Veröffentlicht am: 29.05.2022 um 12:00 Uhr:

Bundesregierung: Rede von Bundeskanzler Scholz

... anlässlich des Youth7 Summit am 20. Mai 2022 in Berlin

» Einen schönen guten Tag von meiner Seite! Ich freue mich, dass Sie alle so lange so intensiv gearbeitet haben. Das ist ein ganz wichtiger Beitrag zu den Debatten, die wir im Rahmen der G7 leisten werden!

Dabei kommen die wirtschaftsstarken Demokratien dieser Welt aus einer ganz anderen Tradition zusammen. Sie kommen nicht alleine zusammen, sondern sie diskutieren mit vielen Teilen der Zivilgesellschaft - zum Beispiel hier, mit all den jungen Leuten, die sich bereitgefunden haben, die Fragen, die uns bewegen sollen, mitzudiskutieren, eigene Vorschläge zu machen und dafür zu sorgen, dass es eine breite Verknüpfung der Debatten der G7 mit den Debatten gibt, die auch überall in der Welt stattfinden müssen.

Wer sich an die Anfänge des G7-Treffens erinnert ? als G6-Treffen noch ganz, ganz klein und auf einem französischen Schloss ?, der wird wissen: Das war kein großer Auflauf. Da sind wirklich noch Staats und Regierungschefs mit Pullover zusammengekommen und habe einmal am Kamin miteinander diskutiert; nicht ganz, aber ungefähr. Mittlerweile ist das ganz anders geworden. Es kommen unglaublich viele zusammen, neuerdings eben auch Beiträge wie die, die Sie hier erarbeitet haben und die ganz wichtig sind.

Wenn wir die Veränderung der Gesellschaft betrachten, dann wissen wir: Es wird eine Welt voller junger Leute. In Westeuropa, in Nordamerika und manch anderen Ländern kann man das nicht so ganz genau wahrnehmen. Aber wer einmal nach Asien, nach Indien oder auf den afrikanischen Kontinent schaut, der wird feststellen: Dort sind unglaublich viele junge Leute, die gerade groß werden. Es sind unglaubliche Milliarden, die die Zukunft der Welt mit beeinflussen werden.

Umso mehr ist es wichtig, dass wir uns bei den Debatten der G7 nicht auf uns selbst beschränken. Ich bin also sehr dankbar, dass zu diesen Gesprächen hier Vertreter aus mehreren weiteren Ländern eingeladen worden sind, die an der Debatte teilnehmen und die auch diese Weltregionen repräsentieren.

Wir haben das nachgemacht, indem wir für die G7-Treffen in Elmau neben den internationalen Organisationen auch viele Vertreter anderer Nationen eingeladen haben; zum Beispiel Indonesien und Indien, Südafrika und Senegal. Wir werden das auch noch weiter vorbereiten, denn die Welt wird ja doch von vielen begleitet.

Was uns gegenwärtig am meisten umtreibt, haben wir eben schon gehört. Das ist der furchtbare Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Das sind die gewaltigen Zerstörungen, die in diesem Land, das unschuldig überfallen worden ist, angerichtet werden. Da werden Orte, Dörfer, kleine Städte, große Städte zerstört. Es werden Straßen, Brücken, Eisenbahnlinien und Krankenhäuser vernichtet. Viele Dinge, die über viele Jahrzehnte, manchmal Jahrhunderte hinweg gewachsen und entstanden sind, sind auf einmal zerstört und werden auf lange Zeit auch nicht einfach wieder herzurichten sein.

Wer in Deutschland an den letzten Krieg denkt ? 77 Jahre liegt er zurück ?, der wird jetzt immer noch daran erinnert, dass manchmal irgendwo von einem Bombenfund die Rede ist. Das heißt, 77 Jahre nach dem Krieg hat er auch dieses Land, das so gesittet und ordentlich aussieht, immer noch irgendwie im Griff und spielt eine Rolle im Alltagsleben. Das wird auch für die Ukraine so sein. Deshalb muss unsere gemeinsame klare Aussage sein: Dieser Krieg muss sofort aufhören. Es muss einen Waffenstillstand geben. Russland muss seine Truppen zurückziehen und es möglich machen, dass nicht nur diese Zerstörungen aufhören, sondern natürlich auch das Morden von vielen, vielen Bürgerinnen und Bürgern der Ukraine und auch von vielen toten Soldaten, die bisher schon zu verzeichnen sind. Es muss ein Ende finden mit diesem Krieg!

Wie schon gesagt, wird das natürlich eine große Rolle bei den Diskussionen spielen, die wir führen. Das ist eine Frage, die uns bewegt, wenn wir dort zusammenkommen. Deshalb ist es wichtig zu wissen, dass das auch hier alle umtreibt. Wir werden die internationale Solidarität mit der Ukraine weiter organisieren: finanzielle Hilfen, humanitäre Hilfen, aber selbstverständlich auch das, was notwendig ist, solange der Krieg dauert, nämlich dass es die Möglichkeit gibt, dass sich die Ukraine auch verteidigen kann. Das werden wir fortsetzen.

