Veröffentlicht am: 06.03.2023 um 06:40 Uhr:

Bundesregierung: Rede von Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier zum 80. Jahrestag der Hinrichtung von Mitgliedern der studentischen Widerstandsgruppe Weiße Rose

Zum 80. Jahrestag der Hinrichtung von Mitgliedern der studentischen Widerstandsgruppe Weiße Rose am 6. Februar 2023 hat Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier in München folgende Rede gehalten...

» Welch eindringliche, aufrüttelnde Worte waren das: „Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den Ihr um Euer Herz gelegt! Entscheidet Euch, eh‘ es zu spät ist!“ Worte, die die Widerstandsgruppe der Weißen Rose zu Beginn des Jahres 1943 an alle Deutschen richtete. Der „Aufruf an alle Deutsche“ – er war unmissverständlich. Er war drängend. Und vor allem: Er war so unendlich mutig. Jeder, der es wagte, öffentlich Kritik am Terrorregime der Nationalsozialisten zu äußern, jeder, der offen zum Widerstand aufrief – und nichts anderes tat die Weiße Rose, jeder, der das wagte, setzte damit das eigene Leben aufs Spiel und auch die Freiheit der Familie, der Freunde.

Die Mitglieder der Weißen Rose waren sich dieser Gefahr bewusst, sehr bewusst. Und doch verfassten sie seit dem Sommer 1942 Flugblätter und brachten sie in immer höherer Zahl in Umlauf. „Freiheit“, „Nieder mit Hitler“, das schrieben sie auch an Hausfassaden, an den Eingang dieses Universitätsgebäudes. Auch das war unmissverständlich. Und unendlich mutig.

Sophie und Hans Scholl. Christoph Probst. Kurt Huber. Alexander Schmorell. Willi Graf. Hans Leipelt. Sie alle bezahlten ihren Mut mit dem Leben.

Die Männer und Frauen der Weißen Rose wollten nicht länger schweigen. Sie wollten, dass endlich gehandelt werde. Es war vor allem eine Überzeugung, die sie antrieb: dass jeder etwas tun muss und tun kann. Alle Deutschen riefen sie dazu auf, endlich aufzuwachen aus der Lethargie, aus der Gleichgültigkeit, endlich ihre Stimme zu erheben, sich zu erheben gegen die – wie es im dritten Flugblatt hieß – „Diktatur des Bösen“.

Achtzig Jahre sind vergangen, seitdem die ersten Mitglieder der Weißen Rose hingerichtet wurden. Ihr Widerstand, ihre Aktionen reizten das Nazi-Regime aufs Äußerste. Am 18. Februar 1943 gerieten sie in die Fänge der Machthaber – an jenem Tag also, an dem Joseph Goebbels im Berliner Sportpalast seine berüchtigte Rede zum „totalen Krieg“ halten sollte. An diesem 18. Februar legten Sophie und Hans Scholl das sechste Flugblatt hier in der Universität aus – es sollte das letzte sein. Die restlichen Exemplare ließen sie in den Lichthof hinunterflattern. Jakob Schmid, der Schlosser und Hausmeister der Universität, beobachtete sie, hielt sie fest und informierte den Rektor, den SS-Mann Walther Wüst. Sophie und Hans Scholl wurden der Gestapo übergeben. Wenig später wurde auch Christoph Probst verhaftet.

So viel Mut, so viel Anstand, so viel Glauben an humanistische Werte, das war für Hitlers Schergen eine Gefahr, die im Keim erstickt werden musste. Hitlers Blutrichter Roland Freisler reiste mit seinem sogenannten Volksgerichtshof eigens von Berlin nach München und verhängte, rasend in seinem Furor, die Todesurteile. Hochverräterische Feindbegünstigung, Vorbereitung zum Hochverrat, Wehrkraftzersetzung, lautete die Anklage. Das Urteil sollte alle abschrecken, die ähnliche Gedanken oder Überzeugungen haben mochten. Es wurde noch am selben Tag vollstreckt, mit dem Fallbeil. Ein zweiter Prozess fand wenige Wochen später im April statt, gegen Alexander Schmorell, Willi Graf, den Hochschullehrer Kurt Huber und elf weitere Mitglieder der Weißen Rose. Auch Schmorell, Graf und Huber wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet. Hans Leipelt wurde noch 1945 ermordet.

Die Prozesse und die Todesurteile sprachen jedem Recht Hohn. Brechen konnten die Nationalsozialisten jedes Recht, die zum Tode Verurteilten nicht. „Es lebe die Freiheit“, das waren die letzten Worte von Hans Scholl.

