Veröffentlicht am: 20.08.2023 um 09:57 Uhr:
Bundesregierung: Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Klimaschutz, Dr. Robert Habeck, zum LNG-Beschleunigungsgesetz
» Frau Präsidentin!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Guten Morgen von meiner Seite! Ich danke herzlich, dass wir dieses Gesetz heute beraten. Denn es ist ein Gesetz, das – ich werde es gleich ausführen – erstens aus Sicht der Bundesregierung auch in der Aktualisierung absolut notwendig ist, um die Energieversorgung dauerhaft sicherzustellen. Es ist zweitens ein Gesetz, das ist mir wohlbekannt, das vor Ort – ich rede von Rügen und von Mukran – hochumstritten ist. Deswegen ist es ein Schritt gewesen, dieses Gesetz aufzusetzen. Darüber ist in den Fraktionen strittig diskutiert worden. Ich bedanke mich dafür, dass dieser Schritt gegangen wurde.
Ich will es kurz begründen und ausführen, indem ich einmal über die Notwendigkeit, dann aus meiner Sicht über die Probleme und die Fragen vor Ort und dann über die Zukunft rede.
Einmal die Notwendigkeit. Ich rufe in Erinnerung, dass Deutschland Anfang 2022 55 Prozent seiner Gasversorgung aus Russland bekommen hat, dass Russland dieses Gas nicht mehr liefert und inzwischen drei von den vier möglichen Pipelines – eigentlich zwei; nur Nord Stream 1 war zugelassen – zerstört sind und dass wir durch die Maßnahmen, die wir im letzten Jahr ergriffen haben, also die beiden FSRU-Schiffe in Brunsbüttel und Wilhelmshaven und das private Versorgen mit Flüssiggas vor Lubmin, ungefähr ein Viertel davon ersetzen konnten, nämlich zwölf Milliarden Kubikmeter Gas, die wir jährlich bekommen – 55 Prozent verloren, zwölf Milliarden Kubikmeter bekommen.
Sie sehen daran, dass wir bei Weitem noch nicht durch sind. Dass wir eine stabile Gasversorgungslage haben, liegt an verschiedenen Faktoren, allen voran daran, dass weniger Gas verbraucht wurde. Das noch einmal in Erinnerung rufend, sage ich einen großen Dank an die Bevölkerung und auch an die Unternehmen, die über Fuel Switch Gas einsparen konnten. Natürlich gehört auch dazu, dass wegen der hohen Gaspreise Produktion verloren gegangen ist oder eingestellt oder vorübergehend eingestellt wurde. Darüber darf man nicht hinwegreden. Aber das ist ja ein Argument dafür, sich mit der Gasversorgung weiter zu beschäftigen und nicht zu sagen: Wir sind da schon durch.
Zweitens – und das ist das entscheidende Moment – konnten wir den Winter beherrschbar halten, weil wir vorausschauend agiert haben. Wir haben, schon bevor das russische Gas nicht mehr kam, einen Zugriff auf die Speicher organisiert; davor haben wir einen Zugriff auf die Speicher organisiert. Schon bevor das russische Gas nicht mehr kam, haben wir ein Gesetz verabschiedet, das die Gasversorgungsunternehmen verpflichtet, in den Speichern die Stände hochzuhalten. Bevor das russische Gas nicht mehr kam, haben wir Gespräche mit FSRU-Reedereien aufgenommen und hatten so Zugriff auf die FSRUs, bevor das Gas nicht mehr kam.
Worauf ich hinauswill, ist, dass die Lektion, die wir, denke ich, in den letzten beiden Krisen – Corona und die abgewendete Energiekrise – gelernt haben, ist, dass man sich nicht darauf verlassen sollte, dass alles immer gut geht. Es kann eben auch anders kommen. Es kann auch schiefgehen. Dieses Davordenken, Vorausdenken, das ist die politische Lektion, die wir gelernt haben.