Beeindruckend finde ich im Übrigen die Hilfsbereitschaft in vielen Ländern der Welt, was die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine betrifft. Es sind Millionen, die das Land verlassen haben. Millionen, die Zuflucht gefunden haben, ganz besonders in Europa. In den Ländern im Osten Europas leistet Polen einen sehr großen Beitrag. Aber auch in Deutschland haben wir mittlerweile mehr als 700 000 Vertriebene aus der Ukraine registriert. Das sind viele Kinder, viele Jugendliche. Das sind oft ihre Mütter. Das sind Ältere und Pflegebedürftige. Es ist eine ganz besondere Fluchtsituation, die wir hier in unserem Land verzeichnen.

Was mich beeindruckt hat, ist die große Solidarität, die riesige Hilfsbereitschaft von vielen aus der Zivilgesellschaft, zu helfen. Was mich ehrlicherweise auch beeindruckt hat, ist, wie sehr sich die Ukraine bereits digitalisiert hat, sodass viele Schülerinnen und Schüler ihren Unterricht digital fortsetzen können. Das würde man in Deutschland an der einen oder anderen Ecke auch gerne so haben. Insofern ist das also auch ein Beitrag, der für uns eine Inspiration sein kann.

Aber wir werden alles tun, was wir tun können, um denjenigen Schutz zu bieten, die hier Schutz suchen; um den jungen Leuten die Möglichkeit zu geben, dass sie in der Kita, in der Schule, an den Universitäten oder in Rahmen der beruflichen Tätigkeiten, die sie hatten, ihre Ausbildung fortsetzen können. Das ist uns wichtig.

Ansonsten gibt es viele Fragen, die uns hier miteinander bewegen. Die mentale Gesundheit ist genannt worden. Ein wichtiger Beitrag und in der Tat ein ganz bemerkenswertes Engagement. Es geht um die Fragen der Beschäftigung von jungen Leuten. In der Tat muss ein zentrales Thema auf der ganzen Welt sein: Wie kann man ausreichend gute Bildung und berufliche Qualifikation haben, um eine Beschäftigungsperspektive zu finden? Aber wie können wir auch sicherstellen, dass diejenigen, die Beschäftigung haben, fair und ordentlich behandelt werden?

Deshalb müssen Fragen von Arbeitsrecht, Fragen von sozialen Rechten junger Leute und von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern insgesamt eine zentrale Rolle spielen. Für uns ist das auch ein zentrales und wichtiges Thema. Ich begrüße also die vielen Vorschläge, die hier in Bezug auf diese Frage gemacht worden sind.

Das gilt auch für das eine große Menschheitsthema, das uns jetzt nicht mehr loslassen wird, nämlich die Beantwortung der Frage, wie wir den menschengemachten Klimawandel aufhalten können. Das muss ja bis zur Mitte dieses Jahrhunderts gelingen. Es erfordert größte Anstrengungen, hinsichtlich derer ganz besonders die Staaten, die sich als G7 treffen ? noch manche andere, aber diese ganz besonders ?, herausgefordert sind. Denn die Bürgerinnen und Bürger in vielen Ländern Asiens, in Afrika, im Süden Amerikas werden ja nicht akzeptieren, dass sie nicht den gleichen Wohlstand erreichen können, wie der, der hierzulande und in den anderen G7-Ländern erreicht ist.

Sie wollen von den Möglichkeiten profitieren, die der technische Fortschritt in der Welt in den letzten 200, 250 Jahren mit sich gebracht hat. Aber es muss unsere gemeinsame Aufgabe sein, dass das gelingt, ohne dass wir das Klima so sehr schädigen, dass der Planet nicht mehr lebenswert ist. Um das zu erreichen, um das möglich zu machen, brauchen wir größte Anstrengungen, gerade von den Ländern, die wirtschaftlich schon sehr weit fortgeschritten sind. Wir können nämlich die Technologien und die Möglichkeiten entwickeln, die gebraucht werden, damit das in der ganzen Welt ein guter Weg werden wird. Technologien, die genauso billig sein können, wie die Nutzung fossiler Ressourcen Die aber gleichzeitig dazu beitragen, dass wir das Klima besser schützen, als das heute der Fall ist.

Deshalb gibt es auch einen Vorschlag, wie diese Kooperation organisiert werden kann, nämlich den hier schon angesprochenen Klimaclub. Das soll ein offener Klimaclub sein, kein abgeschlossener. Er soll nicht nur für die Länder des Nordens, sondern auch für die des globalen Südens zugänglich sein. Alle sollen kooperieren. Aber wenn wir diesen Weg gehen, das Klima zu schützen, dann müssen wir auch verhindern, dass jeder seine eigene Wirtschaft erst einmal vor Kooperation mit der übrigen Welt schützt, weil nun alles teurer wird. Sondern wir müssen dafür sorgen, dass das in einem Gleichschritt geschieht, dass man miteinander und zusammen arbeitet. Das ist im Wesentlichen die Idee hinter dem Klimaclub, der dafür sorgen soll, dass eine Zusammenarbeit und nicht eine Arbeit gegeneinander den Weg für die Zukunft bestimmt.

In diesem Sinne schönen Dank für die vielen Beiträge. Schönen Dank für die Arbeit, für das Interesse und das Engagement. Das ist die Grundlage dafür, dass wir auf unserer Welt einen guten Fortschritt erreichen. Gerade in diesen Zeiten muss man das sagen. Ich setze auf Sie. «


Quelle: Pressemitteilung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 20. Mai 2022

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