Veröffentlicht am: 13.03.2023 um 06:59 Uhr:

Bundesregierung: Rede des Bundesministers der Verteidigung, Boris Pistorius, zum Bundeswehreinsatz in der Republik Südsudan

Zum Bundeswehreinsatz in der Republik Südsudan hat der Bundesminister der Verteidigung, Boris Pistorius, folgende Rede am 3. März 2023 vor vor dem Deutschen Bundestag in Berlin gehalten...

» Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Seit einem Jahr ist unsere sicherheitspolitische Aufmerksamkeit auf Russland und die Ukraine fokussiert. Das kann niemanden verwundern, das ist angesichts des Krieges und des Leids richtig und notwendig. Und Putin führt nicht nur Krieg gegen die Ukraine, er attackiert gleichzeitig die internationale Ordnung und die Grundlagen des Völkerrechts.

Der Krieg hat zudem ganz konkrete Auswirkungen auf den Globalen Süden, zum Beispiel in Form gestiegener Lebensmittelpreise oder knapper werdender Rohstoffe. Russland spielt außerdem seit Jahren eine immer aktiver werdende Rolle in Afrika, und zwar eine destabilisierende. Vor diesem Hintergrund müssen wir auch unser Engagement für Frieden und Stabilität in der Welt aufrechterhalten und punktuell ausbauen.

Das tun wir in zahlreichen Ländern, aber nirgendwo so engagiert wie in Afrika. Insgesamt reden wir, wenn es um Mali, die Sahelzone und den Südsudan geht, über 1.200 der rund 1.800 Soldatinnen und Soldaten, die Deutschland aktuell in Auslandsmissionen insgesamt im Einsatz hat. Auch das ist richtig und notwendig. Unsere Bundeswehr beteiligt sich seit 2011 in diesem Rahmen am wichtigen Blauhelmeinsatz der Vereinten Nationen im Südsudan. Die Bundesregierung hat nun beschlossen, diesen UNMISS-Einsatz um ein weiteres Jahr zu verlängern. Wir bitten das Parlament daher heute um die Erneuerung des Bundestagsmandats für die deutsche Beteiligung an dieser Mission.

Dieser UNMISS-Einsatz ist, für Deutschland jedenfalls, eine vergleichsweise kleine Mission, für die Menschen im Südsudan aber ist diese Mission einer der wenigen Stabilitätsanker in einer ansonsten katastrophalen Situation. Die Lage im Land ist geprägt von ethnischen Konflikten. Sie entladen sich in massivster politischer Gewalt und im Kampf um karge Ressourcen. Die Berichte sprechen von äußerster Brutalität, von sexualisierter Gewalt, von Gewalt gegen Frauen in unvorstellbarem Umfang.

Fast 90 Prozent der Bevölkerung – neun Millionen Menschen – sind dauerhaft auf humanitäre Hilfe aus dem Ausland angewiesen. Die Lage vor Ort – das kann man gar nicht anders beschreiben – ist erschütternd. Der Friedensprozess, der nach dem Ende des Bürgerkriegs 2018 vereinbart wurde, hat kleinere Fortschritte gebracht, aber er hat tragischerweise bisher nicht annähernd die Fortschritte, die Erfolge gebracht, die nötig wären, um den Menschen wenigstens ein Mindestmaß an Stabilität oder Perspektive zu bringen.

Aber dass uns diese tragischen Berichte überhaupt erreichen – sie sorgen dafür, dass dieses Land und die Lage dort nicht vergessen wird, gerade bei uns nicht vergessen wird –, hat auch mit den deutschen Militärbeobachterinnen und -beobachtern, den Frauen und Männern der Bundeswehr zu tun, die dort Dienst tun. Sie dokumentieren unter schwierigen Bedingungen die Lage vor Ort. Sie sorgen dafür, dass sich die politischen und die bewaffneten Gruppierungen im Land eben nicht völlig unbeobachtet fühlen können. Das schafft in ganz kleinen Ansätzen den Schutz der Bevölkerung, den die UN mit UNMISS leisten will.

Im Dezember nächsten Jahres, also 2024, soll im Südsudan gewählt werden. So sieht es das Friedensabkommen vor, das für diesen Zweck bis zum Februar 2025 verlängert worden war. Gleichzeitig soll der Verfassungsprozess voranschreiten, um ein tragfähiges politisches Gerüst entstehen zu lassen, ein Gerüst, an dem sich das von Fehden zerrissene Land hoffentlich allmählich wird aufrichten können.

Die Uno-Kräfte, zu denen auch unser deutscher Anteil gehört, sind ja vergleichbar gering. Aber sie sind wichtig dafür, dass beide Prozesse, Wahl und Verfassungsgebung, überhaupt stattfinden können. Sie tragen mit dazu bei, Schlimmeres und einen Rückfall in weiteres Chaos und Bürgerkrieg im Land zu verhindern; jedenfalls ist das die Hoffnung – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Die Mission ist dabei hoch angesehen, sowohl im Land selbst als auch in den Nachbarstaaten; auch das ist wichtig. Deutschlands Beitrag wird von den Uno-Partnern sehr geschätzt. Neben der Entsendung von Personal sind wir mit rund 28 Millionen Euro auch größter Beitragszahler im internationalen Peacebuilding-Fonds, der den Friedensprozess unterstützt. Eingebettet ist dieses Engagement in einen starken Beitrag von Entwicklungshilfe in Höhe von rund 300 Millionen Euro und humanitärer Hilfe in Höhe von rund 77 Millionen Euro.

Wenn der Südsudan überhaupt eine Chance haben soll, dann ist es geboten, dass wir uns dort weiter engagieren. Wir haben ein Interesse daran, wir müssen ein Interesse daran haben, dort Flagge zu zeigen, weil unser Einsatz kluge Sicherheitspolitik ist. Jedes Mehr an Stabilität gerade in dieser Region, bedeutet auch ein Mehr an Stabilität für uns in Europa, und „Migration“ ist dabei nur ein Stichwort. Wir können dieses Engagement in dieser Region nicht denen überlassen – das ist der zweite Grund –, denen die Stabilität weitaus weniger am Herzen liegt; man könnte auch sagen, es ist ihnen egal. Wir alle kennen die Aktivitäten Russlands und Chinas an diesen Orten. Schließlich – und nicht zuletzt – geht es ganz schlicht um Humanität. Das Schicksal dieser Menschen kann und darf uns nicht gleichgültig sein.

Wir alle wissen, dass wir den Frieden im Südsudan nicht erzwingen können. Aber wir können den Menschen vor Ort helfen. Wir können ihnen helfen, sich zumindest ein Stück weit in diese Richtung zu bewegen. Wir können ihnen dabei helfen, zu einer Verständigung zu kommen, die eine friedlichere Zukunft ermöglicht oder wenigstens die Perspektive dahin eröffnet. Unsere Soldatinnen und Soldaten tragen dazu bei. Ihnen gilt mein und, ich denke, auch der Dank des ganzen Hauses. Mein ganz herzlicher Dank und mein tief empfundener Respekt für ihren herausragenden und wichtigen Einsatz in einer angespannten Situation unter hochgradig widrigen Umständen!

Ich bitte Sie daher heute darum, unseren Einsatz vor Ort mit einem neuen Mandat zu verlängern. Deutschland übernimmt damit in herausfordernder Zeit weiter Verantwortung in einer wichtigen Krisenregion dieser Welt. Vielen Dank. «


Quelle: Bulletin 27-3 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 6. März 2023

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