Frieden, Freiheit, die Würde jedes Menschen und die Verantwortung jedes Einzelnen – diese Werte leiteten damals die Weißen Rose. Sie sind heute das Fundament unserer freiheitlichen Demokratie. Wenn wir heute hier zusammenkommen, um an die Frauen und Männer der Weißen Rose zu erinnern, dann spüren wir: Frieden, Freiheit, die Achtung der Menschenwürde sind mit Opfern erstritten, erkämpft und errungen. Aber selbstverständlich sind sie nicht! Und ja, unsere Verfassung ist die Antwort auf Willkür und Gewaltherrschaft, aber selbstverständlich ist auch die Demokratie nicht! Und schon gar nicht ist sie auf Ewigkeit garantiert. Wir leben in einer Zeit, in der die liberalen Demokratien stärker angefochten, ja angegriffen werden, von innen wie von außen. Das ist die große Herausforderung unserer Zeit. Und genau diese Herausforderung macht das, wofür die Weiße Rose eintrat, für unsere Gegenwart so drängend aktuell: Ihr Kampf für Freiheit und Menschenwürde geht uns auch heute etwas an. Die Verantwortung jedes Einzelnen in der Gesellschaft: Sie geht uns auch heute etwas an. Darüber wird noch zu reden sein.

Die bekanntesten Mitglieder der Weißen Rose sind zweifellos Sophie und Hans Scholl, die beiden Geschwister, nach denen auch der Platz draußen vor dem Hauptgebäude der LMU und das politologische Institut benannt sind. Viele Schulen in unserem Land tragen ihren Namen, und vor allem Sophie Scholl wurde in den vergangenen Jahren zur Identifikationsfigur, in Büchern, in Filmen, in den sozialen Netzwerken.

Aber die Weiße Rose hatte mehr Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die ebenso mutig waren. Da war Alexander Schmorell, aus Russland stammend, den Hans Scholl beim Medizinstudium kennenlernte und mit dem er die ersten Flugblätter verfasste. Da war Christoph Probst, auch er angehender Arzt, der als einziges der studentischen Mitglieder der Weißen Rose schon verheiratet war, Familie und Kinder hatte. Da war Willi Graf, der ebenfalls Arzt werden wollte. Ein tiefgläubiger Katholik. Da war der Philosophie-Professor Kurt Huber, politisch nationalkonservativ, aber einer der wenigen Hochschullehrer, die den Mut hatten, die Gleichschaltung der Universitäten nicht widerspruchslos hinzunehmen. Da war Traute Lafrenz, eine Freundin von Hans Scholl, auch sie angehende Ärztin, die die Flugblätter nach Hamburg brachte. Sie ist die Einzige aus dem Kreis der Widerständler, die noch lebt, und es hat mich sehr bewegt, sie vor einigen Jahren mit dem Bundesverdienstorden auszeichnen zu können.

Zu der Münchner Gruppe kamen Gleichgesinnte in anderen Universitätsstädten dazu, in Ulm, in Stuttgart, Saarbrücken, Hamburg. Falk Harnack, Karl Ludwig Schneider, Heinz Kucharski und Margaretha Rothe, Hans und Susanne Hirzel, der bereits erwähnte Hans Leipelt, Heinrich und Wilhelm Bollinger, um nur einige Namen zu nennen: Sie alle waren auf unterschiedliche Weise beteiligt, die Flugblätter quer durch Deutschland zu verbreiten.

An diese mutigen Mitstreiterinnen und Mitstreiter der Weißen Rose ist oft nur beiläufig erinnert worden. Ich bin überzeugt: Ihnen allen gebührt ein größerer Platz in unserer Erinnerung. Sie alle haben mit ihrem Mut geleuchtet in dunkler Zeit. Sie alle träumten von einem anderen, einem besseren Deutschland.

Ja, die Mitglieder der Weißen Rose hatten Träume, und sie waren jung, sehr jung. Sie aber als unpolitische Träumer zu belächeln, wie manche es in der Vergangenheit getan haben, würde ihnen in keiner Weise gerecht.

Es stimmt zwar: Kaum einer von ihnen war von Anfang an gegen das NS-Regime. Als Hindenburg am 30. Januar 1933 die Macht in Hitlers Hände gab, waren die meisten noch Jugendliche, Sophie und Hans Scholl zunächst sogar begeistert von Hitler. Auch Kurt Huber war anfänglich durchaus angetan von den neuen Machthabern.

Je stärker das Regime aber auf totale Gleichschaltung und Unterwerfung jedes Einzelnen zielte, je brutaler es gegen seine Gegner vorging, je schrecklicher die im Namen einer unmenschlichen Rassenideologie verübten Verbrechen wurden, umso mehr reifte in diesen jungen Menschen die Erkenntnis, wie es in Wahrheit um Deutschland stand. Und dass es nur ein Mittel gab, daran etwas zu ändern: aufstehen und Widerstand leisten.

Über Sabotage auf allen Ebenen und in allen Bereichen der Gesellschaft sprachen sie in ihren Flugblättern. Ihr Ziel formulierte die Weiße Rose klar: „Der Sinn und das Ziel des passiven Widerstands ist, den Nationalsozialismus zu Fall zu bringen.“ Das fünfte Flugblatt schließlich, eben jener „Aufruf an alle Deutsche“, ist getragen von der Überzeugung, dass der Krieg trotz aller Lügen und Propaganda endgültig verloren war. Einige der Medizinstudenten waren als Sanitätssoldaten in Russland gewesen, kurz vor der Niederlage bei Stalingrad, hatten Grausamkeit jenseits des Vorstellbaren gesehen, hatten die Hölle erlebt.

