Veröffentlicht am: 28.10.2022 um 20:13 Uhr:

Bundesregierung: Rede der Bundesministerin des Auswärtigen, Annalena Baerbock, beim Side-Event „Zusammenarbeit für Rechenschaftspflicht in der Ukraine“ der UN-Generalversammlung

Am 23. September 2022 hat die Bundesministerin des Auswärtigen, Annalena Baerbock, nachfolgende Rede beim Side-Event „Zusammenarbeit für Rechenschaftspflicht in der Ukraine“ der UN-Generalversammlung in New York gehalten...

» „Ungerechtigkeit an einem Ort bedroht die Gerechtigkeit an jedem anderen.“ So hat es Martin Luther King gesagt.

Wir sind heute hier zusammengekommen, um uns für Gerechtigkeit einzusetzen. Wir sind zusammengekommen, um Russlands Verantwortung für die zahllosen Verstöße gegen das Völkerrecht in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine klar und deutlich anzusprechen.

Männer und Frauen, die auf ihren Fahrrädern erschossen wurden. Entsetzliche Berichte über Männer und Frauen, jung und alt, die gefoltert, vergewaltigt und ermordet wurden, über Deportationen und die Zwangsadoption von Kindern. Wenn wir diese Bilder sehen, wissen wir, dass das unsere Kinder sein könnten.

Und jetzt die Scheinreferenden: der Versuch, einem eklatanten Fall von Landraub einen Anstrich von Rechtmäßigkeit zu verleihen.

Es darf keine Straflosigkeit geben. Das ist unser Versprechen an die Opfer, besonders an die am meisten gefährdeten Menschen: an Frauen und Mädchen, aber auch an ältere Menschen. Nicht nur, weil wir wissen, dass die Schwächsten in bewaffneten Konflikten am meisten leiden, sondern auch, weil wir wissen, dass niemand sicher ist, solange Frauen nicht sicher sind. So hat es mir eine ukrainische Frau an der Kontaktlinie vor dem 24. Februar gesagt.

Deshalb ist die Arbeit der Sonderbeauftragten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für konfliktbezogene sexuelle Gewalt, Pramila Patten, so wichtig – damit wir solche entsetzlichen Verbrechen verhindern und verfolgen können.

Und ich möchte ganz klar sagen: Das ist ein Bestreben, das uns alle vereint. Es geht nicht darum, diese Verbrechen nur in Europa zu bekämpfen. Sei es in der Ukraine, in Myanmar, in Äthiopien oder in der Demokratischen Republik Kongo: Wir dürfen Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt nicht dulden. Ganz gleich, wo diese Verbrechen verübt werden.

Diese Verbrechen „passieren“ nicht einfach in einem Krieg, so wie man das noch zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs, in den Kriegen der 70er Jahre oder, in jüngerer Vergangenheit, in den Balkankriegen annahm. Vergewaltigung wird heute als illegales Mittel der Kriegsführung, als Kriegsverbrechen, angesehen. Das ist das Ergebnis der wichtigen Arbeit von Völkerrechtlerinnen und Völkerrechtlern, Nichtregierungsorganisationen, der Zivilgesellschaft und auch des Internationalen Strafgerichtshofs. Weil Ungerechtigkeit an einem Ort die Gerechtigkeit an jedem anderen bedroht.

Der deutsche Generalbundesanwalt hat Ermittlungen zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine eingeleitet. Die Bundesanwaltschaft stützt sich dabei auf ihre richtungsweisende Expertise aus Verfahren, in denen vom syrischen Regime und vom IS begangene Verbrechen verfolgt wurden.

Deutschland unterstützt auch die Ermittlungen, die der Internationale Strafgerichtshof zur Lage in der Ukraine führt. Und wir unterstützen die Klage, die die Ukraine vor dem Internationalen Gerichtshof gegen Russland eingereicht hat. Denn wir sind davon überzeugt, dass Russland die Völkermordkonvention als Vorwand für seinen Angriffskrieg missbraucht – das haben wir heute auch im Sicherheitsrat gehört.

Ich rufe alle Staaten auf, zu prüfen, wie sie sich in unsere gemeinsamen Anstrengungen einbringen können. Zentral an den Verfahren des Internationalen Strafgerichtshofs und Internationalem Gerichtshof der Vereinten Nationen ist, dass sie die Verantwortung sowohl von Staaten als auch von einzelnen Personen für Verstöße gegen das Völkerrecht in den Blick nehmen – und zwar bis zur höchsten Ebene der russischen Regierung.

Die Vereinten Nationen spielen bei all diesen Bemühungen eine Schlüsselrolle: Durch den Untersuchungsausschuss, die Mission zur Überwachung der Menschenrechtssituation in der Ukraine und die Fact-finding-Mission des Generalsekretärs zur Aufklärung des Angriffs auf das Gefangenenlager von Oleniwka.

Und auch durch diesen kleinen Side-Event. Denn hier suchen wir Wege, wie wir uns in diesem Kampf weltweit am besten zusammenschließen können – von Nord nach Süd, von Ost nach West. Denn wenn es Gerechtigkeit gibt, sind wir alle sicherer. Ganz gleich, an welchem Ort. «


Quelle: Bulletin 119-5 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 26. September 2022

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