Veröffentlicht am: 25.05.2025 um 05:05 Uhr:
Bundesregierung: Rede des Bundesministers der Finanzen, Lars Klingbeil, bei der Aussprache zur Regierungserklärung des Bundeskanzlers vor dem Deutschen Bundestag
» Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Neun Tage ist die neue Bundesregierung nun im Amt. Der Übergang von Olaf Scholz zu Friedrich Merz war geprägt von einer guten Zusammenarbeit zwischen Demokraten. Mit dem Koalitionsvertrag und den zuvor bereits beschlossenen Grundgesetzänderungen haben wir gezeigt, was wir erreichen können, wenn wir in der demokratischen Mitte zusammen handeln und wenn wir Brücken bauen über unterschiedliche Standpunkte hinweg. Es war ein geordneter, ein von Respekt getragener Machtwechsel, den wir hier in Deutschland erlebt haben.
Und ich will betonen: Das ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Wir sehen in vielen anderen Staaten, dass Institutionen, dass die Justiz, die freie Presse, dass individuelle Grundrechte angegriffen werden. Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir hier einen Koalitionsvertrag verabredet haben, der Chancen für unser Land eröffnet, dass wir die Regierungsgeschäfte gut übergeben haben. Das ist ein festes Fundament unserer Demokratie. Ich bin allen dankbar, die daran mitgewirkt haben, und allen voran möchte ich an dieser Stelle Olaf Scholz für seine Arbeit als Bundeskanzler danken.
Und lassen Sie mich das hier auch anfügen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ich möchte meinem Amtsvorgänger Jörg Kukies für das danken, was er in wenigen Monaten alles für unser Land geleistet hat. Ich bin beeindruckt davon, was ich in den ersten Tagen im Finanzministerium erleben durfte. Es sind hochmotivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Deswegen von dieser Stelle aus auch ein Dank an Jörg Kukies und an die vielen Kolleginnen und Kollegen im Finanzministerium, die dafür sorgen, dass unser Land gut funktioniert.
Wir tragen Verantwortung für Deutschland. „Verantwortung für Deutschland“, das ist die Überschrift des Koalitionsvertrages. Wir haben den Anspruch, dass jetzt schnell spürbar wird, dass sich etwas verändert in unserem Land. Wir haben uns vorgenommen, Deutschland schneller, einfacher und gerechter zu machen. Wir wollen diejenigen in den Mittelpunkt stellen, die Verantwortung übernehmen: auf der Arbeit, im Ehrenamt, in den Familien. Wir wollen arbeiten für die hart arbeitende Mitte unseres Landes.
Es sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in den letzten Jahren vieles getragen haben – und die manches, wie etwa eine marode Infrastruktur, ertragen haben. Sie haben das Land in schwierigen Zeiten am Laufen gehalten. Sie verdienen eine Regierung, die ihnen mit Respekt begegnet, und eine Regierung, die hart für sie arbeitet. Das haben wir uns vorgenommen.
Deswegen werden wir investieren in Kitas und in Pflege, in Bildung, in Wohnraum, in sichere Renten. Wir wollen zur Mitte der Legislatur die Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen senken, und wir werden Verbesserungen beim Kindergeld erreichen. Zuallererst gilt aber: Wir müssen unser Land wieder auf Wachstumskurs bringen und müssen die Arbeitsplätze in diesem Land sichern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle sind doch beeindruckt und auch motiviert von den vielen Gesprächen, die wir in unseren Wahlkreisen führen, etwa wenn wir dort mit Menschen, mit Familien reden, die sich nicht sicher sind, ob ihr Arbeitsplatz in wenigen Monaten noch existiert. An den Küchentischen wird darüber geredet, ob man das Haus noch weiter abbezahlen kann, ob die Ausbildung für die Kinder noch weiter finanziert werden kann.
Deswegen sendet dieser Koalitionsvertrag das klare Signal: Wir wollen die wirtschaftliche Stärke unseres Landes wieder nach vorne bringen, die Wettbewerbsfähigkeit stärken. Deswegen ist das Thema Nummer eins im Koalitionsvertrag. Wir wollen die Arbeitsplätze und die wirtschaftliche Stärke in unserem Land sichern. Wir wollen, dass die Wirtschaft, das Handwerk, der Mittelstand, die Industrie gestärkt werden, dass neue Jobs entstehen, dass Wissenschaft und Forschung ein starker Motor für Innovation sind. „Made in Germany“ soll für Qualität, für ein modernes Land, für unsere Zukunft stehen.