Hier, im fünften Flugblatt, skizzieren die Widerständler ihre Vorstellungen einer möglichen Nachkriegsordnung: ein föderalistisches Deutschland in einem geeinten Europa. „Freiheit der Rede, Freiheit des Bekenntnisses, Schutz des einzelnen Bürgers vor der Willkür verbrecherischer Gewaltstaaten“, so ist es dort zu lesen. Und dies war die Vision der Mitglieder der Weißen Rose für die Zeit nach dem Krieg, nach der NS-Herrschaft. Eine Vision für den Frieden, zugleich eine Vision für die Grundlagen des neuen Europa.

Die Hoffnung auf Zukunft war für Hans und Sophie Scholl und all die anderen nicht begleitet von Verdrängung der Gegenwart: Sehr klar war sich die Weiße Rose auch darüber, welch schwere Schuld ihre deutschen Zeitgenossen auf sich geladen hatten. „Ein jeder ist schuldig, schuldig, schuldig!“ Schon im Sommer 1942 straften sie all jene Lügen, die damals – und noch viele Jahre nach dem Krieg – behaupten sollten, vom Menschheitsverbrechen der Shoah und den anderen schweren Verbrechen nichts gewusst zu haben. Die Ermordung und Verfolgung von polnischen Juden und jungen Adeligen, beides prangerte die Weiße Rose an. Um verzweifelt zu fragen: „Warum verhält sich das deutsche Volk angesichts dieser scheußlichsten, menschenunwürdigsten Verbrechen so apathisch?“ Und: „Es sieht nicht und es hört nicht.“

Den Mut zum Widerspruch oder gar zum Widerstand, den hatten tatsächlich nur sehr wenige. Es war ein einsamer Widerstand, ein Widerstand der Außenseiter, wie der Historiker Wolfgang Benz geschrieben hat. Aber es gab sie, die Mutigen, die sich zusammenschlossen, die gemeinsam handeln wollten und gemeinsam handelten. Es gab sie in der Arbeiterbewegung, es gab den christlichen Widerstand, es gab den Kreisauer Kreis, die Rote Kapelle, die Mitglieder des 20. Juli. Es gab einzelne Aufrechte wie Georg Elser, es gab Jüdinnen und Juden, die Widerstand leisteten – und eben auch Studentinnen und Studenten. Und es gab die „stillen Heldinnen und Helden“, die Verfolgten halfen, sie versteckten, ihnen zu essen gaben.

Auch junge Soldaten sympathisierten mit der Weißen Rose, wie wir aus einem Zeugnis im „Echolot“ von Walter Kempowski wissen. Einer von ihnen berichtete Jacob Kronika, einem dänischen Korrespondenten in Berlin, ausführlich über die Gruppe, drei Tage nach den ersten Hinrichtungen: „Die Weiße Rose ist in dieser Runde wahrscheinlich erstickt worden. Aber nur in dieser Runde. Die Schar der jungen Deutschen, die wie die Hingerichteten und Arrestierten in München fühlt, wird wachsen.“ Er sollte sich täuschen, dieser junge Soldat. Enttäuscht waren auch die Briten, die den „Aufruf an alle Deutsche“ millionenfach über den Städten im Westen Deutschlands abwarfen.

Es war wohl bestenfalls so, wie es Ricarda Huch nach dem Krieg sah. Sie kam zu dem Schluss: „Tausende dachten: Diese jungen Menschen haben das getan, was wir hätten tun sollen und nicht zu tun wagten.“ Die große Mehrheit der Deutschen aber behielt den Mantel der Gleichgültigkeit um ihr Herz gelegt. Sie wollten nicht sehen und hören. Weil sie fanatisch an Hitler glaubten, weil sie Angst vor den Konsequenzen der Wahrheit hatten, die meisten wohl, weil sie glaubten, durch unauffälliges Funktionieren wenigstens persönlich der Hölle zu entkommen und zu überleben.

Über Zeitungen aus der Schweiz und aus Schweden erreichte die Nachricht von den ersten Hinrichtungen die Weltöffentlichkeit. Die Welt sei zutiefst bewegt von den Vorgängen an der Münchner Universität, sagte Thomas Mann in einer seiner Rundfunkansprachen an die Deutschen aus dem Exil. Nicht zuletzt diese Ansprachen des großen Schriftstellers in der BBC hatten die Weiße Rose stark beeinflusst. Thomas Mann setzte der Widerstandsgruppe im Juni 1943 ein Denkmal. „Brave, herrliche junge Leute! Ihr sollt nicht umsonst gestorben, sollt nicht vergessen sein.“

Heute, achtzig Jahre später, gedenken wir dieser jungen Leute, ihres Glaubens an Wahrheit und Menschlichkeit, an Freiheit – und ihres unbeschreiblichen Mutes, für all das einzutreten. Wir erinnern uns, nicht um einer reinen Rückschau willen oder um die Mitglieder der Weißen Rose auf einen Heldensockel zu stellen. Helden waren sie zweifellos, aber: Wir blicken auch zurück im Wissen, dass die Verantwortung vor unserer Geschichte keinen Schlussstrich kennt. Unsere Geschichte muss uns Mahnung sein, für die Gegenwart und die Zukunft. Damit nicht wieder geschehen kann, was geschehen ist – so hat es der große Primo Levi, selbst ein Überlebender der Shoah, gesagt.

