Veröffentlicht am: 15.02.2022 um 09:16 Uhr:

Bundesregierung: Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Klimaschutz, Dr. Robert Habeck

..., eingangs der Befragung der Bundesregierung vor dem Deutschen Bundestag am 26. Januar 2022 in Berlin:

» Liebe Frau Präsidentin!
Sehr geehrte Damen und Herren!

Vielen Dank, dass ich einleitend zu der Befragung ein paar Bemerkungen machen darf. Die deutsche Wirtschaft – man kann sagen: die globale Wirtschaft; aber natürlich auch die deutsche Wirtschaft – befindet sich in einer opaken Phase. Es ist nicht ganz leicht, eine allgemeine Prognose zu geben. Viele Branchen haben sich gut erholt. Die Industrie wächst und hat volle Auftragsbücher, andere Branchen haben erhebliche Probleme durch die Einschränkungen wegen der Omikron-Variante. Deswegen hat die Bundesregierung ihre Hilfsprogramme fortgesetzt und fortgeschrieben.

Sie werden es vielleicht gestern den Medien entnommen haben, dass wir über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds Galeria Karstadt Kaufhof mit 220 Millionen Euro unterstützen und so dafür sorgen, dass 16.500 Beschäftigte in Lohn und Brot bleiben können und ungefähr an 130 Standorten diese für viele Innenstädte zentrale Einrichtung diese Krise überlebt. Wir hoffen, dass Galeria Karstadt Kaufhof danach in sicheres und gutes Fahrwasser kommt.

Wir haben außerdem die Überbrückungshilfe IV erstmalig schon vor der Ministerpräsidentenkonferenz Anfang dieses Jahres freigeschaltet und auch die Neustarthilfen sind freigeschaltet. Die Nachfragen sind erheblich und zeigen, wie wichtig dieses Überbrückungsinstrument ist. 3.500 Unternehmen und 26.000 Soloselbstständige haben bereits Anträge mit einer Fördersumme von insgesamt 270 Millionen Euro gestellt.

Erlauben Sie mir aus gegebenem Anlass auch noch kurz auf die Abläufe und die Entscheidung, was die energetische Gebäudesanierung angeht, einzugehen. Am 4. November letzten Jahres hat die alte Bundesregierung angekündigt, dass die Förderung der Gebäudesanierung Ende dieses Monats ausläuft. Das hat zu einem in der 74-jährigen Geschichte der Bank der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) beispiellosen Antragsschub und -boom geführt, sodass alleine bis Neujahr 6,2 Milliarden Euro für Gebäudesanierung ausgeschüttet wurden. Im Rahmen der vorläufigen Haushaltsführung sind für diesen Januar noch einmal fünf Milliarden Euro eingestellt worden. Von diesen fünf Milliarden Euro sind etwa 3,2 Milliarden Euro vor dem Wochenende belegt gewesen; es gibt also einen Rest von etwa 1,8 Milliarden Euro. Dem gegenüber standen Anträge in Höhe von 7,2 Milliarden Euro; das sind die Anträge, die noch nicht belegt waren. Insgesamt 24.000 Antragsteller, davon betreffen rund 20.000 Wohngebäude, beantragten diese 7,2 Milliarden Euro.

Die KfW-Bank hat uns das mitgeteilt, und entsprechend hat das Bundeswirtschaftsministerium am 19. Januar einen Antrag für eine Verpflichtungsermächtigung beim Bundesfinanzministerium eingereicht. Dieser ist abgelehnt worden, weil die Analyse ist – ich gehe gleich noch darauf ein –, dass es hier eine Überförderung gibt; anders lassen sich diese hohen Antragszahlen wohl kaum begründen. Am 20. Januar ist das also abgelehnt worden. Der Vorstand der KfW konnte in der Situation nicht anders entscheiden, als das Programm über das Wochenende vom Markt zu nehmen, weil man sonst weiter ungedeckte Haushaltsversprechen gegeben hätte.

In der Staatssekretärs- und auch in der Ministerrunde – wir hatten ja Kabinettsklausur – wurde parallel darüber beraten, wie damit weiter umzugehen ist. Es wurde sich auf Eckpunkte geeinigt. Diese Eckpunkte werden jetzt mit den Fraktionen abgesprochen. Dann soll sehr zeitnah eine Perspektive eröffnet werden, wie die Gebäudesanierung weiter aufgesetzt wird.

Für die Damen und Herren, die in der Hoffnung auf die Zuschläge jetzt Anträge gestellt haben, ist das eine wirklich bittere Nachricht; das muss man tatsächlich so sagen. Andererseits ist es so, dass es bei den Summen – die 7,2 Milliarden sind der Stand bei Abschaltung der Homepage; wir hätten sonst einen Hochlauf auf zweistellige Milliardenbeträge erwartet – haushalterisch durchaus geboten ist. Der Kollege Finanzminister hat aus meiner Sicht an der Stelle richtig gehandelt.

Um das kurz zu begründen, erlauben Sie mir einen Blick auf die Programmentwicklung insgesamt. Das Programm, über das wir gerade reden, wurde 2010 eingeführt. Damals wurden 4.000 Anträge für das Effizienzhaus (EH) 55 gestellt und bewilligt. 2015 waren es dann 13.000, 2020 waren es 78.000, und im letzten Jahr waren es 120.000 Anträge, die gestellt und bewilligt wurden. Man sieht an diesem Hochlauf – das Programm ist jetzt zwölf Jahre alt –, dass das KfW-EH 55 Standard geworden ist.

Deswegen erlauben Sie mir noch grundsätzliche Aussagen zur Förderpolitik und zur Subvention insgesamt: Sie wissen, dass wir auch angesichts des Jahreswirtschaftsberichts immer mit dem Terminus Sozial-ökologische Marktwirtschaft arbeiten. Ich weise darauf hin, dass auch der zweite Teil dieser Wortverbindung gelesen werden muss, nämlich „Marktwirtschaft“. Subventionen sind immer da geboten, wo Märkte nicht funktionieren. Subventionen sind die Ultima Ratio der Wirtschaftspolitik, und da, wo Märkte funktionieren oder gar erhitzt sind, fördert man mit Subventionen die Inflation. Also muss man immer wieder überprüfen, wo Überförderung stattfindet und wo Subventionen nicht nötig sind.

Dass im November ein Fehler begangen wurde, ist, denke ich, offensichtlich. Dass dieser Fehler jetzt abrupt und unter der Notlage der Abrufung so brutal korrigiert wurde, ist ärgerlich und soll sich auch nicht wiederholen; aber es ist durchaus in der Sache zu begründen.

Ein letzter Satz. Dass Kritik an diesem Abbruch von denjenigen kommt, die strikt darauf drängen, dass die Schuldenbremse gewahrt wird, und die beklagen, dass Mittel für diese Gebäudefinanzierung aus dem Energie- und Klimafonds kommen, macht tatsächlich logisch wenig Sinn.

Man kann also viel lernen in dieser Situation, und zwar unter anderem, dass man bei Subventionen immer auch das Ende mitbedenken muss. Das werde ich in meiner Amtszeit streng berücksichtigen. Man kann aber auch lernen, dass Konsistenz in der Politik manchmal ein rares Gut ist. Vielen Dank. «


Quelle: Bulletin 09-1 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 27. Januar 2022

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