Veröffentlicht am: 12.06.2022 um 03:40 Uhr:

Bundesregierung: Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Klimaschutz, Dr. Robert Habeck, zum Haushaltsgesetz 2022

Am 2. Juni 2022 hielt der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz folgende Rede vor dem Deutschen Bundestag:

» Frau Präsidentin!
Sehr geehrte Damen und Herren,

Lieber Kollege Spahn, Sie sprachen von „Geisteshaltung“ und „Ideologie“. Ich würde es „Ideologievorwurf“ nennen. Diesen muss sich derjenige gefallen lassen, der dem billigen Applaus zuliebe hier Phrasen verkündet, ohne die konkrete Wirklichkeit, die Handlungen und die Entwicklung in der Wirklichkeit zur Kenntnis zu nehmen.

Um auf die Wirklichkeit zu kommen: Dieser Haushalt, den wir hier debattieren, ist ein besonderer Haushalt vor dem Hintergrund einer besonderen Wirklichkeit. Viele Aspekte – ich kann in den fünf Minuten, die ich habe, nicht auf alle eingehen – sind genannt worden, die das Land besonders bedrücken. Aber es hat natürlich einen Grund, warum diese Bedrückung da ist. Und dieser Grund ist der Angriffskrieg, der durch nichts zu rechtfertigende Angriffskrieg von Putin gegen die Ukraine, der Tod von Menschen, der dadurch dort verursacht wird, und die hohen Kosten, die Druck auf die Bevölkerung und auf die Wirtschaft ausüben und die wir hier zu tragen haben.

Aber wir tragen sie erfolgreich. Der Bundeskanzler hat gestern aufgelistet, welche Waffen und welche Waffengattungen die Bundesrepublik Deutschland der Ukraine zur Verfügung stellt. Ich möchte kurz darauf eingehen, dass wir uns noch in einem anderen Konflikt befinden, nämlich in einem Wirtschaftskonflikt. Wenn wir auf die Sanktionslisten schauen, diskutieren wir immer über die Öl- und Gasverkäufe, die Russland noch immer tätigt. Ja, die Einnahmen, die Putin in den letzten Monaten durch die hohen Preise erzielt hat, tun weh. Man kann sich eigentlich nur dafür schämen, dass wir es immer noch nicht geschafft haben, diese Abhängigkeit deutlicher zu reduzieren.

Aber: Nur auf die Öl- und Gaseinnahmen von Putin zu schauen, verkennt, was gerade die Wirklichkeit ist – eine Wirklichkeit, die wir mit den Alliierten zusammen herstellen. Putin kann sich nämlich von dem Geld, das er verdient, immer weniger, ja, faktisch nichts mehr kaufen. Die russische Wirtschaft bricht ein. Die Exporte nach Russland, die russischen Importe gehen dramatisch zurück. Insgesamt sind die Exporte der Alliierten, also derjenigen, die sich den Sanktionen angeschlossen haben, in den letzten Monaten um 53 Prozent zurückgegangen. Wichtiger vielleicht noch ist, dass auch die Exporte aus Ländern, die neutral oder sogar prorussisch aufgestellt sind, um 45 Prozent zurückgegangen sind. Deutschland hat einen wesentlichen Anteil am Rückgang des Exports nach Russland. Allein im März waren es minus 60 Prozent; wir erwarten eine deutlich höhere Zahl für April.

Dieser Exportrückgang ist – das haben wir ja bei Corona gemerkt – nicht nur in der Allgemeinheit zu erfassen; denn was dadurch fehlt, sind Teile in spezifischen Lieferketten, die die russische Wirtschaft bis ins Mark treffen werden. Es fehlen Sicherheits-Updates für die Flugzeuge, mit der Konsequenz, dass die Flugzeuge bald am Boden bleiben. Es fehlen technische Güter, High-Value-Goods in der technischen Kette, was die Produktionsprozesse zerstören wird.

Putin kriegt noch Geld, aber er kann es kaum noch ausgeben, und die Zeit, sie arbeitet nicht für Russland; sie arbeitet gegen Russland, sie arbeitet gegen die russische Wirtschaft. Die russische Wirtschaft ist eingebrochen. Das Bruttoinlandsprodukt wird im Jahr 2022 um neun Prozent zurückgehen. Die Kreditwürdigkeit Russlands befindet sich im Ramschstatus. Die Investitionstätigkeit ist um 34 Prozent zurückgegangen. Niemand will mehr in Russland investieren.

Putin kann das nicht mehr lange durchhalten. Er kann vielleicht seine Armee noch versorgen mit den Möglichkeiten, die er im eigenen Land hat – Öl und Weizen –, aber die russische Wirtschaft ist hart getroffen durch die Sanktionen. Einen wesentlichen Teil davon trägt die deutsche Wirtschaft. Dass sie das tut, das kann man nur mit Danksagen beantworten.

Einen wesentlichen Teil davon trägt auch die deutsche Bevölkerung. Wir haben über die hohen Belastungen gesprochen. Auch da muss man sagen: Danke dafür; denn wir tun es ja nicht aus Spaß. Wir tun es, um die russische, um Putins Wirtschaft zu schädigen und so unseren wirtschaftspolitischen Beitrag zu leisten, dass dieser Krieg irgendwann ein Ende findet, indem wir die russische Wirtschaft bis ins Mark treffen werden. Wir sind dabei, es zu tun.

Das hat Konsequenzen für mein Ministerium und für den Haushalt. Wir haben in einer großen Geschwindigkeit neue Gesetze schreiben müssen, etwa das Sanktionsdurchsetzungsgesetz, um die Sanktionen zu kontrollieren, das Energiesicherungsgesetz, das LNG-Beschleunigungsgesetz, das Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz, das Gasspeichergesetz und die Verordnung, die ab heute dazu führt, dass auch Rehden jetzt pflichtgemäß gefüllt wird. Die Waffenexporte müssen kontrolliert werden, die Hilfsprogramme müssen strukturiert und verausgabt werden. Dazu kommt natürlich die Arbeit an der Energiewende und an den strukturellen Aufgaben, die wir insgesamt haben. Dass das im Haushalt nachgezeichnet wird, dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken, aber auch für die guten, konstruktiven Gespräche. Es ist nicht selbstverständlich, dass das Parlament das sieht. Ich möchte mich aber auch bei der Verwaltung, stellvertretend bei meinem Haus, bedanken.

Letzter Satz: Man sagt immer, die Verwaltung, die Planungsprozesse, alles zu langsam, alles zu träge. Wir zeigen in diesem Jahr in einer gemeinschaftlichen Anstrengung von Unternehmen und Wirtschaft, von Bürgerinnen und Bürgern, aber auch von der Verwaltung, wie leistungsfähig unser Land und unsere Demokratie sind. Der Haushalt spiegelt das wider.

Vielen Dank. «


Quelle: Bulletin 73-2 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 3. Juni 2022

Weitere Artikel zum Thema Bundesregierung, die Sie auch interessieren könnten...

Rede der Bundesministerin des Innern und für Heimat, Nancy Faeser, zum Haushaltsgesetz 2022

Rede der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Svenja Schulze, zum Haushaltsgesetz 2022

Rede der Bundesministerin der Verteidigung, Christine Lambrecht, zum Haushaltsgesetz 2022

Rede der Bundesministerin des Auswärtigen, Annalena Baerbock, zum Haushaltsgesetz 2022

20 Jahre Kulturstiftung des Bundes