Veröffentlicht am: 23.12.2022 um 23:43 Uhr:

Bundesregierung: Rede der Bundesministerin des Innern und für Heimat, Nancy Faeser, in der Aktuellen Stunde zur Bedrohung durch Reichsbürger und Rechtsextremisten

In der Aktuellen Stunde zur Bedrohung durch Reichsbürger und Rechtsextremisten vor dem Deutschen Bundestag am 14. Dezember 2022 in Berlin hat die Bundesministerin des Innern und für Heimat, Nancy Faeser, nachfolgende Rede gehalten...

» Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!

Heute vor einer Woche haben wir als Demokratinnen und Demokraten in einen Abgrund geblickt. 3.000 Polizeikräfte aus Bund und Ländern, teilweise auch Spezialkommandos, waren im Einsatz, um eine terroristische Bedrohung für unsere Demokratie abzuwehren. Dabei wurden 25 Personen festgenommen. Das zeigt: Wir handeln. Und unser Rechtsstaat ist wehrhaft.

Und ich will hinzufügen: Das war für alle Beteiligten ein hochgefährlicher Einsatz, und es war ein hocherfolgreicher Einsatz. Deshalb möchte ich zu Beginn meiner Rede noch einmal all diesen Polizeibeamtinnen und -beamten aus Bund und Ländern, die einen hervorragenden Job gemacht haben, hier ganz herzlich danken für diesen Einsatz. Sie haben letzte Woche unsere Demokratie verteidigt.

23.000 sogenannte Reichsbürger zählt das Bundesamt für Verfassungsschutz, Tendenz steigend. Diese Zahl ist erschreckend, und sie ist nur – Herr Hartmann hat schon darauf hingewiesen – die Spitze des Eisbergs. Denn wir sehen seit geraumer Zeit, Frau Renner, immer engere Verbindungen zwischen rechtsextremen Gruppierungen, Verschwörungstheoretikern, Reichsbürgern, aber auch Querdenkern, die jetzt während der Coronazeit entstanden sind. Das sollte man auch nicht unterschätzen an dieser Stelle.

Viel zu lange – auch das will ich sehr deutlich sagen – wurde diese Szene unterschätzt. Viel zu lange wurden Reichsbürger als „harmlose Spinner“ abgetan. Wir haben ja heute bei Herrn Curio wieder gesehen, wie sehr diese hochgefährliche Szene, die mit Waffengewalt agiert, verharmlost wurde durch dieses Lächerlichmachen. Der Justizminister, mein Kollege Herr Buschmann, hat darauf hingewiesen, was Reichsbürger tatsächlich 2016 in Georgensgmünd angerichtet haben, als sie einen Polizeibeamten brutal ermordet haben. Wer angesichts dessen die Reichsbürgerszene ins Lächerliche zieht, wie heute geschehen, hat nicht nur nicht verstanden, wo die Gefahren in diesem Land sind, sondern Sie verharmlosen sie in einer Art und Weise, die diesem Land extrem schadet und es gefährdet.

Ich will den Blick noch weiten. Die Reichsbürgerszene bedroht Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in öffentlichen Ämtern sowie Journalisten. All diese Menschen, die tätig sind für unsere Gesellschaft, die sich für unsere demokratische Grundordnung einsetzen, werden von Reichsbürgerinnen und Reichsbürgern bedroht. Es gab allein 239 Gewalttaten durch Reichsbürger im letzten Jahr, und Sie stellen sich hierhin und verhöhnen das. Es ist wirklich gefährlich, eine solche Auffassung im Deutschen Bundestag zu hören.

Gerade deshalb braucht es diese klare Haltung aller Demokratinnen und Demokraten, und deswegen muss Schluss sein mit der Verharmlosung der Reichsbürger in unserem Land! Ich will, dass wir Extremisten und Reichsbürgern entschlossen und konsequent die Waffen entziehen. Da will ich mich auch auf das beziehen, was der hessische Innenminister heute hier gesagt hat: Das ist in vielen Fällen schon passiert, und damit müssen die Waffenbehörden der Länder konsequent weitermachen. Aber wir brauchen mehr Druck. Deshalb müssen wir das Waffenrecht aus meiner Sicht auch weiter verschärfen. Vor allem werden wir für einen engeren Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden und den Waffenbehörden sorgen. Das ist wirklich wichtig. Ich glaube, keiner wird bezweifeln, dass es notwendig ist, sicherzustellen, dass Extremisten nicht in den Besitz von Waffen kommen.

Herr Kollege Beuth, diese Bemerkung will ich Ihnen nicht ersparen: Wenn Sie so stark für den Waffenentzug sind, dann sorgen Sie auch dafür, dass Ihre Partei diese Meinung übernimmt! In der letzten Legislaturperiode waren es nämlich CDU und CSU, die im Deutschen Bundestag Verschärfungen des Waffenrechts verhindert haben. Also bitte nicht nur dann so argumentieren, wenn es gerade passt, sondern diese Linie auch konsequent weiterverfolgen. Das haben Sie in Hessen getan. Aber hier im Bund muss es dann folgen.

Damit unsere Demokratie wehrhaft bleibt, müssen wir sie aber auch von innen heraus stärken, und dazu ist Prävention wichtig. Prävention von Anfang an – in Kindertagesstätten, in Schulen – ist eines der wichtigsten Mittel zur Bekämpfung von Extremismus in unserem Land. Deswegen müssen wir darauf fokussieren. Ich bin meiner Kollegin Lisa Paus, der Familienministerin, auch dankbar, dass wir heute gemeinsam das Demokratiefördergesetz vorstellen konnten, um die demokratische Zivilgesellschaft zu stärken. Sie sehen, wir handeln auch im Bereich der Prävention.

Außerdem werden wir das Disziplinarrecht verschärfen. Denn wir lassen nicht zu, dass der Rechtsstaat von Extremisten von innen heraus sabotiert wird. Das schulden wir letztlich allen Angehörigen der Sicherheitsbehörden und des öffentlichen Dienstes, die sich – und das ist die überwältigende Mehrheit – auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen. Diesen Schutz haben sie auch von uns verdient. Deshalb werden wir Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem öffentlichen Dienst entlassen, ein schnelleres Verfahren dafür auflegen und auch eine konsequentere Ahndung von Volksverhetzungsdelikten vorsehen. Den Gesetzentwurf werden wir noch vor Weihnachten vorlegen.

Ich habe es zu Beginn meiner Amtszeit gesagt: Die größte Bedrohung für die demokratische Grundordnung kommt von rechts. Wir haben letzte Woche gesehen, dass das stimmt, und dass der Rechtsstaat hier konsequent handeln muss. Der Einsatz gegen die Reichsbürgerszene in der letzten Woche hat gezeigt: Unser Rechtsstaat ist stark, er ist wehrhaft. Wir werden dafür sorgen, dass es so bleibt. Wir verteidigen die Demokratie gegen alle Feinde, egal von welcher Seite.

Vielen Dank. «


Quelle: Bulletin 160-4 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 15. Dezember 2022

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