Zum Erinnern gehören für uns Deutsche immer wieder aufs Neue schmerzhafte Fragen. Sie müssen schmerzhaft sein, wenn wir es ernst meinen mit dieser Verantwortung vor unserer Geschichte:

Wie war es möglich, dass geschah, was geschehen ist? Wie war es möglich, dass die meisten Deutschen ein Regime unterstützten, das jede Menschlichkeit verriet und ganz Europa mit Krieg überzog, Menschen folterte, versklavte, ermordete, das das Menschheitsverbrechen der Shoah akribisch plante und in administrativer Arbeitsteilung unzähliger Funktionsträger durchführte; wie war es nur möglich, dass die meisten mitmachten, mitliefen, mitschwiegen?

Und noch eine Frage stellt sich uns, auch wenn sie kaum wahrhaftig und ehrlich zu beantworten ist: Wie hätte ich selbst mich verhalten unter solchen Umständen? Wie würde ich handeln, und würde ich überhaupt handeln, wenn ich wüsste, dass der Preis dafür Gefängnis, Folter oder gar der Tod wäre?

Diese Fragen sind schmerzhaft, und manche bleiben offen, müssen vielleicht offen bleiben im Angesicht der Monstrosität von Menschheitsverbrechen, die Deutsche begangen haben. Aber die Fragen zu stellen, bleibt auch achtzig Jahre nach der Hinrichtung von Hans und Sophie Scholl noch wichtig!

Jede Generation hat ihren eigenen Blick auf die Zeit, in der Deutschland in dunkelster Nacht versank. Es sollte lange dauern, bis wir Deutsche uns dazu bekannten, dass unser Land sich nicht selbst von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft befreit hat. Es wurde von außen befreit. Die Niederlage im Krieg war die Bedingung unserer Freiheit. Viele Jahre sollte es auch dauern, bis der äußeren Befreiung eine innere folgte. Jahre, in denen Deutschland die eigenen Verbrechen verbrämte und nationalsozialistische Eliten in Staat und Gesellschaft fortwirken konnten. Wer davon einen Eindruck bekommen will, der schaue sich im Kino nochmal den Film „Der Staat gegen Fritz Bauer“ an, mit Burghart Klaußner in der Hauptrolle. Es hat lange gedauert, bis wir uns endlich der Frage stellten, warum geschehen konnte, was geschehen war. Bis Mitglieder des Widerstands und diejenigen, denen es gelungen war, sich ins Exil zu retten, endlich nicht mehr als „Verräter“ gebrandmarkt wurden. Diese innere Befreiung dauerte Jahrzehnte – heute ist sie unverzichtbarer Teil unserer Demokratie.

Unser Blick heute ist geprägt von der Erfahrung, dass wir Deutsche seit Jahrzehnten in einer freiheitlichen Demokratie leben; seit mehr als dreißig Jahren tatsächlich alle Deutschen. Es waren die mutigen Menschen in der DDR, die friedlich Widerstand leisteten und damit die Mauer zu Fall brachten. Welch riesiges Glück ist das: Wir leben vereint in einer Demokratie. Mut, wie ihn die Weiße Rose und die anderen Widerstandskämpfer hatten, haben mussten, ein solcher Mut ist heute nicht nötig.

Die Mitglieder der Weißen Rose dagegen leisteten Widerstand in einer Diktatur, gegen ein Schreckensregime, das mit jeder erdenklichen Brutalität gegen seine Gegner vorging; das Angst und Terror zum Herrschaftsprinzip machte. Dieses verbrecherische Regime, dem die Würde des Menschen und ein Menschenleben nichts galten – mehr noch: das Menschen das Menschsein absprach –, dieses Regime hatte keinen Anspruch auf Gehorsam. Es musste bekämpft werden.

Das war die Haltung, die die Frauen und Männer des deutschen Widerstands einte, so unterschiedlich ihre Motive auch waren. So sehr sich auch ihre Vorstellungen von einem neuen, einem besseren Deutschland unterschieden. Sie alle rangen mit der Legitimität ihres Tuns. Darf ich Gesetze brechen, gar Gewalttaten verüben? Darf ich gegen meinen Glauben oder meinen Treueeid verstoßen?

