Veröffentlicht am: 02.05.2025 um 09:22 Uhr:

Bundesregierung: Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz beim Global Disability Summit

Beim Global Disability Summit am 2. April 2025 hat Bundeskanzler Olaf Scholz folgende Rede in Berlin gehalten

» Majestät,
sehr geehrter Herr Dr. Kabbara,
sehr geehrte Ministerinnen und Minister, Exzellenzen,
meine Damen und Herren,

„Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Diese Vorgabe gilt hier in Deutschland als Teil unseres Grundgesetzes seit mittlerweile 30 Jahren. Und seit 2009, dem Jahr, in dem Deutschland das Übereinkommen der Vereinten Nationen (UN) über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ratifiziert hat, arbeiten wir daran zu gewährleisten, dass auch die internationale Zusammenarbeit Menschen mit Behinderungen einschließt und ihnen zugänglich ist.

In unserem Grundgesetz ebenso wie in dem UN-Übereinkommen wird etwas betont, das eigentlich für jeden Menschen offensichtlich sein sollte: Inklusion ist ein grundlegendes Menschenrecht. Es leitet sich unmittelbar von der Würde ab, die jeder Person aufgrund ihres Menschseins innewohnt. So offensichtlich dies jedoch auch sein mag, Gleichstellung bleibt eine globale Herausforderung.

Menschen mit Behinderungen sind trotz der Fortschritte der letzten Jahre nach wie vor mit systemischen Hürden konfrontiert. Sei es Bildung oder Beschäftigung, Gesundheitsversorgung oder politische Teilhabe, Zugang zu Technologien oder soziale Integration – die Herausforderungen sind riesig und hängen häufig miteinander zusammen. Gemeinsames Handeln ist jetzt so wichtig wie eh und je.

Vor diesem Hintergrund ist es mir eine Ehre, heute den dritten Global Disability Summit hier in Berlin eröffnen zu dürfen – gemeinsam mit unseren Mitveranstaltern, dem Haschemitischen Königreich Jordanien und der International Disability Alliance. Majestät, ich möchte Ihnen danken, dass Sie zur Eröffnung des Gipfeltreffens nach Berlin gereist sind. Ihre Anwesenheit ist Zeichen der tiefgreifenden und vertrauensvollen Partnerschaft zwischen unseren beiden Nationen.

Jordanien hat in der Region eine echte Vorreiterrolle inne, wenn es um die Inklusion von Menschen mit Behinderungen geht. Ein Teilaspekt unserer engen Partnerschaft mit Jordanien besteht in unserer Zusammenarbeit, um einige der sehr konkreten Verpflichtungen umzusetzen, die wir auf dem Global Disability Summit 2025 präsentieren. Unter anderem möchten wir beispielsweise inklusive Bildung gewährleisten – ein Punkt, der mir besonders am Herzen liegt. Wir werden zusammenarbeiten, um zu ermöglichen, dass Tausende Kinder mit Behinderung in Jordanien – ebenso wie ihre Mitschülerinnen und Mitschüler, die nicht mit einer Behinderung leben – von einem inklusiven Lernumfeld profitieren.

Ich möchte außerdem die International Disability Alliance sowie alle Organisationen, die sie vertritt, herzlich begrüßen. Sehr geehrter Herr Dr. Kabbara, vielen Dank, dass Sie dieses Gipfeltreffen gemeinsam mit uns ausrichten, und vielen Dank für Ihre herausragende Arbeit.

Der einzigartige Wert unseres Treffens besteht darin, dass hier Regierungen, Zivilgesellschaft, Privatsektor und internationale Organisationen mit denjenigen zusammenkommen, die im Kontext unserer gemeinsamen Sache am wichtigsten sind: Menschen mit Behinderung. Ihre Stimme, ihre Erfahrungen und ihre Wünsche müssen Richtschnur sein für unsere Verhandlungen und Entscheidungen hier in Berlin – getreu dem Grundsatz, der auch dem Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vorsteht: „Nichts über uns ohne uns“.

Weltweit lebt über eine Milliarde Menschen, mehr als 15 Prozent der Weltbevölkerung, in irgendeiner Form mit einer Behinderung. Diese große Gruppe von Menschen in Entscheidungsprozesse, soziale Dienstleistungen, Bildung und den Arbeitsmarkt zu inte-grieren, ist nicht nur ein Akt der Menschlichkeit. Es liegt auch in unserem wirtschaftlichen Interesse. Es ist unsere demokratische Pflicht. Und es ist politisch sinnvoll.

Ich sage das in einer Zeit, in der Diversität, Teilhabe und Inklusion zunehmend infrage gestellt und in manchen Ländern sogar angegriffen werden. Wir sind hier, um ganz klar zu sagen, dass wir das nicht hinnehmen werden. Als Zeichen unserer Entschlossenheit werden wir – erstmalig – ein konkretes Förderziel vereinbaren: „15 Prozent für die 15 Prozent“ lautet die Botschaft der Erklärung von Amman und Berlin über die weltweite Inklusion von Menschen mit Behinderung.

Akteure, die sich dieser Erklärung anschließen, verpflichten sich, ihre internationalen Entwicklungsprogramme inklusiv zu gestalten und sie Menschen mit Behinderungen zugänglich zu machen. Und sie werden darauf hinwirken, dass mindestens 15 Prozent der internationalen Entwicklungsprogramme, die auf einzelstaatlicher Ebene umgesetzt werden, die Inklusion von Menschen mit Behinderungen ebenfalls als klares Ziel formulieren. Ich möchte mich bei allen Delegationen bedanken, die diese Erklärung bereits unterzeichnet haben, und alle anderen ermutigen, sich uns anzuschließen.

Durch das UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen wurde unser Blick dafür geschärft, was es bedeutet, mit einer Behinderung zu leben. Es geht nicht vorrangig um individuelle Aspekte wie körperliche Beeinträchtigungen, sondern vielmehr um den Umgang mit Hürden – seien sie gesellschaftlicher oder physischer Art.

In Deutschland haben wir kürzlich eine Regierungsinitiative zur Förderung der Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen in allen Politikbereichen gestartet. Wir arbeiten an einem verbesserten Zugang für Menschen mit Behinderung zu unserem Arbeitsmarkt, indem wir unabhängige Beratung anbieten und die Lohnkosten bezuschussen.

Doch die Förderung unteilbarer Menschenrechte ist immer eine globale Aufgabe, die wir nur gemeinsam meistern können. Deshalb sind wir alle heute hier in Berlin. Machen wir dieses Gipfeltreffen zu einer Plattform für Dialog, für Zusammenarbeit und vor allem für konkretes Handeln. Lassen wir die abstrakten Debatten hinter uns und konzentrieren wir uns auf das, worum es im Kern geht: die Hürden abzubauen, mit denen Menschen mit Behinderung konfrontiert sind. Und ich möchte hinzufügen: in jedem unserer Länder und überall auf der Welt.

Vielen Dank. «


Quelle: Bulletin 26-4 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 7. April 2025

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