Veröffentlicht am: 27.12.2022 um 11:50 Uhr:

Bundesregierung: Rede des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir, zum Tierhaltungskennzeichnungsgesetz

Der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir, hat zum Tierhaltungskennzeichnungsgesetz vor dem Deutschen Bundestag am 15. Dezember 2022 in Berlin folgende Rede gehalten...

» Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Landwirtschaft hat sich immer verändert. Sie wird es auch künftig tun, um Mensch, Klima und Umwelt gerecht zu werden. Notwendige Veränderungen und Anpassungen fallen aber dann leichter, wenn die wirtschaftliche Lage gut ist. Deshalb freut es mich, dass die aktuellen Wirtschaftszahlen in der Landwirtschaft nach Jahren des Rückgangs und der Stagnation positiv sind.

Zugleich wissen wir aber auch, dass gerade in der Schweinehaltung die Situation weiter sehr schwierig und dramatisch ist. Der Veränderungsdruck ist immens, aber die Veränderungsbereitschaft unserer Landwirtinnen und Landwirte ist es auch. Unsere Aufgabe ist es, diese Veränderungsbereitschaft zu unterstützen. Die Lösungen dafür liegen seit vielen Jahren auf dem Tisch. Es wurde viel geredet, vieles auch zerredet; die Unionsfraktion wird sich vielleicht trotz mancher Probleme mit dem Langzeitgedächtnis daran erinnern.

Wir müssen jetzt endlich loslegen! Verbraucherinnen und Verbraucher wollen zu Recht wissen, was da in ihrem Einkaufskorb liegt. Sie wollen wissen, wie das Tier gelebt hat, dessen Fleisch auf ihre Teller kommt, und zwar nicht auf freiwilliger, sondern auf verbindlicher Basis und damit auch verlässlich und umfassend.

Dieser Gesetzentwurf ist ein erster Schritt, um dieses Ziel zu erreichen. Es werden weitere Schritte, und zwar in dieser Legislaturperiode, folgen. Dazu gehört die Ausweitung auf Sauen und Ferkel sowie auf weitere Tierarten. Dazu gehört die Ausweitung auf weitere Bereiche der Wertschöpfung wie Gastronomie und verarbeitete Produkte. Aber ich bitte Sie auch: Seien wir an dieser Stelle ehrlich miteinander. Wenn wir alles auf einmal machen wollten, dann würde nichts passieren. Das ist schon mal versucht worden, und wie es ausging, wissen wir alle: Es ist gescheitert.

Aber dass Sie von der Opposition jetzt allen Ernstes fordern, eine verpflichtende nationale Kennzeichnung auch für importierte Ware einzuführen, obwohl Sie genau wissen, dass das europarechtswidrig wäre, das finde ich auch gegenüber den Landwirtinnen und Landwirten unehrlich. Sie wissen ganz genau: Auch wenn hier ein CDU/CSU-Landwirtschaftsminister oder eine -ministerin stehen würde, könnte auch er oder sie nicht gegen Europarecht vorgehen. Bitte sagen Sie den Bauern nicht Dinge, von denen Sie wissen, dass sie nicht wahr sind. Aber spätestens seit Andi Scheuer und seiner gescheiterten Maut wissen wir: In Sachen Europarecht sollte man sich vielleicht besser nicht auf die Expertise der Union verlassen.

Es ist völlig klar, dass die Veränderungsbereitschaft unserer Tierhalter nicht zu Nachteilen durch importierte Produkte führen darf. Es geht mir deshalb nicht allein um die Transparenz bei der Haltung, sondern auch um die Transparenz bei der Herkunft. Deshalb habe ich von Beginn an – und ich habe das hier ja oft genug gesagt – in Brüssel darauf gedrängt, dass es endlich zu Verbesserungen bei der Herkunftskennzeichnung kommen muss. Wir haben jetzt die Zusage, dass es Anfang nächsten Jahres einen Vorschlag geben wird. Ich sage hier auch noch mal „on the record“: Falls Brüssel wider Erwarten nicht Wort hält, ist mein Haus darauf vorbereitet.

Bei der Kennzeichnung von Frischfleisch erweitern wir jetzt schon die bestehende Herkunftskennzeichnung auf unverpackte Produkte. Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten nicht nur Klarheit bei der Haltungsform, sondern auch bei der Herkunft. Auch dafür werden wir sorgen.

Das gilt auch für die notwendigen Veränderungen im Baurecht. Der Umbau der Ställe für mehr Tierwohl darf nicht länger am Bau- und Genehmigungsrecht scheitern. Wir müssen endlich die traurige Realität beenden, dass Tiere an die Ställe angepasst werden. Umgekehrt muss es künftig sein: Die Ställe müssen an die Tiere angepasst werden. Die notwendigen Änderungen im Baurecht werden noch vor der geplanten großen Baugesetznovelle umgesetzt. Ich danke an dieser Stelle ausdrücklich meiner Minister kollegin Geywitz, dass sie das jetzt anpackt.

