Veröffentlicht am: 18.12.2022 um 00:06 Uhr:

Bundesregierung: Rede des Bundesministers der Justiz, Dr. Marco Buschmann, in der Aktuellen Stunde zur Bedrohung durch Reichsbürger und Rechtsextremisten

Vor dem Deutschen Bundestag hat am 24. November 2022 der Bundesminister der Justiz, Dr. Marco Buschmann, in der Aktuellen Stunde zur Bedrohung durch Reichsbürger und Rechtsextremisten in Berlin folgende Rede gehalten...

» Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Besucherinnen und Besucher!

Wenn die größte Sorge von Herrn Curio nach diesen Ereignissen den Umfragewerten seiner Partei gilt, zeigt er damit, wes Geistes Kind er ist. Ich muss sagen: Das ist ekelhaft.

Am 7. Dezember dieses Jahres hat einer der größten Antiterroreinsätze der letzten Jahre stattgefunden. Es handelte sich um Durchsuchungen und Festnahmen. Das fand in über 130 Objekten statt. Es waren etwa 3.000 Polizistinnen und Polizisten eingebunden. Die Ermittlungsmaßnahmen richteten sich gegen eine mutmaßliche terroristische Vereinigung. Diese terroristische Vereinigung hat nach Überzeugung des Generalbundesanwalts die dafür notwendigen arbeitsteiligen und hierarchischen Strukturen aufgebaut. Diese mutmaßliche terroristische Vereinigung verfolgte natürlich das Ziel der Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Staates sowie des Grundgesetzes.

Dabei gab es auch Pläne zu bewaffneten Überfällen auf Verfassungsorgane. Und natürlich gab es auch Äußerungen – das war ja unter anderem die Begründung dafür, dass wir hier von einer mutmaßlichen terroristischen Vereinigung ausgehen können; die setzt nämlich die Anknüpfungsstraftaten von Mord und Totschlag voraus –, dass diese Leute mindestens billigend in Kauf genommen haben, dass im Falle von Widerstand durch Polizeibeamte diese Polizeibeamten auch getötet werden sollten. Das sind die Fakten, die der Generalbundesanwalt seinen Maßnahmen zugrunde gelegt hat, die ein Ermittlungsrichter geprüft hat, die ein Haftrichter geprüft hat und die jetzt die Grundlage auch eines fairen rechtsstaatlichen Verfahrens sein werden. Wer diese Dinge abstreitet und ins Lächerliche zieht, hat einfach nicht verstanden, worum es hier geht.

Dieser Einsatz hat gezeigt, dass dieser Staat nicht blind ist: nicht auf dem linken, nicht auf dem rechten Auge. Dieser Einsatz ist eine großartige logistische Leistung gewesen. Deshalb möchte ich dem Generalbundesanwalt, seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an dieser Stelle für die Leitung dieses Einsatzes danken. Dieser Einsatz zeigt: Diese Demokratie ist wehrhaft. Wir können stolz auf unsere Sicherheitsbehörden sein.

Es ist ja im Zusammenhang mit diesem Einsatz gerade wieder, aber auch schon vorher versucht worden, ihn ins Lächerliche zu ziehen. Wir haben das bei Herrn Curio gerade erlebt. Wir haben das bei Frau Weidel erlebt, die von einem Rollator-Putsch sprach, und bei ihrem Kollegen Herrn Bystron, der von dem größten Machtmissbrauch in der Geschichte der Bundesrepublik sprach. Ich muss sagen: Das ist absurd und frei von jeder Sachkenntnis.

Ich will Ihnen mal berichten, welcher Gefahr sich unsere Polizistinnen und Polizisten aussetzen, wenn sie gegen radikalisierte Reichsbürger vorgehen, die Zugang zu Waffen haben. Ich will Ihnen die Geschichte von Dirk E. erzählen, der mit seinen Kolleginnen und Kollegen eines Sondereinsatzkommandos – an der Zahl 30 Leute – zu einem Objekt ging. Dort hatten sie es mit Wolfgang P. zu tun, einem radikalisierten Reichsbürger, der Zugang zu Waffen hatte. Das haben die Behörden erkannt, haben die Waffenerlaubnis natürlich widerrufen, die Waffenbesitzkarte eingezogen. Und weil er seine Waffen nicht aushändigte, sind die Polizisten des SEK nach Georgensgmünd gefahren, um Wolfgang P. zu entwaffnen, was übrigens zeigt, dass das heute auch möglich ist.

