Veröffentlicht am: 25.05.2025 um 15:08 Uhr:
Bundesregierung: Rede des Bundesministers für Verkehr, Patrick Schnieder, bei der Aussprache zur Regierungserklärung des Bundeskanzlers vor dem Deutschen Bundestag
» Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Deutschland ist zurück. Wir sind wieder ein verlässlicher Partner – für Europa, für die Wirtschaft, für die Verkehrsbranche. Diese neue Entschlossenheit wird nicht nur international gesehen und geschätzt, sondern auch bei uns, auf unserem Heimatmarkt. Eine aktuelle Umfrage unter mehr als 200 Finanzvorständen deutscher Unternehmen zeigt, dass sich die wirtschaftliche Stimmung in Deutschland gerade wandelt, und zwar zum Positiven. Ein Drittel der Unternehmen haben wir auch mit unserem Finanzpaket dazu bewegt, wieder Investitionen aufzunehmen. Wir selbst sind jetzt finanziell in der Lage, ebenfalls mehr Investitionen anzustoßen.
Für die Verkehrsinfrastruktur heißt das: Jetzt muss es darum gehen, dass dieses Geld auch wirklich schnell verbaut wird. Und damit wir hier endlich schneller vorankommen, werden wir mutiger bei der Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren. Wir werden zum Beispiel Verfahren konsequent digitalisieren und flexibler gestalten. Wir werden ein einheitliches Verfahrensrecht für Infrastrukturvorhaben schaffen. Wir werden Doppelprüfungen abbauen, Stichtagsregelungen einführen, Fristen verkürzen und das Verbandsklagerecht straffen. In einigen Fällen wird das dem einen oder anderen wehtun, aber wir müssen jetzt schneller werden.
Wir alle machen beim Thema Mobilität regelmäßig Erfahrungen, die uns belasten, sei es auf dem Weg zur Arbeit, zur Familie oder in den Urlaub. Hier ein Stau oder eine Verspätung, egal ob es das Flugzeug oder die Bahn ist, dort ein zu voller Bus oder ein unsicherer Radweg, da eine Sperrung der Brücken, die längst aufgehoben sein sollte. Für viele Unternehmen ist der Zustand unserer Infrastruktur sogar existenzgefährdend. Damit dürfen wir uns nicht abfinden, und damit werden wir uns auch nicht abfinden. Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass diese Zustände gar nicht erst entstehen. Das erwarten die Menschen von uns, und zwar zu Recht. Sie sollen die freie Wahl haben, wie sie sich fortbewegen können, und sich darauf verlassen können, dass alle Möglichkeiten gleichermaßen funktionieren, egal ob in der Stadt oder auf dem Land.
Als echtes, als starkes Infrastrukturministerium werden wir uns daher jetzt auf die Kernthemen konzentrieren. Konkret heißt das: Wir beenden den Sanierungsstau bei der Infrastruktur. Viele Brücken, Tunnel, Straßen und Schienen sind marode und müssen dringend saniert werden. Wir setzen auf den Grundsatz „Erhalt vor Neubau“. Wir bringen gemeinsam mit der Autobahn GmbH die Bundesfernstraßen auf Vordermann. Wir schließen Autobahnlücken, binden den ländlichen Raum besser an und sparen somit übrigens auch Abgase und CO2 ein, weil wir den Menschen und Unternehmen Umwege ersparen. Auch das Schließen von Autobahnlücken kann Klimaschutz bedeuten.
An den Klimazielen halten wir ausdrücklich fest. Wir werden jetzt, zu Beginn der Wahlperiode, sehr schnell ein Expertenforum für klimafreundliche Mobilität und Infrastruktur einsetzen, damit wir von Anfang an Wissenschaft, Verbände, Fachleute einbeziehen, wenn es darum geht, welche Wege wir beschreiten und wie wir diese Wege beschreiten, um die Klimaziele einzuhalten.
Eine zentrale Rolle beim Thema „klimafreundliche Mobilität“ spielt natürlich die Schiene. Wir steigern die Investitionen in das Schienennetz; das ist auch dringend notwendig. Denn klar ist: Jede Investition in die Schiene ist aktiver Klimaschutz. Aber klar ist auch: Das System muss wieder funktionieren. Es muss zuverlässig und pünktlich sein, im Interesse der Menschen, aber auch im Interesse dieses Landes. Wir dürfen nicht weiter das Gefühl haben, dass unser Land an vielen Stellen nicht mehr funktioniert. Das gilt gerade auch für das System Schiene. Dafür schauen wir uns in Ruhe an: Wo wollen wir mit der Bahn in fünf, zehn Jahren stehen? Was muss sie leisten? Was erwarten wir? Und welchen Weg müssen wir einschlagen, um genau diese Ziele zu erreichen? Wir machen das besonnen und in der richtigen Reihenfolge.
Wir müssen auch eine Diskussion über Gremien und die Struktur von Gremien führen, gar keine Frage; aber bitte in der richtigen Reihenfolge. Ich beteilige mich an solchen Debatten und an Personaldebatten erst, wenn Ziel und Umsetzung klar benannt sind und wenn auch alle anderen Dinge, die wir ändern müssen – und da ist der Zustand der Infrastruktur sicherlich ein ganz gewichtiger Fall –, geklärt sind und wenn der Weg aufgezeigt ist. Ich bin kein Fan von Schnellschüssen. Wir werden das gründlich und sorgfältig angehen, damit wir auch sicher sind, dass wir das Ziel erreichen.