Wir wollen die Betriebe beim Umbau auch finanziell unterstützen. Nie hat eine Bundesregierung mehr in die zukunftsfeste Tierhaltung investiert. An dieser Stelle auch mein ausdrücklicher Dank an Finanzminister Christian Lindner. Im Bundeshaushalt haben wir in der Koalition die Grundlagen für ein Bundesprogramm geschaffen, um Investitionen in den Stallumbau für mehr Tierwohl zu fördern. Darüber hinaus – das ist ganz entscheidend – sollen laufende Mehrkosten für mehr Tierwohl mit Verträgen bis zu zehn Jahren unterstützt werden. Das ist notwendig für die finanzielle Planungssicherheit unserer Landwirtinnen und Landwirte. Wir sorgen dafür, dass die Landwirte profitieren, wenn sie auf mehr Tierwohl setzen.

Ich bin guter Dinge – wir wissen in der Koalition auch um die Erwartungen, die es draußen bei den Landwirtinnen und Landwirten gibt nach so vielen Enttäuschungen –, dass die Koalitionsfraktionen in den kommenden Wochen einen guten Weg finden werden, die Finanzierung des Umbaus langfristig zu gestalten und zu sichern; denn jeder Euro, den wir in den Umbau der Tierhaltung investieren, ist wahrlich gut angelegtes Geld.

Wir investieren in Klimaschutz, in mehr Tierwohl, wenn weniger Tiere besser gehalten werden. Wir sichern damit die Arbeits- und Lebensgrundlagen für die junge Generation unserer Landwirtinnen und Landwirte. Damit stärken wir auch ländliche Regionen. All das schaffen wir mit einer vertretbaren Investition; es ist also sehr gut angelegtes Geld.

Aber wenn wir jetzt nicht investieren, dann werden die tierhaltenden Betriebe in Deutschland dichtmachen, weil sie den ruinösen Preiswettbewerb nicht bestehen können. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass die dringend notwendigen Investitionen auf den Höfen ankommen, um die Tierhaltung in Deutschland zukunftsfest zu machen.

Ja, der Umbau der Tierhaltung ist ein Marathon. Wir haben aber nicht wie vorherige Regierungen mutlos und zaghaft darauf gewartet, dass es endlich einen Startschuss gibt. Wir sind jetzt einfach gestartet. Genauso, wenn ich das an der Stelle sagen darf, wie übrigens Renate Künast damals, vor 20 Jahren, mit der Eierkennzeichnung ein wichtiges Projekt auf den Weg gebracht hat, ist es jetzt Zeit für den nächsten großen Schritt: die Tierhaltungskennzeichnung.

Der Umbau beginnt. Ich freue mich über jede Verbesserung des Gesetzentwurfs für eine verbindliche staatliche Tierhaltungskennzeichnung. Es gibt Kritik. Aber ein Großteil der Kritik ist eigentlich gar keine, sondern beschreibt vielmehr das, was unsere nächsten Schritte sein werden. Würden wir alles auf einmal machen, würden wir so enden, wie es bislang geendet ist, nämlich beim Stillstand. Den aber darf es angesichts der dramatischen Lage nicht geben; sonst gibt es künftig nur noch Fleisch aus dem Ausland, und dort werden die Tiere sicherlich nicht besser gehalten.

Wir können gemeinsam den Grundstein für den Wandel legen. Lassen Sie uns gemeinsam die Vorschläge der Borchert-Kommission und der Zukunftskommission Landwirtschaft Schritt für Schritt umsetzen!

Machen Sie mit, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, um gemeinsam Klima, Tieren, Verbraucherinnen und Verbrauchern und unseren tierhaltenden Betrieben gerecht zu werden! Die Zeit ist jetzt.

Herzlichen Dank. «


Quelle: Bulletin 161-2 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 16. Dezember 2022

Weitere Artikel zum Thema Bundesregierung, die Sie auch interessieren könnten...

Rede des Bundesministers für Gesundheit, Dr. Karl Lauterbach, zur Einführung von Preisbremsen für leitungsgebundenes Erdgas, Wärme und Strom

Rede der Bundesministerin des Innern und für Heimat, Nancy Faeser, in der Aktuellen Stunde zur Bedrohung durch Reichsbürger und Rechtsextremisten

Rede der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Lisa Paus, in der Aktuellen Stunde zur Bedrohung durch Reichsbürger und Rechtsextremisten

Rede des Bundesministers der Justiz, Dr. Marco Buschmann, in der Aktuellen Stunde zur Bedrohung durch Reichsbürger und Rechtsextremisten

Rede der Bundesministerin des Auswärtigen, Annalena Baerbock, bei der Plenarsitzung des OSZE-Ministerrats