Veröffentlicht am: 15.08.2023 um 08:22 Uhr:

Bundesregierung: Rede von Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier beim europäischen Jugendfest „Fête de l’Europe“

Beim europäischen Jugendfest „Fête de l’Europe“ hat Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier am 4. Juli 2023 in Dresden nachfolgende Rede gehalten...

» Was ist das für ein schöner Blick von hier oben von der Bühne auf den Dresdner Neumarkt! Kann es einen schöneren Ort geben, um unter freiem Himmel zusammenzukommen und gemeinsam zu feiern? Herzlichen Dank, dass ich dabei sein darf. Herzlichen Dank, lieber Michael Kretschmer für die Einladung. Ich freue mich, dass ich hier bin – guten Tag, Dresden!

Herr Kretschmer hatte es mir prophezeit: Auch nach der Absage des Staatsbesuchs von Emmanuel Macron werde der Platz voll sein, würden die jungen Leute kommen, denn sie sind begeistert, wenn es um Europa geht. Ich bin dankbar, dass Sie alle, dass Ihr alle gekommen seid. Das ist ein wunderbares Signal in unser eigenes Land und nach ganz Europa. Herzlichen Dank, dass Ihr da seid!

Aber ich weiß natürlich, dass hier auf dieser Bühne noch ein weiterer Gast erwartet worden ist. Ein anderer Staatspräsident. Und es tut mir in der Seele weh, dass der lange vorbereitete Staatsbesuch nicht stattfinden konnte. Ich habe am Samstag lange mit Präsident Macron in Paris telefoniert, und ich darf Euch sagen: Auch er bedauert es zutiefst, dass er heute nicht hier sein kann, nicht mit uns gemeinsam feiern kann.

Aber wir wissen, was in Frankreich zurzeit los ist, wir verfolgen die Ereignisse, und ich glaube, wir sollten jetzt und heute sagen: Wie alle Franzosen wünschen wir Frankreich, dass der soziale Friede bald wieder hergestellt ist und dass die Wunden von den Auseinandersetzungen der letzten Tage geheilt werden können.

Als Zeichen der Solidarität lasst uns einen kräftigen Applaus von hier, von Dresden über die Elbe, über den Rhein an die Seine, nach Paris, an alle Franzosen schicken!

So ein Staatsbesuch, der verlangt seine Vorbereitungen, das habe ich eben angedeutet. Ich weiß nicht mehr genau, wann ich das erste Mal mit Präsident Macron über den Besuch in Deutschland gesprochen habe. Es dürfte fast ein Jahr her sein. Ich sage das nur deshalb, weil es sein Wunsch von Anfang an war, auch Dresden zu besuchen, als erster Staatspräsident Frankreichs nach Ostdeutschland zu kommen, hier sich einen Eindruck zu verschaffen, wie sich Ostdeutschland entwickelt hat, und gleichzeitig an den Ort zu kommen, wo die Menschen dafür gesorgt haben, dass der Eiserne Vorhang fiel. Heute liegt Dresden im Herzen der Europäischen Union, und gerade die wiederaufgebaute Frauenkirche ist ein Symbol des Friedens und der Einheit Europas. Und wenn heute, wie wir es gerade gehört haben, Chöre aus Deutschland, aus Polen und aus Tschechien gemeinsam die Ode an die Freude, Europas Hymne singen, dann ist das ein ganz besonderer Moment, der tief unter die Haut geht.

Manche mögen Zweifel haben, ob dieser Kontinent, ob Europa den großen Herausforderungen unserer Zeit wirklich gewachsen ist. Und es stimmt ja: Unsere Geschlossenheit und unsere Entschlossenheit werden in diesen Tagen, in diesen Wochen und Monaten auf eine harte Probe gestellt. Wir leben in Zeiten von Umbrüchen. Wir leben in Zeiten des Wandels. Wir leben in einer Zeit, in der sogar der Krieg nach Europa zurückgekehrt ist.

Aber ich bin auch hier, um daran zu erinnern: Europa ist nicht mit Angst und mit Zweifeln geboren. Europa ist das Ergebnis von Mut und Zuversicht derjenigen, die nach dem Zweiten Weltkrieg an eine bessere Zukunft dieses Europas geglaubt haben. Generationen haben daran gearbeitet, dass dieser gemeinsame Kontinent, dass dieses Europa ein Kontinent der Freiheit, der Demokratie und des Friedens wird. Reisen in benachbarte Länder, Begegnungen mit Polen, Italienern und Franzosen, all das ist für uns zur Selbstverständlichkeit geworden.

Aber: Europa ist keine Selbstverständlichkeit. Europa lebt nur, wenn die Menschen dieses Europa wollen, wenn sie sich dafür einsetzen. Dafür brauchen wir Sie – das sage ich insbesondere an die Jüngeren hier im Publikum –, Ihre Neugier, Ihre Weltoffenheit. Sie sind dieses Europa von morgen! Und deshalb, und das liegt mir jetzt wirklich ganz besonders am Herzen: Lassen wir nicht zu, dass dieses Europa von denjenigen zerstört wird, die die Antworten auf die Fragen der Zukunft nur in der Vergangenheit suchen. Die das Gegeneinander wollen, aber nicht das Miteinander. In diesem 21. Jahrhundert können wir die großen Fragen der Zeit, auch den Kampf gegen den Klimawandel, nur gemeinsam lösen. Dafür brauchen wir ein starkes Europa, und meine Bitte ist: Machen Sie dieses Europa so stark wie möglich! Europa ist unsere Zukunft, eine andere haben wir nicht.

Ich wünsche Ihnen allen, die Sie hier auf dem Neumarkt miteinander versammelt sind, ein großartiges Fest, viele Begegnungen, viele Gespräche, viel Spaß miteinander und einen guten Nachmittag und Abend!

Vielen Dank. «


Quelle: Bulletin 77-2 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 5. Juli 2023

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