Veröffentlicht am: 09.03.2025 um 20:04 Uhr:

Bundesregierung: „Es geht um einen fairen und gerechten Frieden“

Die Lage in der Ukraine sowie die Verteidigungsfähigkeit der Europäischen Union stehen im Mittelpunkt des Sondertreffens des Europäischen Rates in Brüssel, an dem auch Kanzler Scholz teilnimmt. Vor der Tagung äußerte er sich in einem Statement zu den anstehenden Beratungen.

» Bundeskanzler Olaf Scholz ist nach Brüssel gereist, um dort an einer Sondertagung des Europäischen Rates teilzunehmen. Im Mittelpunkt der Gespräche steht erneut die Lage in der Ukraine. „Ansonsten geht es natürlich darum, dass wir sicherstellen, dass Europa selbst in der Lage ist, seine Sicherheit weiter zu stärken.” Das sagte der Kanzler in seinem Pressestatement vor dem Beginn der Zusammenkunft.

Das Wichtigste aus dem Statement in Kürze:

Ukraine:

  • Für Bundeskanzler Scholz sei es nun eine der wichtigsten Aufgaben, „die Voraussetzungen für einen gerechten und fairen Frieden zu gewährleisten“. Dazu brauche es neben der weiteren finanziellen und militärischen Unterstützung der EU-Staaten auch die der USA. Bundeskanzler Scholz begrüßte die Bereitschaft von Präsident Selenskyj, zu einer Waffenruhe in der Luft und auf See. Dies könne die Grundlage für einen Waffenstillstand und eine friedliche Entwicklung schaffen.

  • Der Kanzler hob hervor, dass die Ukraine als „souveräne, unabhängige, demokratische Nation“ bestehen bleiben müsse. Das schließe auch eine eigene, wehrfähige Armee ein, die durch Sicherheitsgarantien der Partner abgesichert werde. Auch der Weg des Landes in die Europäische Union könne unverändert fortgesetzt werden.


Verteidigungsfähigkeit Europas:

  • Laut Kanzler Scholz geht es darum, „dass Europa selbst in der Lage ist, seine Sicherheit weiter zu stärken“. Hier seien zunächst die Mitgliedstaaten selbst gefragt. Deutschland bereite sich gerade darauf vor, wesentlich mehr für seine Verteidigung aufzuwenden.

  • Das gleiche müsse auch Europa tun. Daher begrüßte Scholz die Vorschläge der EU-Kommission zur Finanzierung der europäischen Verteidigung. Europa müsse aber auch langfristig in der Lage sein, genügend für die Verteidigung auszugeben. Dafür brauche es „eine Anpassung des Regelwerks“, damit die Mitgliedsstaaten Spielräume für ihre langfristigen Investitionen in Verteidigung und Sicherheit hätten.


Lesen Sie hier die Mitschrift des Statements:

Bundeskanzler Olaf Scholz:

Einen schönen guten Tag! Wir kommen heute in Europa zu einem sehr wichtigen Zeitpunkt zusammen. Wir müssen sicherstellen, dass die Ukraine weiter unterstützt wird. Das ist eine Aufgabe, über die es heute auch beim Europäischen Rat viel miteinander zu besprechen gibt.

Aus meiner Sicht geht es darum, dass wir zunächst sicherstellen, dass die finanzielle und militärische Unterstützung Europas aufrechterhalten bleibt. Zweitens müssen wir dafür Sorge tragen – mit kühlem und klugem Kopf –, dass auch die Unterstützung der USA in den nächsten Monaten und Jahren weiter gewährleistet wird, weil die Ukraine für ihre Verteidigung auch auf deren Unterstützung angewiesen ist. Das muss auch die wichtigste Aufgabe der nächsten Tage sein, um die Voraussetzungen für einen gerechten und fairen Frieden zu gewährleisten. Für die Ukraine kommt es deshalb darauf an, dass das jetzt geschieht. Gleichzeitig ist es sehr zu begrüßen, dass der ukrainische Präsident auch deutlich gemacht hat, dass er sich vorstellen kann, dass die Waffen jetzt erst einmal schweigen – in der Luft, auf See –, um die Grundlagen für einen Waffenstillstand und eine friedliche Entwicklung zu schaffen.