Als Dirk E. vor der Tür stand, hat Wolfgang P. das Feuer eröffnet; elf Schüsse hat er abgegeben. Der Arm ist durchbohrt worden, eine Kugel ist in die Lunge eingedrungen, und dieser Polizist ist im Einsatz nicht nur verletzt worden, er ist wenige Stunden später im Alter von 32 Jahren gestorben. Das zeigt, welche Gefahr von radikalisierten Reichsbürgern ausgeht, die Zugang zu Waffen haben.

Wer das ins Lächerliche zieht, der versucht, die Gefahr kleinzureden, der sich unsere Polizistinnen und Polizisten aussetzen, wenn sie in solche Einsätze gehen, und der zeigt in Wahrheit, dass ihm Leib und Leben unserer Polizistinnen und Polizisten egal sind. Dafür sollten Sie sich schämen.

Deshalb will ich eines sagen, weil die Zahl von 3.000 Polizistinnen und Polizisten ins Lächerliche gezogen wird: Ich habe gerade davon gesprochen, dass sich Dirk E. und seine Kollegen mit einem Sondereinsatzkommando von 30 Leuten einem Objekt genähert haben. Wenn wir von über 130 Objekten ausgehen und von 3.000 Polizistinnen und Polizisten, dann haben wir im Durchschnitt etwa 20 Polizistinnen und Polizisten für jedes Objekt. Ich finde es richtig, dass die taktische Einsatzleitung darauf Wert legt, dass man sich auf solche eskalierenden Situationen vorbereitet, dass man in der Lage ist, die Situationen notfalls unter Kontrolle zu halten und die Kolleginnen und Kollegen, die unter Feuer stehen, auch zu schützen und zu retten. Das ist nicht lächerlich. Das ist die Fürsorgepflicht des Dienstherrn für seine Beamten.

Es gibt einen Punkt, den ich hier als Bundesjustizminister auch erwähnen will; das relativiert allerdings nicht die Gefährlichkeit. Es ist natürlich so, dass der Generalbundesanwalt diese Maßnahmen und die Informationen über diese Maßnahmen eingestuft hat. Der Generalbundesanwalt hat übrigens keine Pressearbeit gemacht. Wenn Sie das hier behaupten, weise ich das in aller Entschiedenheit zurück. Das hat er mir persönlich versichert. Mein Ministerium hat dazu auch keine Öffentlichkeitsarbeit gemacht.

Ich will an dieser Stelle sagen: Wenn Beamte eingestufte Informationen, die sie auf dem Dienstweg erreichen, an Unbefugte weitergeben, dann machen sie sich strafbar nach § 353b des Strafgesetzbuches. Und wenn Sie solche Anschuldigungen erheben, dann müssen Sie wissen, was Sie da tun. Wenn es dazu gekommen sein sollte, dann werden deutsche Staatsanwaltschaften dagegen vorgehen. Auch das gilt im Rechtsstaat. Das mindert aber in keiner Weise die Gefährlichkeit und die Bedeutung dieses Einsatzes.

Ich will auch noch einen Satz zu Folgendem sagen – die Kollegin Mihalic hat es vorhin eigentlich schon erklärt, aber Herr Curio hat es immer noch nicht verstanden –: Die Frage, ob wir es hier mit einer terroristischen Vereinigung zu tun haben, hängt nicht an der Frage, ob diese Leute in der Lage wären, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen; sie hängt daran, dass sie sich vereinbart haben, eine arbeitsteilige Organisation aufzubauen, und dass sie bereit waren, die Verbrechen von Mord und Totschlag zu begehen. Das war nach Überzeugung des Generalbundesanwalts der Fall. Und das ins Lächerliche zu ziehen, ist wirklich grotesk.

Ich sage an dieser Stelle: Natürlich wäre dieser Putsch nicht erfolgreich gewesen, weil die Mehrheit in unserem Lande hinter dem Grundgesetz steht, weil alle Demokratinnen und Demokraten sich eines geschworen haben: dass rechter Autoritarismus in diesem Land nie wieder stärker sein wird als Freiheit und Demokratie. Das hat der Generalbundesanwalt gezeigt. Und wer sich darüber lustig macht, sollte sich ganz andere Fragen stellen.

Herzlichen Dank. «


Quelle: Bulletin 160-3 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 15. Dezember 2022

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