Am Ende aber kamen sie alle zu dem Schluss: Wer nicht handelte, wer schwieg, der tolerierte die Gewalt als Prinzip, das Unrecht als Normalität, den durch Deutschland verübten Völkermord. Wer nicht handelte und schwieg, der machte sich der Komplizenschaft schuldig. Deshalb war Widerstand nicht nur erlaubt, er war geboten. Diese Diktatur musste gestürzt werden. Das war die Überzeugung, die die Mitglieder der Weißen Rose leitete. Dafür waren sie bereit, ihr Leben einzusetzen.

Wer diesen historischen Hintergrund kennt; wer weiß, wie hoch der Preis für Widerstand gegen das NS-Regime oft war; wer das weiß, den ärgert, wenn heute in der politischen Auseinandersetzung gelegentlich leichtfertig von „Widerstand“ gesprochen wird und dazu historische Vorbilder bemüht werden. Nichts rechtfertigt die Gleichsetzung des Protests in einer Demokratie mit dem Widerstand in einer Diktatur!

Unser Grundgesetz garantiert nicht nur die Würde jedes einzelnen Menschen – eine der wichtigsten Lehren aus der NS-Zeit. Es garantiert auch Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit. Und das sind nicht nur Postulate. Diese Freiheiten sind unsere Verfassungswirklichkeit. Das Verfassungsgericht wacht darüber, dass diese Freiräume gewahrt bleiben. In unserer Demokratie ist Widerspruch nicht nur ausdrücklich möglich. Er ist notwendig! Kritik, Demonstrationen, auch Proteste gehören zum Wesenskern der Demokratie. Auch und gerade von Minderheiten; auch mit Mitteln, die die Mehrheit kritisiert, die sie stören, die ihr auf die Nerven gehen.

Die Demokratie ist die einzige Staatsform, zu deren Selbstverständnis es gehört, über Fehler und Fehlentwicklungen zu diskutieren. Vor allem ist sie die einzige Staatsform, in der die Möglichkeit der Selbstkorrektur Teil der rechtlichen und politischen Verfasstheit ist. Dafür braucht sie Debatten und Kontroversen, dafür braucht sie den Streit. Davon lebt die Demokratie!

Ein Recht auf Widerstand gibt es in unserer Demokratie nur in einem Fall: Wenn sie abgeschafft werden soll. So ist es seit 1968 im Artikel 20, Absatz 4 des Grundgesetzes festgeschrieben: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung“ – gemeint ist damit die verfassungsmäßige – „zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ Andere Abhilfe, das ist der demokratische Protest, das ist der Rechtsweg durch die Instanzen der Justiz, das sind freie und faire Wahlen, und das ist jede Form demokratischen Engagements. All das also, was unser demokratisches Miteinander heute ganz alltäglich bestimmt.

Widerspruch, der ist nötig in der Demokratie. Aber es gibt kein Recht auf den Gebrauch von Gewalt gegen demokratisch getroffene Mehrheitsentscheidungen. Wer dafür heute in unserem Land ein Recht auf Widerstand gegen demokratische Institutionen für sich reklamiert, der missbraucht diesen Begriff; mancher missbraucht in seinem identitären Wahn oder nationalistischen Taumel sogar die Namen derer, die unter Lebensgefahr Widerstand leisteten. Das schändet Erbe und Ansehen all jener, die im Widerstand gegen die Barbarei des Nationalsozialismus ihr Leben geopfert haben.

Unsere Demokratie, unsere Gesellschaft ist heute herausgefordert wie seit Langem nicht. Die Rückkehr des Krieges nach Europa und der offensichtliche Versuch einer geopolitischen Neuordnung nach alten Mustern, nach Mustern des Kalten Krieges, aber auch die Folgen der Pandemie und die Bekämpfung des Klimawandels: Es ist ein gewaltiger Umbruch und Umbau, vor dem wir stehen.

Der 24. Februar 2022 war ein Epochenbruch. Ein Jahr bringt dieser völkerrechtswidrige Krieg nun schon furchtbares Leid über die Menschen in der Ukraine: Zerstörung, Hunger, Tod, schwere Menschenrechtsverbrechen an Frauen, Kindern, alten Menschen. Aber auch wir bekommen die Folgen dieses Krieges zu spüren, und damit meine ich nicht nur steigende Energiepreise. Dieser 24. Februar bedeutet für uns Deutsche, dass jene Zeit nach Mauerfall und Wiedervereinigung beendet ist, in der wir mit Optimismus und voller Hoffnung auf unsere Nachbarn schauten. Eine Zeit, in der wir glaubten, dass Freiheit und Demokratie überall auf dem Vormarsch seien. Der 24. Februar hat auch uns Deutschen sehr bewusst gemacht, dass wir sehr viel mehr tun müssen als in den vergangenen Jahrzehnten, um unsere Demokratie zu schützen und zu verteidigen. Was wir brauchen, ist eine Demokratie, die wehrhaft ist!

Es war ein Münchner Wissenschaftler dieser Universität, der den Begriff der wehrhaften Demokratie unter dem Eindruck von Hitlers Diktatur und des sich in Europa ausbreitenden Faschismus geprägt hat: Karl Löwenstein. 1933 wurde der jüdische Jurist aus diesem Haus vertrieben und musste in die USA emigrieren; vor fünfzig Jahren starb er.