Für uns ist auch klar: Das Wichtigste ist, dass die Ukraine als souveräne, unabhängige, demokratische Nation bestehen bleibt. Auch das wird eine Aufgabe sein, der wir uns hier zu widmen haben, insbesondere, indem wir noch einmal bekräftigen, dass der Weg der Ukraine in die Europäische Union unverändert fortgesetzt werden kann und wir unsere Unterstützung dafür gewährleisten, aber auch, indem wir sicherstellen, dass eine demokratische und souveräne Ukraine über eine starke Landesverteidigung, eine starke Armee verfügt. Das wird sie aus eigener Kraft nicht bewerkstelligen können. Das ist sehr offensichtlich. Deshalb wird die Unterstützung der europäischen Freunde der Ukraine – innerhalb der Europäischen Union, aber auch insgesamt in Europa und der NATO –, aber auch der internationalen Partner und der transatlantischen Partner auch in Friedenszeiten weiter zentral sein. Dabei geht es dann darum, es wirtschaftlich möglich zu machen, dass die Ukraine so ausgestattet ist, dass sie trotz ihrer kleineren Volkswirtschaft über eine starke Armee verfügt, um sich selbst zu verteidigen. Sicherheitsgarantien müssen darum herum gestaltet sein. Das ist die Kernaufgabe.

Ansonsten geht es natürlich darum, dass wir sicherstellen, dass Europa selbst in der Lage ist, seine Sicherheit weiter zu stärken. Wir haben, soweit wir in der NATO sind, längst verabredet, dass wir als einzelne Mitgliedstaaten zwei Prozent unserer Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben. Deutschland tut das bereits und wird das in den nächsten Jahren auch tun. Aber es ist notwendig, dass wir alle gemeinsam das jetzt endgültig hinbekommen und auch die zusätzlichen Anforderungen erfüllen, die wir im Zusammenhang mit unserer gemeinsamen Verteidigung haben. Das bedeutet, wir müssen die Fähigkeitsziele der NATO erfüllen können. Darum ist es notwendig, dass national, aber auch in Europa die notwendigen Entscheidungen getroffen werden.

Deutschland bereitet sich darauf vor, dass es seine finanzielle Kraft stärkt, auch durch Veränderungen der Verfassung – Sie kennen die entsprechende Diskussion –, sodass wir die notwendigen Aufwendungen für Verteidigung, aber auch die notwendigen Aufwendungen für die Stärkung unserer Volkswirtschaft und der Infrastruktur tatsächlich tätigen können.

Für Europa gilt das Gleiche. Deshalb ist es zu begrüßen, dass die Europäische Kommission hierfür ganz konkret Vorschläge macht, die es ermöglichen, dass Mitgliedstaaten, die das benötigen, zusätzliche Kreditaufnahmemöglichkeiten bei der Europäischen Union haben und dass darüber diskutiert wird, wie die Staaten selbst ihre Verteidigungsanstrengungen ausweiten können, ohne durch europäische Regeln im Hinblick auf ihre fiskalischen Rahmenbedingungen daran gehindert zu sein. Auch dafür liegen Vorschläge der Kommission vor. Ich bin aber dafür, dass wir die Diskussion jetzt nicht nur für die nächsten ein oder zwei Jahren führen, sondern dass wir langfristig sicherstellen, dass die Staaten so viel für Verteidigung aufwenden können, wie sie es selbst und gemeinsam mit ihren Freunden und Bündnispartnern für richtig halten. Deshalb müssen wir auch langfristig zu Veränderungen des Regelwerks in Europa entlang dessen, was wir in Deutschland gegenwärtig diskutieren, kommen. Ich jedenfalls halte das für zentral.

Ansonsten wird es darum gehen, dass wir unsere europäische Rüstungsindustrie stärken, indem wir ihr mehr Freiraum geben, miteinander zu kooperieren, und die Beschaffung einfacher machen.

Es sind also wichtige Dinge, die hier besprochen werden und um die es gehen wird.

Ein letzter Satz: Europa ist der stärkste Wirtschaftsraum der Welt mit seinen eigenen Möglichkeiten. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir, gerade wenn es um Zölle geht, klar dabei sind, wie wir in dieser Angelegenheit agieren, nämlich geschlossen und entschlossen. Auch das ist im Hinblick auf die Diskussion mit den Vereinigten Staaten von Amerika unabdingbar.