Das gilt übrigens auch für das Thema Generalsanierung. Wir halten an der Sanierung der Hochleistungskorridore fest. Aber wir werden noch mal genau hinschauen, ob das wirklich in jedem Fall unter Vollsperrung erfolgen muss, so wie das bei der Riedbahnverbindung Frankfurt–Mannheim geschehen ist. Wir werden uns das anschauen, fortlaufend überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Wichtig ist aber, dass unter der Sanierung nicht der Ausbau des Netzes in der Fläche leiden darf.
Mit dem Sondervermögen Infrastruktur erweitern wir unseren finanziellen Spielraum. Mit diesem Geld gestalten wir die Zukunft. Aber die konkrete Ausgestaltung des Sondervermögens ist noch nicht festgelegt. Wir brauchen zunächst ein Errichtungsgesetz, einen Wirtschaftsplan. Darin werden die Details wie die Aufteilung der Mittel, konkrete Zweckbindungen und Zuständigkeiten geregelt werden.
Klar ist aber: Wir unterstützen den öffentlichen Nahverkehr und schaffen eine verlässliche finanzielle Basis für das Deutschlandticket. Das haben wir in der Koalition vereinbart. Wir erhöhen in Zusammenarbeit mit den Ländern und Kommunen die Verkehrssicherheit auf Straßen, auf Fuß- und Radwegen. Wir bekennen uns klar zum Automobilstandort Deutschland und seinen Arbeitsplätzen. Wir setzen beim Automobil auf Technologieoffenheit und auf Fortschritt und Verantwortung bei der Elektromobilität. Wir machen den Luftverkehrsstandort Deutschland endlich wieder attraktiver und wettbewerbsfähig, indem wir Steuern, Gebühren und Abgaben reduzieren. Wir stärken unsere Wasserstraßen, Schleusen, See- und Binnenhäfen und unterstützen den Logistik- und Güterverkehr. Mobilität als Voraussetzung für Lebensqualität und Wohlstand in diesem Land – und Sie sehen das an der breiten Aufstellung der Verkehrsträger – muss für alle bezahlbar, verfügbar und möglichst umweltverträglich sein. Das ist der Auftrag, und wir nehmen ihn sehr ernst.
„Prüft alles, und behaltet das Gute!“, das ist ein Ratschlag von Paulus im ersten Thessalonicherbrief. Ich finde, das ist auch ein guter Ratschlag für unsere Politik. Das heißt: Wir ändern nicht aus Prinzip alles; jegliche Kettensägenrhetorik ist mir fremd. Aber es wird dort durchgreifende Veränderungen geben, wo sie notwendig sind. Da – das ist klar – gibt es keine Schonfrist, aber eben auch keine Schonungslosigkeit.
Vieles bei uns – das muss man auch sagen – läuft gut. Wir können uns zum Beispiel glücklich schätzen, dass wir in einer Demokratie leben, die das Beste für alle Menschen im Sinn hat, und dass wir, egal wie unterschiedlich die politischen Ansichten gewesen sind, einen fairen Regierungsübergang hinbekommen haben. Ich bin jedenfalls sehr dankbar dafür, wie konstruktiv die Amtsübergabe mit Herrn Dr. Wissing und seinem Team abgelaufen ist. Meinem Vorgänger im Amt gebühren Dank und Respekt dafür, dass er in den vergangenen Jahren in schwierigen Zeiten Verantwortung übernommen hat, unabhängig von der politischen Bewertung.
Diese neue Bundesregierung übernimmt jetzt Verantwortung für Deutschland, dafür, dass es für die Wirtschaft und vor allem für die Menschen im Land bergauf geht. Unser Ziel ist es, dass die Bürgerinnen und Bürger das so schnell wie möglich unmittelbar in ihrem Alltag spüren. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass Mobilität etwas sehr Individuelles ist. Wir dürfen nicht den Fehler machen, diese Individualität mit unseren Entscheidungen einzuschränken oder die Bürgerinnen und Bürger zu bevormunden. Wir müssen eine Verkehrspolitik machen, die sich an den Bedürfnissen der Menschen, an den Bedürfnissen der Wirtschaft orientiert. Statt auf abstrakte Ziele setzen wir daher auf echte Verbesserungen für alle Verkehrsträger. Wer für den Weg zur Arbeit auf Bus und Bahn angewiesen ist, soll sich in Zukunft auch wirklich darauf verlassen können, dass das funktioniert. Wer ein Unternehmen in Deutschland hat, muss sich darauf verlassen können, dass die Logistik reibungslos läuft. Wer auf dem Land lebt oder plant, dorthin zu ziehen, muss sich darauf verlassen können, auch dort eine gute Infrastruktur vorzufinden.
All das können wir gestalten. Deshalb bauen wir wieder Vertrauen auf, Vertrauen in eine sichere, gut ausgebaute, gut ausgestattete Infrastruktur, Vertrauen in verlässliche Verkehrswege, egal ob an Land, in der Luft oder auf dem Wasser. Wir bauen Straßen, Schienen und Brücken. Damit bauen wir die Zukunft unseres Landes. Das gehen wir jetzt gemeinsam an, pragmatisch, nicht ideologisch. Dabei setzen wir natürlich weiterhin auf die Digitalisierung, auch wenn sie nicht mehr im Namen unseres Ministeriums steht. Die Digitalisierung bleibt auch im Verkehrssektor ein entscheidender Treiber für vieles, was wir uns für die kommenden Jahre vorgenommen haben.
Ich danke allen, die uns dabei unterstützen: ein Dank an alle Bürgerinnen und Bürger, an alle, die täglich für uns arbeiten, in den Kommunen und Behörden, in den Ingenieur- und Planungsbüros, in den Bauunternehmen und Handwerksbetrieben. Wir zählen auf Sie, und Sie können auf diese Bundesregierung zählen. «
Quelle: Bulletin 35-2 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 16. Mai 2025