Veröffentlicht am: 17.03.2023 um 06:22 Uhr:

Bundesregierung: Rede von Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier zur Ordensverleihung während der „Ortszeit Völklingen“

Zur Ordensverleihung während der „Ortszeit Völklingen“ hat Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier am 9. März 2023 in Völklingen nachfolgende Rede gehalten...

» Was für ein außergewöhnlicher Ort, an dem wir heute zusammenkommen, um Sie, liebe Auszuzeichnende, zu ehren! Die Völklinger Hütte ist viel mehr als ein Denkmal der Industrialisierung, sie ist ein höchst lebendiger Ort für Kunst, für Veranstaltungen, für Begegnungen. Tradition und Moderne, Industriearchitektur und Kultur, das alles verbindet sich hier im Völklinger Weltkulturerbe.

Und heute ist hier Ordenszeit. Heute kann ich das tun, was zu den schönsten Pflichten meines Amtes gehört: Ich freue mich sehr, dass ich Sie, elf außergewöhnliche Frauen und Männer, mit dem Bundesverdienstkreuz auszeichnen darf. Und das persönlich. Das kommt nämlich gar nicht so oft vor. Denn es gibt – zum Glück – viele Menschen in unserem Land, die nicht nur an sich denken, sondern die bereit sind, Verantwortung auch für andere zu übernehmen; die sich engagieren, die anderen helfen, die sich einsetzen. Und so ist es leider nicht immer möglich, dass ich ihnen den Orden tatsächlich selbst aushändigen kann. Dass ich Sie alle heute kennenlernen und Sie für Ihre herausragenden Verdienste ehren darf, das ist mir eine große Freude. Und ich freue mich, dass Sie, liebe Frau Ministerpräsidentin, und Sie, liebe Frau Oberbürgermeisterin, heute hier dabei sind. Diese Feier ist ein schöner Höhepunkt meiner Zeit hier. Ich darf mich bei Ihnen, Frau Oberbürgermeisterin, und bei den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt ganz herzlich für die Gastfreundschaft bedanken!

„Ortszeit Völklingen“, unter diesem Motto standen die drei Tage, die ich hier im Saarland verbracht habe. Wenn ich heute Nachmittag nach Berlin zurückkehre, nehme ich sehr viel mit: viele, viele Eindrücke, Stoff zum Nachdenken und Dankbarkeit für die Gastfreundschaft, die ich und meine ganze Delegation hier erlebt haben.

Eine „Ortszeit“, das ist immer etwas ganz Besonderes für mich. Schon zum sechsten Mal habe ich meinen Amtssitz aus Berlin hinaus ins Land verlegt. Ich habe hier in Völklingen viele Gespräche geführt – mit Ihnen, liebe Frau Oberbürgermeisterin, mit Kommunalpolitikerinnen und Stadträten. Vor allem aber war ich viel unterwegs – das ist mir bei diesen Ortszeiten ganz besonders wichtig: Zeit zu haben für Begegnungen und Gespräche und ganz verschiedene Menschen zu treffen. Ich habe viel darüber gelernt, was die Menschen hier beschäftigt und bewegt. Die Stadt und die gesamte Region sind geprägt von der Stahlindustrie. Die Menschen hier haben immer wieder tiefgreifende Umbrüche erlebt. Jetzt muss ein weiterer Wandel gelingen, hin zu CO2-neutraler Industrie. Aber wie kann das gelingen, und wie kann es bei diesem Wandel gleichzeitig sozial gerecht zugehen? Das treibt die Menschen hier in Völklingen und der gesamten Region um, das habe ich in vielen Gesprächen gehört, und ich bin sicher, das ist auch Thema bei Ihnen an den Abendbrottischen.

Ich habe in den vergangenen Tagen aber auch gehört und gespürt, wie viel Hoffnung, Ideen, Pläne und Träume, wie viel Engagement es hier gibt, und das hat mich zutiefst beeindruckt. Ich habe Stadtteilmütter getroffen, die sich um Menschen kümmern, die neu ankommen in unserem Land; ich war in einem Boxklub, der sich besonders um Jugendliche kümmert und die deutsch-italienische Freundschaft großschreibt; ich war bei Saarstahl, dem wichtigsten Arbeitgeber in Völklingen.