Und ich will hier explizit betonen, dass zu einer starken Wirtschaft auch starke Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehören, dass starke Mitbestimmung und starke Gewerkschaften dazugehören. Deswegen ist es richtig, dass wir im Koalitionsvertrag auch schreiben: Wir wollen die Tarifbindung in unserem Land erhöhen. – Das ist ein wichtiger Punkt. Wer etwas leistet, muss auch belohnt werden durch gute Löhne. Und dafür steht mehr Tarifbindung. Deswegen werden wir das in dieser Legislatur umsetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir investieren in Kitas, in Schulen, in Schiene, in Straße, in schnelles Internet, in Klimaschutz, in zusätzlichen Wohnraum, und, ja, wir investieren auch in unsere Bundeswehr. Wir werden unser Land grundlegend modernisieren. Gleichzeitig lösen wir eine neue Dynamik aus; denn Deutschland braucht auch mehr private Investitionen, nicht nur öffentliche.
Wir wollen ganz vorne mitspielen. Deswegen werden wir zeitnah einen Investitionsbooster auf den Weg bringen: Abschreibungen bis zu 30 Prozent in den nächsten drei Jahren. Für Unternehmen werden wir ab 2028 die Körperschaftsteuer senken. Wir werden wichtige Strukturreformen vornehmen. Wir werden die Kosten für Energie senken, Genehmigungsverfahren beschleunigen, Bürokratie abbauen und Fachkräfte mobilisieren. Wir machen unsere Wirtschaft international wettbewerbsfähiger. Wir senden das klare Signal: Deutschland ist ein sicherer Hafen für Investitionen.
Ich möchte das Bundesfinanzministerium zu einem Investitionsministerium machen. 500 Milliarden Euro Sondervermögen, die Ausnahme von der Schuldenbremse bei Ausgaben für Sicherheit und Verteidigung sind dafür eine gute Grundlage. Klar ist aber auch: Tempo zählt! Die Entwürfe für die Umsetzung der Grundgesetzänderung werden aktuell im Finanzministerium erarbeitet. Diese möchte ich gemeinsam mit dem Haushalt 2025 noch vor der Sommerpause hier im Hause vorlegen.
Ich konnte bereits in der letzten Woche mit den Landesfinanzministern darüber sprechen, welchen Weg wir gehen, um die 100 Milliarden Euro für die Kommunen und die Länder auf den Weg zu bringen, und wie wir Investitionen auch tatsächlich mobilisieren. Wie diese Investitionen wirken, werden wir beobachten und eng kontrollieren. Jeder Euro muss richtig ausgegeben werden. Deswegen werden wir im Finanzministerium auch regelmäßig Berichte vorlegen, wie viel und an welcher Stelle investiert wird, und werden mit Expertinnen und Experten darüber beraten, welche Maßnahmen noch getroffen werden können, damit schneller, zielgerichtet und unbürokratisch in unserem Land investiert werden kann.
Wir wollen, dass die Bagger rollen. Wir wollen, dass die Bahn pünktlich kommt. Wir wollen, dass die Faxgeräte in den Ruhestand geschickt werden, unnötige Formulare eingestampft werden. Wir wollen gemeinsam Fortschritte in unserem Land.
Voraussetzung für Investitionen, für Entlastung, für Planungssicherheit ist die zügige Aufstellung der Bundeshaushalte 2025 und 2026. Ich habe es gerade gesagt: Deswegen wird der Haushalt 2025 noch vor der Sommerpause im Kabinett beschlossen und dann hier in das parlamentarische Verfahren eingebracht. Ich weiß, das ist ein ambitionierter Zeitplan; aber gemeinsam werden wir das konstruktiv, solidarisch und gut miteinander hinbekommen. Wir werden auch die Errichtung des Infrastruktur-Sondervermögens über das entsprechende Gesetz parallel zum Haushaltsgesetz 2025 hier im Parlament beraten.
