich einfach nur mit ähnlichen oder gar identischen Bildern im Folgejahr bei Wettbewerben beteiligen. Den traurigen Höhepunkt erlebte die Webcommunity erst in diesem Jahr, als ein Dokumentarfotograf enttarnt wurde, der herausragende Kriegsbilder aus dem Internet geklaut hatte und diese seitenverkehrt gespiegelt als seine eigenen Fotos veröffentlichte. Mein Appell geht explizit an alle Wettbewerbsfotografen: Zeigen Sie Mut zu Neuem. Und arbeiten Sie an Ihrem Kreativtalent. «
Quelle: fotoMAGAZIN 3/2018