Besonders interessiert hat mich auch, wie es um das Zusammenleben und den Zusammenhalt bestellt ist hier, in dieser Stadt, in die im Laufe der vergangenen Jahrzehnte so viele Menschen aus anderen Regionen Europas zugewandert sind. Und wie es denen geht, ohne die der Aufschwung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg nicht möglich gewesen wäre – den sogenannten Gastarbeitern und ihren Kindern und Enkeln, die heute mit großer Selbstverständlichkeit Teil der Völklinger Stadtgesellschaft sind. Ich freue mich sehr, dass ich einen von ihnen heute auch auszeichnen darf.

Die Rückkehr des Krieges nach Europa, die Pandemie, die steigenden Preise, der Kampf gegen den Klimawandel und unser Aufbruch ins postfossile Zeitalter: All das bewegt die Menschen in unserem Land, bewegt auch Sie hier in Völklingen. Und natürlich interessiert mich, was die Menschen gerade jetzt von Politik erwarten – konkret vor Ort, aber auch von der Landes- und Bundespolitik. Was gibt ihnen Zuversicht? Und wie kann Vertrauen dort, wo es verloren gegangen ist, wiederhergestellt werden? Darüber habe ich auch bei einer „Kaffeetafel kontrovers“ diskutiert, und ich freue mich, darüber auch gleich mit Ihnen sprechen zu können.

Sie alle sind Teil der aktiven, lebendigen Bürgergesellschaft, die ich hier erlebt habe. Einer Bürgergesellschaft, in der Sie sich für andere einsetzen. Ich bin zutiefst dankbar, dass es Frauen und Männer wie Sie gibt überall in unserem Land. Sie, liebe künftige Ordensträgerinnen und Ordensträger, Sie alle tragen dazu bei, dass unser Land trotz aller Herausforderungen zusammenbleibt. Sie engagieren sich, viele von Ihnen seit Jahrzehnten. Sie helfen anderen, die Hilfe brauchen. Und das oft abends oder an Wochenenden. Viele von Ihnen tun das auch noch im Ruhestand.

Ihr Engagement, Ihre Ideen, Ihre Kreativität, Ihre Leidenschaft, all das beeindruckt mich. Ich weiß: Selbstverständlich ist dieses Engagement nicht, auch wenn Sie selbst das vielleicht so sehen mögen. Aber Sie alle schenken unserem Land etwas sehr Kostbares, viel mehr als einfach nur Zeit. Und dafür möchte ich Ihnen aus ganzem Herzen danken!

Sie zeigen uns: Demokratie und Zusammenhalt, das sind keine abstrakten Werte. Demokratie braucht Menschen, die sich an ihr beteiligen, die für sie eintreten, die anpacken, die sich für andere einsetzen. So entsteht Zusammenhalt. So wird Demokratie lebendig. Sie alle, die hier vor mir sitzen, Sie leben das vor. Und damit sind Sie Vorbilder für andere, die sich vielleicht auch überlegen, wo sie in dieser Gesellschaft anpacken können, wo sie ihren eigenen kleinen Beitrag leisten können.

Ich möchte nicht vorgreifen auf das, was ich gleich über jeden Einzelnen von Ihnen sagen darf, wenn ich Ihnen den Orden aushändige. Nur so viel: Ich staune darüber, was Sie alles tun. Sie engagieren sich bei Tafeln, für die Beteiligung in Betrieben, für das friedliche Zusammenleben von Menschen aus verschiedenen Kulturen, für Menschen, die zu uns flüchten, für das kulturelle Erbe in dieser Bergbauregion. Sie unterstützen Menschen, die schwer krank sind, Sie kämpfen für Gleichstellung und Partizipation, Sie setzen sich ein für Integration und für die deutsch-italienische Freundschaft. Welch unglaubliche Bandbreite ist das!

Eines aber verbindet Sie: Sie alle machen unser Land besser und gerechter. Sie leben Zusammenhalt. Sie leben einen Geist des Miteinanders. Und ich bin überzeugt: Von diesem Geist werden wir in den kommenden Jahren noch viel mehr brauchen!

Liebe künftige Ordensträgerinnen und Ordensträger, ich freue mich, Ihnen nun den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland verleihen zu können. Ihnen allen meinen herzlichen Dank und schon vorab meinen herzlichen Glückwunsch! «


Quelle: Bulletin 29-1 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 10. März 2023

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