Was sagt uns Löwensteins Begriff der wehrhaften Demokratie heute? Und was hat das mit Russlands Krieg gegen die Ukraine zu tun? Dieser Krieg ist ein menschenverachtender Angriffskrieg, es ist Landraub, es ist die Missachtung aller Prinzipien des Völkerrechts, die auch uns wichtig sind. Dieser Krieg speist sich aus Putins imperialem Wahn und der Angst der Kreml-Autokratie vor der Demokratie. Auch deshalb geht uns dieser Krieg etwas an. Es geht nicht nur um Solidarität mit der Ukraine – darum im Augenblick vornehmlich –, es geht auch um die Frage, wie wir uns und unsere Demokratie besser schützen.

Was meine ich damit? Das ist zunächst einmal ganz wörtlich zu verstehen. Auch wir Deutsche müssen umdenken. Der 24. Februar hat bereits zu einer Neuorientierung unserer Sicherheits- und Verteidigungspolitik geführt: Wir unterstützen, gemeinsam mit unseren Bündnispartnern, die Ukraine nicht nur humanitär und finanziell, sondern auch militärisch. Das war nicht unumstritten, ich weiß. Aber es ist notwendig, damit die Opfer sich gegen die Täter verteidigen können. Es ist notwendig, wenn wir den eklatanten Völkerrechtsbruch Russlands nicht einfach nur zur Kenntnis nehmen wollen. Die massive Unterstützung eines angegriffenen Staates mit unserem militärischen Material, das ist neu in der Nachkriegsgeschichte unseres Landes. Aber neu ist auch die Situation, in der wir sind. Was wir hinter uns glaubten, ist zurückgekehrt. Es ist wieder Krieg in Europa. Wir helfen der Ukraine, aber wir sind nicht Kriegspartei. Und dennoch müssen wir auch auf Bedrohungen reagieren, die uns und andere treffen könnten. Zu einer wehrhaften Demokratie gehört wegen dieser neuen Bedrohungen eine gut ausgerüstete und verteidigungsbereite Bundeswehr. Und als starkes Land in der Mitte Europas haben wir eine Verantwortung nicht nur für uns, sondern eben auch für unsere Bündnispartner. Und diese Partner müssen sich auf uns verlassen können!

Wehrhaftigkeit nach außen müssen wir wichtiger nehmen, aber deshalb ist Wehrhaftigkeit im Inneren nicht weniger wichtig geworden. Die deutsche Geschichte hält Lektionen dazu bereit:

Wir können heute an den achtzigsten Todestag von Sophie und Hans Scholl, von Christoph Probst nicht erinnern, ohne auch an den neunzigsten Jahrestag der Machtübertragung an Hitler 1933 zu denken, an den Beginn der Herrschaft des Unrechts und der Gewalt. Und bei diesem Datum müssen wir zugleich an den hundertsten Jahrestag des Hitlerputsches 1923 hier in München erinnern. Die Weimarer Demokratie wurde auch deshalb zerstört, weil die Instrumente zum Schutz der Republik viel zu selten genutzt wurden, weil in Staat, Justiz und Polizei viel zu oft Feinde dieser Demokratie saßen.

In der Bundesrepublik Deutschland sollte es Verfassungsgegnern nicht noch einmal gelingen können, die Demokratie im Innersten anzugreifen. Unsere Demokratie hat starke Instrumente zur Verfügung, um Angriffe von Extremisten abzuwehren: die Möglichkeit, verfassungsfeindliche Parteien und Vereine zu verbieten; Grundrechte werden verwirkt, wenn sie zum Kampf gegen die Demokratie missbraucht werden; die Ewigkeitsklausel, die eine legale Abschaffung der Demokratie ausschließen soll; den Verfassungsschutz. Und dennoch ist auch unsere Demokratie in den vergangenen Jahren stärker unter Druck geraten.

Auch in unserem Land haben Rechtspopulisten und identitäre Extremisten Zulauf. Auch in unserem Land nehmen Hass und Hetze zu, vor allem im Netz. Auch unser Land kennt Hass auf Minderheiten. Auch unser Land ist in den vergangenen Jahren von rassistischen und antisemitischen Anschlägen erschüttert worden. Unvergessen ist die Mordserie des NSU. Unvergessen ist der Mord an Walter Lübcke im Juni 2019. Unvergessen ist der Anschlag auf die vollbesetzte Synagoge in Halle am 9. Oktober 2019. Unvergessen auch die rechtsterroristischen Morde an neun Hanauer Bürgerinnen und Bürgern im Februar 2020. Nur wenige Monate lagen zwischen diesen letzten drei Bluttaten.

