Veröffentlicht am: 28.10.2023 um 02:59 Uhr:
Bundesregierung: Rede der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, Steffi Lemke, zum Antrag „Menschen und Weidetiere schützen – Raubtiere bejagen“
» Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrter Herr Präsident!
Man kann über den Schutz von Weidetierhaltung und den Schutz des Wolfes auf zweierlei Art diskutieren. Man kann es populistisch tun, man kann Anlehnung an Rechtsextremisten dabei nehmen, das Märchen von Rotkäppchen erzählen, und man kann dabei auch falsche Dinge erzählen. Man kann solche Bilder zeichnen wie Sie eben, Herr Otte; das steht Ihnen natürlich alles frei. Man kann behaupten, das Bundesumweltministerium würde die Daten nicht nach Brüssel melden – klar, wenn man in seiner eigenen Organisation noch mit berittenen Boten unterwegs ist. Ich kann Ihnen gerne mein iPad borgen, damit können Sie die Daten nachsehen. Die EU-Kommission greift auf diese Daten zurück; sie werden dort permanent aktualisiert. Von daher kann man unberechtigte Vorwürfe verbreiten, oder man kümmert sich um Lösungen. Und darüber möchte ich jetzt reden.
Die Weidetierhalter haben in der Realität aufgrund der Zunahme der Wolfszahlen in den letzten Jahren ein Problem, das wir lösen müssen. Ich finde, das sollten wir im Bundestag auch gemeinsam feststellen können, um auf dieser Grundlage dann über die Lösungen zu diskutieren. Ich habe angekündigt, dass ich meine Vorschläge zeitnah vorlegen werde, das heißt: noch im September. Symbolpolitik produziert zwar Überschriften, wie sie von dieser Debatte möglicherweise auch für den Landtagswahlkampf in Bayern genutzt werden; aber ich werde Vorschläge machen, wie wir die real existierenden Probleme in den Griff kriegen werden. Diese Vorschläge können hinterher debattiert werden. Sie sollen debattiert werden, ergänzt werden, verbessert werden – all das ist dann möglich. Ich werde meine Vorschläge machen.
Um es noch hinzuzufügen: Ich lebe in einer ländlichen Region, in der der Wolf vorkommt und wo Spaziergänger sagen, dass sie ihn gesichtet haben. Ich bin im Sommer zu einem Schäfer hinausgefahren und habe handfest ausprobiert, wie sich die verschiedenen Zaunhöhen anfühlen, wenn man den Zaun dort tatsächlich setzt, weil ich verstehen will, was es bedeutet, wenn wir von wolfssicheren Zäunen reden. Machen Sie das auch alles, vor allem die, die hier besonders laut schreien. Gehen Sie dorthin, und machen Sie solche Dinge. Machen Sie handfeste Arbeit, das ist gut für Sie!
Die Lösungen, die wir brauchen, müssen vor allem praxistauglich sein. Als ich das Amt übernommen habe, habe ich in der Tat etwas vorgefunden, was nicht praxistauglich ist. Das hatten alle 16 Bundesländer gemeinsam mit den Verbänden aus der Praxis erarbeitet und es dann hinterher „Praxisleitfaden“ genannt. Dann haben die Weidehierhalter in der Praxis feststellen müssen, dass es eben nicht praxistauglich ist. Deshalb werden wir unkomplizierte, praxisnahe und vor allem schnell wirkende Lösungen brauchen.
Diejenigen, die etwas vom Bundesnaturschutzgesetz und von Naturschutzregelungen verstehen, wissen, dass es sehr viel Zeit in Anspruch nehmen wird, wenn wir nach Brüssel gehen und dort auf Lösungen zu diesem Thema warten. Ich möchte, dass wir den Weidetierhaltern schneller helfen, als so lange auf Brüssel zu warten.
Außerdem möchte ich, dass wir einheitliche Regelungen schaffen und den Wirrwarr zwischen den 16 Bundesländern aufheben, der da zum Teil existiert, den die Bundesländer aber nicht zu verschulden haben. Deshalb rede ich mit allen 16 Bundesländern über diese praxistauglichen Lösungen. Wir brauchen unkomplizierte Lösungen. Regionen großflächig einzuzäunen, um wolfsfreie Zonen zu schaffen, das halte ich für keine gute Lösung. Es wäre weder unkompliziert noch realisierbar. Wir werden deshalb gemeinsam mit den Bundesländern und natürlich mit dem Bundestag und mit der Praxis diskutieren, was das Sinnvollste ist. Ich glaube, dass diese Debatte vielleicht noch mal ein Anstoß dafür sein kann, dass wir uns alle auf die Lösungen konzentrieren und weniger auf den Populismus.
Es ist richtig, dass es für alle Weidetierhalter eine schlimme Belastung ist, wenn sie auf die Weide kommen und dort gerissene Tiere vorfinden. Das ist wahr. Aber es ist auch wahr, dass der Wolf ein Säugetier ist, ein Tier, das Schmerzen empfindet, das in einem Familienverband lebt. Deshalb sollten wir nicht das eine gegen das andere aufhetzen.
Vielen Dank. «
Quelle: Bulletin 99-4 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 25. September 2023