Ich will allerdings auch betonen, dass wir bei all dem, was wir investieren, weiter in der Pflicht sind, auch zu konsolidieren. Der Koalitionsvertrag gibt klar vor, dass alles unter Finanzierungsvorbehalt steht. Wir werden nicht alles sofort angehen können. Wir müssen Prioritäten setzen. Alle Ministerinnen und Minister sind in der Pflicht, in ihren Ministerien zu schauen, zu prüfen und zu entscheiden, wie konsolidiert werden kann. Darauf werde ich als Bundesfinanzminister besonders achten.
Wir brauchen neue Lösungsansätze. Wir brauchen Mut zu Reformen, so wie es mit den Grundgesetzänderungen bereits geschehen ist. Zu den notwendigen Reformen gehört auch, dass wir eine Modernisierung der Schuldenbremse voranbringen, damit wir stabile Staatsfinanzen ermöglichen und über das Sondervermögen hinaus nachhaltig Investitionen in die Zukunft Deutschlands garantieren.
Ich werde deswegen in Kürze eine Expertenkommission einsetzen, die Vorschläge entwickelt, wie diese Modernisierung der Schuldenbremse aussehen kann. Der Deutsche Bundestag und die Bundesländer werden an der Arbeit dieser Kommission selbstverständlich beteiligt sein. Auch hier haben wir einen ambitionierten Zeitrahmen gesetzt: Wir wollen die Ergebnisse noch in diesem Jahr als Gesetz verabschieden, und dafür werden wir hier im Parlament – so ist es verabredet – die notwendigen Mehrheiten suchen.
Mir ist noch ein anderer Punkt wichtig. Meine ersten Tage im Amt waren geprägt von Besuchen in Paris und Brüssel, von vielen Gesprächen mit europäischen und internationalen Amtskolleginnen und -kollegen. Wir werden die europäische Zusammenarbeit auf ein neues Level heben. Ein wettbewerbsfähiges Europa und unsere eigene wirtschaftliche Stärke bedingen sich gegenseitig. Das gilt für unsere Sicherheit, unsere Verteidigungsfähigkeit und unsere Wettbewerbsfähigkeit. Deutschland wird die vertiefte Integration des Binnenmarktes und einen effektiven und investitionsfreundlichen EU-Haushaltsrahmen einfordern. Diesen Weg werden wir gemeinsam mit der Europäischen Kommission und unseren europäischen Freunden gehen.
Auf die Zölle der USA müssen wir als EU geschlossen und entschieden reagieren. Wir haben die Erwartung, dass die Verhandlungen, die die EU-Kommission führt, zu einem guten Ergebnis geführt werden. Aber ich sage hier auch sehr klar: Wir sind vorbereitet, wenn das nicht gelingt.
Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Ich bin der festen Überzeugung, dass es uns gelingen kann, in den nächsten vier Jahren unser Land voranzubringen und unser Land stärker zu machen. Was jetzt zählt, ist eine Regierung, in der miteinander für mehr wirtschaftliche Kraft, für sichere Arbeitsplätze gekämpft wird, die Mut zur Entscheidung beweist und die auf das Vertrauen in die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes setzt, die Leistung wertschätzt, eine Regierung, die selbst gestalten möchte, statt sich den Verhältnissen anzupassen, die mit Teamplay das Vertrauen in unsere Demokratie stärkt. Das ist vielleicht unsere wichtigste Aufgabe.
Wir leben in einem großartigen, in einem starken, in einem vielfältigen Land. Ich bin immer wieder beeindruckt von dem, was die Menschen in unserem Land leisten. Deutschland zieht Kraft aus der Vielfalt. Deutschland zieht Kraft aus dem Miteinander, das wir in unserem Land haben. Unser Land ist so großartig, dass ich es nicht denen überlassen möchte, die ihren politischen Erfolg auf Spaltung, auf Hass, auf Gegeneinander aufbauen. Das ist die Verantwortung, die wir gemeinsam haben.
Ich bin sicher – dieses Angebot möchte ich hier am Ende formulieren –: Wenn wir mit der demokratischen Mitte dieses Parlamentes, egal ob Regierung oder Opposition, zusammenarbeiten, wenn wir bei den wichtigen Weichenstellungen das Gemeinsame suchen, was unser Land voranbringt, dann werden das vier gute Jahre für unser Land. In diesem Sinne biete ich dem Parlament eine Zusammenarbeit an, freue mich auf das Miteinander und viele Weichen, die wir gemeinsam stellen werden.
Herzlichen Dank. «
Quelle: Bulletin 35-1 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 16. Mai 2025