Auch in unserem Land werden Kommunalpolitiker, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Mitglieder der Gemeinderäte angefeindet und tätlich angegriffen, zum Aufgeben gezwungen, manche sogar mit dem Tod bedroht. Und auch in unserem Land gibt es verfassungsfeindliche rechtsextreme Gruppierungen, die das sogenannte „System“ stürzen wollen, haben die alten Kampfbegriffe der Demokratiefeinde wie „Altparteien“ und „Systemparteien“ wieder Konjunktur.

All das sorgt mich. Doch die Sorge des Bundespräsidenten allein reicht nicht – auch nicht, wenn viele sie teilen. In den Verbotsinstrumenten des Staates und der Sorge seiner Bürger kann und darf sich unsere Vorstellung von wehrhafter Demokratie nicht erschöpfen. Denn es fehlt darin etwas anderes, etwas ganz Entscheidendes. Eine wehrhafte Demokratie braucht engagierte Bürgerinnen und Bürger, die in ihrem politischen Urteil moralisch klar und fest sind, die sich einsetzen für unser Land, für die Demokratie. Sie braucht demokratiemündige und demokratiefähige Bürgerinnen und Bürger, die die Demokratie als ihre Sache ansehen. Das ist der beste Schutz!

Ich weiß, es gibt in unserem Land Millionen Menschen, die genau das tun, die sich einsetzen, die anderen helfen, die sich engagieren, in Vereinen, bei der Feuerwehr, beim THW, in den Kirchen, Gewerkschaften, den Wohlfahrtsorganisationen, in vielfältiger Weise. Jeder, der an mehr denkt als nur sich selbst, der sich kümmert um andere, dem Fehlentwicklungen in der Gemeinde, in der Region, im Land nicht gleichgültig sind, stärkt das Rückgrat der Demokratie. Ich bin jeder und jedem Einzelnen dieser großartigen Menschen dankbar. Es ist genau dieses Engagement, das den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft stärkt. Und es ist dieser Zusammenhalt, den wir brauchen, um unsere Freiheit und unsere Demokratie zu verteidigen! Mit Blick auf die Welt, so wie sie ist, bin ich überzeugt: Davon brauchen wir in den nächsten Jahren noch mehr!

Die Sehnsucht nach Freiheit und Demokratie, aber auch der Einsatz für Freiheit und Demokratie sind in vielen Teilen der Welt groß. Ich finde, das kann uns Zuversicht geben. Die Ukrainer zeigen uns Tag für Tag mit ihrem Mut und ihrer Tapferkeit, dass eine Demokratie sich wehren kann gegen einen solchen Angriff. Zuversichtlich macht mich auch, dass wir Europäer in dieser Krise gemeinsam und solidarisch handeln. Und ermutigend ist, dass die Wahlen in den Vereinigten Staaten von Amerika und zuletzt in Brasilien all jene gestärkt haben, die für die Demokratie, für die Achtung von Menschenwürde und Menschenrechten, für internationale Zusammenarbeit eintreten.

Diese Sehnsucht nach Freiheit ist es, die viele mutige Menschen heute protestieren und aufstehen lässt gegen die Herrschaft des Unrechts, gegen Diktatur und Unterdrückung. Es gibt auch in unserer Zeit Menschen, die Widerstand leisten, obwohl sie mit dem Tod bedroht sind, die kämpfen für elementare Freiheiten, die Freiheit von Mädchen und Frauen, für demokratische Rechte, für Presse- und Meinungsfreiheit, im Iran, in Belarus, in Myanmar, in China. Und es gibt sie auch in Russland. Auch dort wagen Menschen Widerspruch und auch Widerstand gegen Putins Gewaltherrschaft und sein Regime – und auch gegen den Krieg.

Widerstand besteht oft aus Millionen kleiner Akte des Muts, sagte Swetlana Tichanowskaja im vergangenen Jahr hier in Berlin. Aber viele dieser Menschen riskieren selbst mit solchen kleinen Akten ihre Freiheit, ihr Leben. Sie alle, diese mutigen Frauen und Männer, sie alle sind das andere Gesicht ihres Landes, jenseits von Diktatur und Repression. Solcher Widerstand im Inneren ist oft die einzige Hoffnung auf eine bessere, eine friedliche Zukunft – und gleichzeitig das starke und treibende Motiv. All das zeigt uns: Niemand sollte diese Sehnsucht nach Freiheit und die Kraft der Demokratie unterschätzen!

Genau hier schließt sich der Kreis zur Weißen Rose. Ihr Kampf für Frieden, Freiheit und Menschenwürde, ihr Appell an jede und jeden Einzelnen, Verantwortung zu übernehmen, das ist ihr Vermächtnis und ihr Auftrag auch an uns, die wir in einer Demokratie leben.

Margot Friedländer, die den Holocaust überlebt hat und noch in hohem Alter vor allem jungen Menschen in unserem Land von ihrem Schicksal erzählt, Margot Friedländer sagt dabei oft: „Es ist für Euch!“ Das ist ihr großes Geschenk an uns. Ich verstehe diesen wunderbaren Satz auch als Auftrag an uns. Es ist an uns! Es ist an uns, unsere Demokratie zu schützen! Es ist an uns, das nicht nur zu bekennen, sondern auch danach zu handeln! Es ist an uns, nicht gleichgültig zu sein! Es ist an uns, zu sehen und zu hören!

