Foto-Recht

Dürfen Demonstranten von der Presse ohne Einwilligung fotografiert werden?

Der Hamburger Rechtsanwalt Helmuth Jipp gab im fotoMAGAZIN 04/1994 Auskunft über das Recht am eigenen Bild.

Eine Bildjournalistin wird beim Fotografieren einer Demonstration von einigen Teilnehmern beschimpft, sie hätte kein Recht, die Demonstranten abzubilden. Sie drohen mit einer Anzeige, falls ihr Foto in der Presse erscheinen sollte.

Der Unmut der Demonstranten ist zwar verständlich, aber rechtlich unbegründet. Das "Recht zum Fotografieren" ist im Gesetz nicht geregelt. Das Fotografieren selbst kann auch keine Rechte verletzen. Erst durch eine Veröffentlichung können Rechtspositionen tangiert werden.
Da die Teilnehmer der Demonstration offensichtlich keine Einwilligung in eine Veröffentlichung erteilt haben, wäre die Abbildung einzelner Personen unzulässig (§22 KUG). Es sei denn, man würde sie als "Personen der Zeitgeschichte" (§231, Nr. 1 KUG) einstufen. Davon kann aber normalerweise bei Demonstranten nicht die Rede sein.
Die Fotografin kann aber eine Veröffentlichung auch ohne Einwilligung der "Betroffenen" durchsetzen, wenn es sich um ein Bild von "Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben", handelt (§231, Nr. 3 KUG). Eine Demonstration ist ein solcher "Vorgang", der sich "öffentlich" abspielt. Und wenn das veröffentlichte Foto den "Gesamtvorgang" oder Ausschnitte daraus – aber eben nicht einzelne Personen – zeigt, entfällt der sonst gesetzlich vorgesehene Bildnisschutz.
Die Reaktion der Demonstranten bleibt dennoch verständlich: Sollte es bei der Demo zu Ausschreitungen kommen, kann die Polizei alle Filme der Fotografin als "Beweismaterial" beschlagnahmen. Hier endet also der ansonsten geschützte Bereich journalistischer Informationsbeschaffung, da es sich um "selbst recherchiertes" Material der Presse handelt. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar 1987 festgelegt, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einzuhalten und eine Beschlagnahme nur bei der "Aufklärung schwerer Straftaten" zulässig sei. Der Vorwurf einer "schweren Straftat" (etwa Landfriedensbruch) ist aber schnell erhoben und kann ungeprüft den Zugriff auf Fotomaterial rechtfertigen.

Quelle: fotoMagazin 04/1994