Veröffentlicht am: 09.09.2022 um 06:22 Uhr:

Bundesregierung: Rede der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, Steffi Lemke, zum Haushaltsgesetz 2023 vor dem Deutschen Bundestag

Die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, Steffi Lemke, hat am 6. September 2022 nachfolgende Rede zum Haushaltsgesetz 2023 vor dem Deutschen Bundestag in Berlin gehalten...

» Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das Jahr 2022 ist in vielfacher Hinsicht ein Krisenjahr: der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, Inflation, extrem steigende Energie- und Verbrauchskosten und Sorgen um die Versorgungssicherheit. All das trifft auf eine Gesellschaft und auf eine Wirtschaft, die sich noch immer von den Auswirkungen der Coronapandemie nicht erholen konnte, damit immer noch zu kämpfen hat. Gleichzeitig brennen Wälder in ganz Europa, belastet die Hitze vor allem ältere Menschen, trocknen Flüsse aus – all das Folgen eines weiteren Hitze- und Dürresommers und der fortschreitenden Klimakrise. Jetzt rächt sich – wir spüren das ganz extrem –, dass viel zu lange das Thema Energiesparen nur ungenügend auf der Agenda gestanden hat, dass der naturverträgliche Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze verschoben beziehungsweise blockiert wurde. Diese Erblast kommt uns jetzt teuer zu stehen.

Für die Bundesregierung haben in dieser äußerst angespannten Situation die Versorgungssicherheit und die Hilfe für die Bevölkerung – und das vor allem für die Menschen mit geringem Einkommen – Priorität. Das im Koalitionsausschuss am vergangenen Sonntag beschlossene Hilfspaket ist groß. Für mich als Verbraucherschutzministerin ist dabei die Kombination aus Strompreisbremse, dem Schutz vor Kündigungen der Mieter und vor Strom- und Gassperren sowie natürlich dem Paket finanzieller Entlastungen entscheidend gewesen. Deshalb halte ich das erzielte Ergebnis wirklich für gut.

Ich will dazusagen, dass damit natürlich nicht alle Belastungen der Verbraucherinnen und Verbraucher ausgeglichen werden können. Das ist schlicht nicht möglich. Aber wir federn die Härten ab, und wir helfen vor allem dort, wo es am dringlichsten ist.

Aus Sicht des Verbraucherschutzes ist ebenso essenziell, dass die Versorgungssicherheit in der gegenwärtigen Situation gewährleistet ist. Ich habe deshalb gesagt, dass wir das Ergebnis des Stresstests des Bundeswirtschaftsministeriums zur Versorgungssicherheit nüchtern bewerten werden, wenn es vorliegt. Der Bundeswirtschaftsminister hat es gestern vorgestellt und zusammen mit den Netzbetreibern festgestellt, dass es aus Gründen der Versorgungssicherheit sinnvoll ist angesichts der angespannten Lage im europäischen Stromnetz, zwei Atomkraftwerke im Süden Deutschlands für einen potenziellen Notfall in Reserve zu halten. Das halte ich für vernünftig. Damit wird Vorsorge für ein Worst-Case-Szenario getroffen, und gleichzeitig wird die Laufzeit der Atomkraftwerke damit aber nicht verlängert.

Als die für die nukleare Sicherheit zuständige Ministerin möchte ich dazu zweierlei klar und deutlich sagen: Atomkraft ist und bleibt eine Hochrisikotechnologie. Für die Atombehörden in Bund und Ländern muss die nukleare Sicherheit oberste Priorität haben. Darauf müssen sich alle Menschen in Deutschland verlassen können. Der Beschluss zum Ende der Atomkraftnutzung in Deutschland wurde hier im Deutschen Bundestag auch mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP gefasst; nach einem gefährlichen Zickzackkurs in dieser Frage, der uns auch teuer zu stehen gekommen ist.

Mit diesem Atomausstiegsbeschluss wurde ein jahrzehntelanger gesellschaftlicher Großkonflikt beendet. Wer jetzt einsteigt in eine Diskussion über Laufzeitverlängerungen und damit in Wahrheit über den Wiedereinstieg in die Atomkraftnutzung, der kündigt diesen Konsens auf; und das, während wir alle voller Sorge auf ein Atomkraftwerk wenige Hundert Kilometer von uns entfernt schauen, das Gegenstand des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine wurde. Ich halte das für unverantwortlich.

Noch dazu ringt unser Nachbarland Frankreich gegenwärtig mit den massiven Problemen der Atomkraftnutzung, mit Sicherheitsproblemen bei den Reaktoren, mit fehlendem Kühlwasser und einer dadurch immens gefährdeten Stromversorgung. Wollen Sie Deutschland ernsthaft wieder in die Abhängigkeit dieser problematischen Stromversorgung bringen?

Eine Umweltkatastrophe schlimmsten Ausmaßes hat sich erst vor einigen Wochen eine gute Zugstunde von hier entfernt ereignet. Das Fischsterben in der Oder hat uns wirklich dramatisch vor Augen geführt, wie verhängnisvoll es ist, wenn ein Ökosystem ohnehin bereits geschwächt ist und dann Hitze, niedriger Wasserstand und gravierende Verschmutzung hinzukommen. Ich hoffe inständig, dass sich das Ökosystem Oder von den Folgen dieser Katastrophe so schnell wie möglich erholen kann und dass die Folgen für die Menschen, die am und vom Fluss leben, begrenzt sind und sie schnell wieder vom und am Fluss leben können.

Im Umweltausschuss des Bundestages habe ich vorletzte Woche berichtet, was wir, was Brandenburg, was Mecklenburg-Vorpommern in die Wege geleitet haben und weiterhin tun werden, um die Ursache dieser Katastrophe aufzuklären und den Schaden so stark wie möglich zu begrenzen.

Wir brauchen darüber hinaus ein Umdenken im Umgang mit unseren Flüssen und Gewässern; denn die verändern sich jetzt rapide, und die Gefahren durch chemische Einleitungen und den Ausbau von Flüssen erhöhen sich. Der Dürresommer zeigt, wie wichtig es ist, Wasser in der Landschaft zu halten und in den Städten zu speichern, uns auf die Folgen der Klimakrise vorzubereiten und Klimaschutz zu betreiben. Ich freue mich deshalb sehr, dass ich letzte Woche trotz all der Krisen und Katastrophen das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz starten konnte, das bis 2026 mit vier Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds ausgestattet ist.

Der natürliche Klimaschutz ermöglicht eine dreifache Dividende: für den Klimaschutz, für den Naturschutz und für die Anpassung an die Folgen der Klimakrise. Wälder und Auen, Böden und Moore, Meere und Gewässer, naturnahe Grünflächen in der Stadt und auf dem Land binden Kohlendioxid aus der Atmosphäre und speichern es langfristig. Sie nehmen Hochwasser auf, und sie sorgen bei Hitze für Abkühlung. Damit sichern sie unsere Lebensgrundlagen und unser Wirtschaften, gerade auch für die Landwirtschaft. Deshalb ist meine Priorität, dieses Programm jetzt tatsächlich in die Realität zu bringen. Wir werden natürlich mit weiteren Maßnahmen, mit unserer Wasserstrategie, mit dem Klimaanpassungsgesetz, diese konkreten, in der Realität jetzt beginnenden Maßnahmen unterstützen.

Die Haushaltsberatungen sind eine gute Gelegenheit, neben den akuten Herausforderungen auch auf die langfristigen Krisen zu schauen und die Konzepte zur Bewältigung dieser Krisen zu diskutieren.

Vielen Dank bis hierher. «


Quelle: Bulletin 106-4 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 8. September 2022

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