Und ja, es ist an Ihnen, an Ihnen allen, die hier vor mir sitzen, die jung sind und studieren. Sie werden die Zukunft unseres Landes prägen. So oder so! Durch Hinschauen oder Wegschauen, durch Machen oder Abstandhalten. Lassen Sie sich von niemandem einreden, dass Politik etwas für Karrieristen und Opportunisten sei. Wenn wir die wichtigsten öffentlichen Angelegenheiten den falschen Leuten überlassen, kann nichts Gutes entstehen. Aufrichtigkeit, Menschlichkeit, Herzenswärme, Vernunft und Verantwortung gehören in die Politik, werden dort dringend gebraucht.

Mischen Sie sich also ein in unsere Demokratie! Beteiligen Sie sich an unserer Demokratie! Es gibt so viele Möglichkeiten! Ich will nicht sagen: gehen Sie wählen, das machen Sie sowieso. Aber engagieren Sie sich in demokratischen Parteien, in Vereinen, Initiativen, in der Kommunalpolitik. Seien Sie für andere Menschen da!

Misstrauen Sie denen, die immer schon alles wissen, und denen, deren Farbspektrum auf Schwarz und Weiß beschränkt ist! Seien Sie kritisch, äußern Sie Ihre Meinung! Die Demokratie braucht Kritik! Aber halten Sie auch Ambivalenzen aus, dass vielleicht Dinge eine Weile unklar und unübersichtlich sind, und vor allem: Bewahren Sie sich die Bereitschaft, Fakten zu akzeptieren!

Hören Sie nicht auf Lautsprecher, glauben Sie nicht den vermeintlich einfachen Lösungen! Vertrauen Sie meiner Erfahrung: Komplexe Probleme und einfache Lösungen, das geht selten zusammen, und noch seltener werden daraus gute Lösungen.

Scheuen Sie keine Debatte! Seien Sie streitbar! Aber streiten Sie mit Vernunft und Verstand, so sehr Sie auch für Ihr Anliegen brennen mögen! Bleiben Sie neugierig auf andere Meinungen! Schließen Sie nie grundsätzlich aus, dass Ihr Gegenüber auch Recht haben könnte.

Damit sage ich auch: Suchen Sie das Gespräch auch mit Menschen, die nicht Ihrer Ansicht sind! Ja, ich weiß es und erfahre es häufig: Das ist mühselig. Das ist sogar furchtbar anstrengend. Aber die Demokratie braucht solche Debatten, solange sie nicht von Diffamierung und Verhöhnung oder gar von Hass und Hetze geprägt sind. Das ist jede Anstrengung wert!

Stehen Sie auf und widersprechen Sie, wenn Menschen in ihrer Würde angegriffen werden! Setzen Sie sich dafür ein, dass unser Land ein vielfältiges, weltoffenes ist und bleibt; ein Land, in dem Menschen friedlich zusammenleben können, unabhängig davon, wo sie herkommen, was sie glauben und wen sie lieben! Stehen Sie auf gegen jede Form von Rassismus, Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit! Seien Sie aufmerksam! Schauen Sie nicht weg, wenn Menschen sich zu radikalisieren drohen! Wegschauen hilft der Demokratie nicht.

Setzen Sie sich dafür ein, dass Ihre Kinder und Enkel einen lebenswerten Planeten vorfinden! Um den Klimawandel aufzuhalten, braucht unser Land Sie, Ihre Ideen, Ihren Elan, Ihre Kreativität. Es braucht Ihre Bereitschaft und Ihren Mut für einen wirklich tiefgreifenden Umbau. Es braucht, nein, wir brauchen auch Ihre Ungeduld!

Denken Sie bitte aber auch daran: Demokratische Entscheidungen werden immer wieder auch auf Kompromissen beruhen. Und sie müssen von einer Mehrheit getragen werden. Anders geht es nicht in der Demokratie. Verwirklichen Sie Ihre Träume, mit allen Freiräumen und Chancen, die unsere Demokratie gewährt! Aber geben Sie auch etwas zurück! Die Zukunft der Demokratie hängt nicht nur vom anderen ab, sondern auch von Ihnen – jeder und jedem Einzelnen von Ihnen!

Meine Damen und Herren, liebe Studierende, unser Land braucht Sie, unsere Demokratie braucht Sie: engagierte, leidenschaftliche, wehrhafte Demokratinnen und Demokraten! Unser Land braucht Demokratinnen und Demokraten, die sehen und hören, die sprechen und handeln!

Pflegen Sie das Erbe und das Andenken der Weißen Rose auf die beste Art, die ich mir vorstellen kann: Sorgen Sie mit dafür, dass nie wieder in Deutschland junge Menschen ihr Leben opfern müssen für Freiheit und Humanität. «


Quelle: Bulletin 16-2 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 8. Februar 2023
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