Veröffentlicht am: 14.05.2023 um 22:57 Uhr:
Bundesregierung: Rede der Bundesministerin des Innern und für Heimat, Nancy Faeser, zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz vor dem Deutschen Bundestag
» Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren Abgeordnete!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Deutschland ist ein Einwanderungsland, und das schon sehr lange. Es war leider ein Fehler, das lange zu negieren. Das hat uns in Schwierigkeiten geführt. Man spürt das auch an allen Ecken und Enden. In der Konsequenz fehlen uns heute Hunderttausende Fachkräfte in verschiedenen Bereichen. Die Bundesregierung macht sich jetzt auf den Weg, das zu ändern.
Es fehlen qualifizierte Kräfte in der Pflege, in der Kinderbetreuung, in der IT-Branche, im Handwerk und in vielen anderen Bereichen. Ende letzten Jahres gab es rund zwei Millionen offene Stellen. Das ist der höchste je gemessene Wert. Das allein zeigt, wie hoch der Handlungsbedarf für uns ist.
Wir spüren diesen Fachkräftemangel im Alltag: Eltern, wenn die Kinderbetreuungszeiten in der Kita auf einmal nicht mehr ausreichen, oder viele, die einen Handwerker, eine Handwerkerin brauchen, um das Dach reparieren zu lassen, und – hier wird es gefährlich – wenn in den Kliniken an entscheidender Stelle Personal fehlt.
Der Fachkräftemangel schadet unserem Land, und er bremst bei wichtigen Zukunftsthemen, etwa beim Klimaschutz. Allein für den Ausbau von Solar- und Windenergie fehlen im Moment über 200.000 Fachkräfte, vor allem Elektriker, Klimatechniker und Informatiker. Das darf nicht so bleiben. Deshalb handeln wir.
Denn – das sage ich in aller Deutlichkeit – wir brauchen mehr Zuwanderung von Fachkräften aus anderen Ländern, um diesen Fachkräftebedarf zu decken. Ja, wir brauchen auch Anstrengungen im eigenen Land. Wir müssen dafür sorgen, dass alle jungen Menschen hier in Deutschland tatsächlich den Weg in den Beruf finden, eine Ausbildung erhalten. Auch bei der Frauenerwerbsquote haben wir noch viel Luft nach oben. Auch das müssen wir fördern. Aber wir kommen um mehr Zuwanderung nicht herum. Wer das nicht wahrhaben will – das will ich in aller Deutlichkeit sagen–, der gefährdet unsere Unternehmen, der gefährdet unsere Wirtschaft, und das gefährdet den Wohlstand unseres Landes.
Wenn Sie nicht auf uns hören – das rufe ich den Kritikern zu –, vielleicht hören Sie dann auf die Arbeitgeberverbände, die nämlich sehr klar sind: „Viele Unternehmen setzen darauf, dass der Zuzug von Fachkräften aus Drittstaaten weiter erleichtert wird.“ Das ist ein Zitat des DIHK-Präsidenten, der ganz deutlich gemacht hat, wo der Bedarf im Moment liegt.
Diese Bundesregierung beendet jetzt den Reformstau von 16 Jahren. Ich darf mich bei den Parlamentariern der Ampelfraktionen, bei der SPD, bei den Grünen und bei der FDP, dafür bedanken, dass wir dieses wichtige Gesetz heute auf den Weg bringen werden.
Wir schaffen heute die Grundlagen, um die Fachkräfte ins Land zu holen, die unsere Wirtschaft dringend braucht, und wir werden gut integrierten und gut qualifizierten Menschen auch ermöglichen, deutsche Staatsbürger zu werden. Denn beides – Fachkräfteeinwanderung und ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht – gehört nun mal zusammen. Das kann man sehr genau auch an klassischen Einwanderungsländern wie Kanada und den USA sehen. Wenn man dort Fachkräfte fragt, beispielsweise in Kanada – ich war mit meinem Kollegen Hubertus Heil vor Kurzem dort –, warum sie nach Kanada kommen, dann sagen viele: Natürlich weil wir hier auch eine Perspektive für die Einbürgerung haben. Menschen machen sich mit ihren Familien auf den Weg in ein neues Leben, und dazu gehört auch eine Staatsangehörigkeit.
Wir dürfen uns nichts vormachen: Deutschland ist für ausländische Fachkräfte bisher eben nicht das Topziel – darüber sollten Sie mal nachdenken –; denn unsere aktuellen gesetzlichen Regelungen sind viel zu bürokratisch, sie bauen hohen Hürden für qualifizierte Kräfte auf, und das wollen wir heute ändern.
Wenn sie die Wahl haben, entscheiden Fachkräfte sich oft für andere Länder, wie die USA und Kanada. Deutschland steht eben mit diesen Ländern in Konkurrenz um die besten Köpfe. Deshalb lohnt es sich, das dortige Einwanderungsrecht sich noch einmal genau anzuschauen und davon zu lernen.
Aus unseren Gesprächen in Kanada haben wir vor allem eines mitgenommen: Um attraktiver zu werden, müssen sich Fachkräfte aus dem Ausland bei uns auch wohlfühlen und willkommen fühlen, meine Damen und Herren der CDU. Dazu gehört auch das gesellschaftliche Klima. Wir brauchen in Deutschland ein sicheres Umfeld und eine echte, gute Willkommenskultur, damit sich Menschen dafür entscheiden, nach Deutschland zu gehen.
Diese Regierungskoalition leitet deshalb einen Kurswechsel ein, damit ausländische Fachkräfte nach Deutschland kommen und hier durchstarten können. Es ist nicht übertrieben, wenn ich sage: Damit schaffen wir eines der modernsten Einwanderungsrechte in der Welt.
Das Wichtigste für den Weg nach Deutschland wird auch in Zukunft ein Abschluss sein, der in Deutschland anerkannt ist. Der zweite Weg führt über die Erfahrung. Wer mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im Ausland erworbenen Abschluss hat, kann künftig als Fachkraft kommen. Der dritte Weg steht Menschen offen, die Potenzial für den deutschen Arbeitsmarkt mitbringen, aber noch kein konkretes Angebot haben.
Wir führen eine Chancenkarte ein – auch das ist ein echter Paradigmenwechsel –, die auf einem Punktesystem basiert – ähnlich wie in Kanada, aber nicht gleich; es ist auf Deutschland maßvoll zugeschnitten –, damit wir die Chance haben, im weltweiten Wettbewerb den Kampf um die besten Kräfte zu gewinnen. Das gelingt nur mit einem guten Klima.
Mein Dank gilt vor allen Dingen meinem Kollegen Hubertus Heil, dem Bundesarbeitsminister, für die hervorragende Zusammenarbeit. Vielen Dank dafür! Ich glaube, wir werden gemeinsam viel erreichen können.
Zum Schluss noch mal mein Dank an die Parlamentarierinnen und Parlamentarier – ich mache es diesmal in umgekehrter Reihenfolge –, an die FDP, an Bündnis 90/Die Grünen und an die SPD. Ich bin sicher, wir werden ein sehr modernes, sehr gutes Einwanderungsrecht auf den Weg bringen. Vielen Dank für Ihre Unterstützung! «
Quelle: Bulletin 47-1 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 28. April 2023