Veröffentlicht am: 04.06.2023 um 14:37 Uhr:

Bundesregierung: Rede des Bundesministers der Verteidigung, Boris Pistorius, zum Bundeswehreinsatz in Mali

Zum Bundeswehreinsatz in Mali hat sich der Bundesminister der Verteidigung, Boris Pistorius, vor dem Deutschen Bundestag am 10. Mai 2023 in Berlin wie folgt geäußert...

» Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten!

Seit zehn Jahren sind deutsche Kräfte bei Minusma aktiv. Mehr als 18.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten waren in diesem Zeitraum bisher bei dieser UN-Mission im Einsatz. Gemeinsam mit unseren internationalen Partnern haben wir in dieser Zeit darauf hingearbeitet, wieder ein sicheres Umfeld in Mali herzustellen, die Staatlichkeit in Mali zu stärken und zu einer demokratischen, politischen Transition beizutragen. Und wir haben versucht, darauf hinzuarbeiten, die Zivilbevölkerung besser zu schützen und dabei die Menschenrechte zu stärken.

Leider müssen wir jedoch feststellen, dass die Voraussetzungen für den Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten immer weniger gegeben sind. Die ohnehin angespannte Sicherheitslage verschlechterte sich weiter. Zugleich stellt uns die politische Entwicklung in Mali vor immer größere Herausforderungen. Das Verhalten der Transitionsregierung in Mali hat zunehmende Beschränkungen und Auflagen für Minusma und für unsere Kräfte nach sich gezogen. Dies macht eine Fortführung der Mission in der bestehenden Form praktisch nicht mehr sinnvoll.

Unsere Soldatinnen und Soldaten leisten bei Minusma herausragende Arbeit unter schwierigsten Bedingungen zum Schutz der Zivilbevölkerung. Davon habe ich mir kürzlich während meines Besuches in der Region zusammen mit der Kollegin Svenja Schulze ein eigenes Bild machen können. Dafür möchte ich den Soldatinnen und Soldaten von dieser Stelle aus ganz herzlich danken und ihnen meine große Anerkennung aussprechen.

Unter den jetzigen Bedingungen können sie ihren Beitrag allerdings nicht mehr sinnvoll leisten. Deshalb werden wir unser militärisches Engagement in enger Abstimmung – natürlich – mit den Vereinten Nationen und mit unseren betroffenen Partnernationen schrittweise zurückfahren und den Einsatz nach der heute zur Beratung anstehenden letztmaligen Verlängerung des Mandats bis zum 31. Mai 2024 beenden. Dieses Vorgehen ermöglicht Planungssicherheit für die Vereinten Nationen und unsere Partner. Es ermöglicht und berücksichtigt den malischen Zeitplan für die politische Transition, einschließlich der für Februar 2024 – bisher jedenfalls noch – geplanten Präsidentschaftswahlen. Den Deutschen Bundestag werden wir dabei in bewährter Weise über den Fortgang der Rückverlegung unterrichten; das versteht sich von selbst.

Mit dieser letztmaligen Verlängerung des Mandats beenden wir unsere Einsatzbeteiligung an Minusma. Was wir nicht beenden, ist unsere Zusammenarbeit mit den Staaten in der Sahelregion; sie ist und bleibt wichtig. Wir müssen uns den von der Region ausgehenden Herausforderungen stellen. Terrorismus, staatliche Fragilität, Organisierte Kriminalität, Ressourcenknappheit, bittere Armut und Perspektivlosigkeit treiben Menschen in die Verzweiflung, befeuern Flucht und Migration und betreffen mittelbar oder auch ganz unmittelbar, wie wir es jetzt im Sudan erlebt haben, unsere eigene Sicherheit.

Um Antworten darauf zu finden, müssen wir gemeinsam die richtigen Schlussfolgerungen aus den bisherigen Erfahrungen ziehen. Unser ressortübergreifendes Engagement im Sahel muss im Dienst einer wachsenden Eigenverantwortung der Afrikaner für Sicherheit und Stabilität auf ihrem eigenen Kontinent stehen. Dabei werden wir auch – den Ansatz halte ich für wichtig – die Regionalorganisationen, etwa die Afrikanische Union oder Ecowas, noch stärker in den Blick nehmen – nach den Leitprinzipien „African Ownership“ und, ganz wichtig und von uns vorgelebt, „Partnerschaft auf Augenhöhe“.

Diesen Weg beschreiten wir mit der Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung, mit unseren Instrumenten der Ausbildungs- und Ausstattungshilfe, mit den Beratergruppen, mit den Verbindungsoffizieren und mit unseren Kontingenten in Niger – sowohl im Rahmen der europäischen militärischen Partnerschaftsmission als auch national bei der Beratung nigrischer Streitkräfte. Diese Instrumente und Ansätze will ich weiter stärken – ohne Abkehr von unserem Drängen auf eine demokratische Entwicklung und die Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien.

Sie sehen also: Mit dem geplanten Ende unserer Minusma-Beteiligung zum 31. Mai 2024 endet nur ein Kapitel unseres Engagements in der Region. Andere Kapitel sind bereits aufgeschlagen oder in Vorbereitung – für eine neue Ausrichtung unseres Beitrags zu einer sicheren und stabileren Sahelregion. Um diese Neuausrichtung auch mit Blick auf unseren deutschen militärischen Beitrag in Mali strukturiert und vor allem sicher für unsere Truppe vor Ort vollziehen zu können, bitten wir Sie heute um Zustimmung zu diesem Mandat.

Lassen Sie mich abschließend noch einmal ausdrücklich betonen: Dass diese Mission, dieser Auftrag in Mali dieses Ende nimmt, ist kein Versagen der deutschen Bundeswehr. Es ist kein Versagen der deutschen Soldatinnen und Soldaten. Es ist den Bedingungen geschuldet, mit denen wir es heute zu tun haben und die vor zehn Jahren niemand vorhersehen konnte.

Ich danke noch einmal allen Beteiligten – Ihnen für Ihr Vertrauen – und bitte nach Möglichkeit um Ihre Zustimmung.

Vielen Dank. «


Quelle: Bulletin 53-3 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 11. Mai 2023

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