Fragerunde im Anschluss

Frage:
Herr Bundeskanzler, was halten Sie von der Idee, den atomaren Schutzschirm Frankreichs auf Europa auszudehnen?

Bundeskanzler Scholz:
Wir sind in der NATO miteinander verbündet. Dafür gibt es ganz konkrete Regeln. Dazu ist insbesondere wichtig, was wir an nuklearer Teilhabe haben, die in Deutschland organisiert ist. Ich denke, es ist die gemeinsame Auffassung aller zentralen Parteien in Deutschland, dass das nicht aufgegeben werden soll.

Frage:
Herr Bundeskanzler, Ihrem polnischen Amtskollegen gehen die Vorschläge der Kommission zur Wiederaufrüstung nicht weit genug. Teilen Sie diese Einschätzung?

Bundeskanzler Scholz:
Ich sagte, dass wir dafür Sorge tragen müssen, dass wir als Mitgliedstaaten langfristig in der Lage sind, genügend für Verteidigung aufzuwenden. Deshalb ist es gut, wenn die Kommission jetzt Vorschläge macht, die auch die nächsten ein, zwei Jahre helfen. Aber wir brauchen eine langfristige Anpassung des Regelwerks, um die Staaten selbst in die Lage zu versetzen, dass sie Spielräume für ihre langfristigen Investitionen in Verteidigung und Sicherheit haben.

Zusatzfrage:
Wären auch gemeinsame Schulden wie Eurobonds eine Option?

Bundeskanzler Scholz:
Die Position Deutschlands in dieser Frage ist traditionell bekannt und wird sich nicht sehr ändern.

Frage:
… (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich) sehr weit weg von … (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich) gerade in der Ukraine … (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich) oder braucht man noch mehr Zeit?

Bundeskanzler Scholz:
Es ist ganz wichtig, dass wir sicherstellen, dass die Ukraine keinen Diktatfrieden akzeptieren muss, sondern dass es um einen fairen und gerechten Frieden geht, der die Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine sicherstellt. Deshalb die konkreten Vorschläge, dass die Waffen in der Luft und auf See erst einmal schweigen sollen und dass die Energieinfrastruktur nicht weiter gefährdet wird. Das kann die Ausgangsbasis für Gefangenenaustausch und die Rückführung entführter Personen sein. Damit kann dann auch die Basis für einen Waffenstillstand gelegt werden. Dieser muss aber die Bedingungen erfüllen, die ich eben schon genannt habe. Dazu gehört aus meiner Sicht eine starke ukrainische Armee auch in Friedenszeiten. Das wird unsere zentrale Aufgabe sein.

Frage:
Herr Bundeskanzler, widersprechen Sie Merz, dass es zumindest Gespräche mit Großbritannien und Frankreich … (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

Bundeskanzler Scholz:
Diese Gespräche gibt es immer. Es bleibt aber trotzdem dabei, dass wir uns gemeinsam dem NATO-Konzept verpflichtet fühlen, und das ist Ihnen bekannt. Das ist auch im Interesse der gemeinsamen Sicherheit in Europa.

Frage:
Herr Bundeskanzler, was sagen Sie zur Aussage von Friedrich Merz, „whatever it takes“, nachdem er im Wahlkampf etwas anderes gesagt hat?

Bundeskanzler Scholz:
Ich bin sehr froh darüber, dass jetzt ein Konsens darüber zu wachsen scheint – er benötigt ja eine Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag, hat also verfassungsändernde Qualität, dass wir mehr Geld für die Förderung unserer Wirtschaft und für Verteidigung ausgeben müssen und dass das nicht auf Kosten des sozialen Zusammenhalts und der Modernisierung unseres Landes gehen darf. Diese Dinge sind nun Konsens. Das gefällt mir. Denn schließlich habe ich die letzte Regierung beendet, weil es nicht möglich war, diesen Konsens im Hinblick auf die notwendige Unterstützung der Ukraine durchzusetzen, also einen zunächst einmal für das laufende Jahr viel kleineren Betrag.

Aber das war klar und ist auch meine klare Aussage in den politischen Debatten vor der Bundestagswahl gewesen. Wir brauchen genau das, was wir jetzt gerade tun.

Ich danke Ihnen allen für Ihre vielen Fragen. Schönen Dank! «


Quelle: Pressemitteilung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 6. März 2025

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