Veröffentlicht am: 16.09.2022 um 08:49 Uhr:

Bundesregierung: Rede von Bundeskanzler Scholz beim G7-Ministertreffen zur nachhaltigen Stadtentwicklung

Beim G7-Ministertreffen zur nachhaltigen Stadtentwicklung am 13. September 2022 in Potsdam hat Bundeskanzler Scholz folgende Rede gehalten...

» Verehrte Herr Minister für Stadtentwicklung,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Klara Geywitz,

ich bin sehr froh, dass ich heute hier sein kann. Das ist natürlich ein besonderer Ort, auch deshalb, weil ich in dieser Stadt wohne und das der Wahlkreis ist, den ich im Deutschen Bundestag vertrete. Daher ist das für mich etwas ganz Besonderes, dass diese Veranstaltung hier stattfindet.

Wir befinden uns hier in einer dynamischen Stadt mit viel Entwicklung, die in den letzten Jahren stattgefunden hat. Ich glaube, ein bisschen haben Sie das schon gesehen und bewundern können. Sie hat eine ganz eigene Tradition, die ein bisschen anders ist als die, die ich schon einmal hatte, als ich Bürgermeister in Hamburg war. Das ist eine sehr republikanische Stadt. Hier war der preußische König. Trotzdem: Nun ist hier demokratisches Regieren angesagt.

Ich würde natürlich gern dabei bleiben, wenn Sie weiter diskutieren. Stadtentwicklung ist etwas, was mich seit vielen Jahren beschäftigt und bewegt. Frau Geywitz hat es eben schon gesagt. In meiner Zeit als Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg war das eine der ganz großen Fragen: Wie entwickeln sich die Städte? Und was können wir eigentlich dafür tun, dass sie für alle ein guter Ort sind und sich alle zum Beispiel auch das Wohnen in diesen Städten leisten können?

Das Motto, unter das wir in Deutschland das Jahr unserer G7-Präsidentschaft gestellt haben, lautet ja: „Fortschritt für eine gerechte Welt“. Aus meiner Sicht ist deshalb vollkommen klar: Wenn wir dem Anspruch gemeinsam gerecht werden wollen, dann gehören die Städte ganz oben auf unsere Agenda, und zwar nicht nur, weil mittlerweile mehr als die Hälfte aller Menschen auf der Welt in Städten lebt, sondern auch, weil Städte schon immer die Orte waren, in denen diejenigen zusammenkamen, die etwas Neues schaffen wollten. In Städten wurden die großen Erfindungen gemacht. Das gilt von der athenischen Demokratie angefangen bis hin zu den modernsten Technologien.

Darum ist es ganz falsch – zumindest ein wenig irreführend –, wenn heute im Zusammenhang mit Städten regelmäßig über Probleme gesprochen wird, ob Wohnungsnot, verstopfte Straßen, Umweltbelastung oder soziale Konflikte. Natürlich, das gibt es alles. Für alle diese Herausforderungen brauchen wir Ideen, Konzepte und auch Lösungen.

Aber ich bin zutiefst davon überzeugt: Diese Ideen, Konzepte und Lösungen erwachsen gerade aus den Städten selbst. Wo viele Bürgerinnen und Bürger zusammenleben, da entstehen nicht nur Probleme, sondern erst recht auch Lösungen. Gerade Städte sind insoweit immer wieder Laboratorien für das Neue.

Hier schaffen Kultur und Wissenschaft neue Erkenntnisse. Hier entstehen aus Mut und Intelligenz neue Unternehmen und neue Jobs. Hier wollen viele Bürgerinnen und Bürger leben, weil sie gerade hier viel Lebenssinn und gute Lebensperspektiven finden. Darum haben Städte weltweit Zukunft, und zwar auch große und sehr große Städte.

Ja, sie können so wachsen, dass Wohlstand und Lebensqualität, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft davon profitieren. Das ist möglich. Die Bedingungen dafür zu schaffen, dass das gelingt, das ist die Aufgabe guter Politik für die Stadt, also guter und nachhaltiger Stadtentwicklungspolitik.

Entscheidend dabei ist eine gute funktionierende Infrastruktur. Entscheidend sind hervorragende Schulen und Hochschulen. Entscheidend sind erstklassige Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder. Entscheidend sind ein funktionierender öffentlicher Nahverkehr, attraktive öffentliche Räume und gute Radwege – und natürlich ausreichend Wohnraum, bezahlbar und in angemessener Qualität. Darum geht es. Aber das alles zugleich hinzubekommen, das ist natürlich nicht ganz so einfach.

Darum ist es so wichtig, dass diejenigen zusammenkommen, zusammenarbeiten, sich austauschen und voneinander lernen, die für gute Stadtentwicklung überall auf der Welt Verantwortung tragen. Genau deshalb haben wir als Staats- und Regierungschefs der G7 bei unserem Gipfeltreffen in Elmau angeregt, dass Sie, die Ministerinnen und Minister der G7 für Stadtentwicklung, sich treffen sollten, um „ein gemeinsames Verständnis guter Stadtentwicklungspolitik zu entwickeln“. So hat es da geheißen. Wie ich jetzt gehört habe, wollen Sie diese Treffen ja nicht nur jetzt haben, sondern auch fortsetzen, was ich für eine gute Entwicklung halte. Es ist also nun so weit, und darum freut es mich, wie gesagt, dass Sie das nicht nur einmal machen wollen.

Da ist noch etwas, über das ich mich besonders freue, nämlich dass Herr Oleksiy Chernyshov, der Minister für Kommunen und Territorialentwicklung der Ukraine, später noch zu dieser Konferenz digital hinzustoßen wird. Russlands furchtbarer Angriffskrieg gegen die Ukraine ist ein dramatischer Zivilisationsbruch. Wie schlimm das Leid und die Zerstörung sind, hat mir Herr Chernyshov bei meinem Besuch in Kiew im Juni persönlich gezeigt. Die entsetzlichen Bilder dort werde ich immer mit mir herumtragen.

Tief beeindruckt haben mich aber auch die Kraft und der Willen der Ukrainerinnen und Ukrainer, sich ihre Zukunft nicht nehmen zu lassen. Darum unterstützen wir sie mit unseren Partnern über die G7 hinaus ganz konkret und jeden Tag. Darum arbeiten wir bereits jetzt gemeinsam mit ihnen daran, wie die zerstörten Städte und Gemeinden wiederaufgebaut werden können, nachhaltig und klimagerecht.

Im Rahmen unserer G7-Präsidentschaft wird Deutschland gemeinsam mit der Europäischen Kommission am 25. Oktober zu einer Wiederaufbau-Konferenz der Ukraine nach Berlin einladen. Da beschäftigen wir uns noch nicht so viel mit dem, was konkret alles zu machen ist. Das ist ja auch diskutiert worden, zum Beispiel in Lugano. Da wollen wir nicht nur die Frage diskutieren, wer was macht, sondern wir wollen auch die finanzielle Architektur entwickeln und verstehen, die notwendig ist, um einen solchen Wiederaufbau über viele Jahrzehnte mit großer finanzieller Kraft weltweit unterstützt zustande zu bekommen. Das ist nicht ganz einfach.

Meine Damen und Herren, ich wünsche Ihnen anregende Debatten. Ich bitte Sie unbedingt: Setzen Sie sich ganz ehrgeizige Ziele, und treffen Sie mutige Vereinbarungen für eine nachhaltige Stadtentwicklung! Ich danke Ihnen, dass ich hier dabei sein kann. «


Quelle: Pressemitteilung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 13. September 2022

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