Wenn man das auf die jetzige Situation überträgt, muss man sagen: Stand heute kommen wir sehr gut durch den Winter. Wir sind im Juli. Die Gasspeicher sind über 80 Prozent gefüllt. Wir werden die Raten, die wir erst für den Herbst antizipiert haben, deutlich früher erreichen.
Aber wir dürfen nicht vergessen, was alles passieren kann und was schon passiert ist: Lieferanten könnten ausfallen. Es kann zu Anschlägen kommen. Es kann dazu kommen, dass Terminals nicht mehr funktionieren. Es kann dazu kommen, dass der Winter kälter wird. Es kann dazu kommen, dass Bevölkerung oder Industrie nicht wieder so viel Gas einsparen. All das ist ja möglich, und im gewissen Sinne haben wir es ja auch schon gesehen.
Deswegen meine ich, wir sind noch nicht durch. Wir müssen dieses Vorsorgeprinzip durchhalten und in diesem Sinne auch das LNG-Beschleunigungsgesetz aktualisieren.
Zu der Situation in Mukran. Aus Sicht des Tourismus, aus Sicht des Umweltschutzes, aus Sicht der lokalen Wirtschaft – wobei es da schon Unterschiede gibt –, gibt es berechtigte Fragen und Sorgen. Wie könnte es anders sein, wenn eine für den Naturschutz so wertvolle Insel, ein so schönes Urlaubsgebiet, eine so auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Gegend jetzt mit dieser Frage befasst ist? Ich nehme auch die Sorgen vor einem Lock-in beim Gas – wir bauen eine Überkapazität, und am Ende müssen wir Gas verbrennen, weil wir die entsprechende Infrastruktur geschaffen haben – absolut ernst.
Ich will deswegen sagen in Richtung Mukran, in Richtung Umwelt und Tourismus: Das sind berechtigte Anliegen, die alle beantwortet werden müssen. Die Umwelt muss, so gut es geht, geschützt werden; die Fragen müssen beantwortet werden. Niemand sollte dies abtun. Trotzdem sind wir hier als Bundesgesetzgeber verpflichtet, auf die Energieversorgung und Energiesicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu achten.
In dieser schwierigen Abwägung, meine ich, müssen wir die Sorgen ernst nehmen und auch die Antworten maximal nachhaltig geben. Gleichzeitig dürfen wir nicht in eine politische Handlungsunfähigkeit geraten, wenn wir dieses Vorsorgeprinzip durchhalten wollen.
Meiner Ansicht nach sichert das LNG-Beschleunigungsgesetz, das jetzt in der Novellierung vorliegt, genau das. Es nimmt die Standorte Rostock und Hamburg, die sich, darf ich sagen, im Moment als FSRU-Anlieger für erledigt erklären können, raus; es nimmt Mukran mit rein. Die materiellen Schutzgüter, vor allem Umwelt- und Gewässerschutz, werden nicht tangiert. Es gibt keine Abstriche bei den materiellen Schutzgütern. Was es allerdings sagt, ist, dass die Planungs- und Beteiligungsprozesse beschleunigt werden aus der Notwendigkeit, die ich gerade versucht habe zu begründen.
Drittens zeigt es den Weg in die Zukunft. Die FSRU-Schiffe und die LNG-Versorgung sind nur eine Brücke hin zu einer Wasserstoffversorgung. Diese soll dann auch, wenn gewünscht, in Mukran stattfinden. Die Vorgaben, die Terminals auf Wasserstoff umzurüsten, sind in diesem Gesetz verankert. In dem Sinne ist dieses Gesetzes ein gutes, ein wichtiges, ein richtiges Gesetz, das in der Abwägung die richtigen Vorkehrungen trifft. Die Schutzgüter bleiben erhalten; aber die Planung wird beschleunigt.
Ich danke für die Beratung dieses Gesetzes. «
Quelle: Bulletin 80-1 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 10. Juli 2023