Veröffentlicht am: 09.05.2024 um 17:32 Uhr:
Fotografie: Generation Alukoffer
» Schick, schick - die dezent untergebrachte Fotoausrüstung im Designer-Rucksack oder in der hübschen Fototasche, die auch andere Inhalte beherbergen könnte. Heute verstaut man sein Equipment in modischen Hüllen, die gar nichts mehr zu tun haben mit schnöden Transportbehältern. Kein funktionales Industrie-Design bestimmt das Äußere, sondern eher ein Gucci-, Prada- oder Louis-Vuitton-Look.
Dass das ganz anders sein kann, dokumentieren unendlich viele auf dem Secondhand-Markt angebotene Fotoausrüstungen der 70er- und 80er-Jahre: Der Alukoffer war die imposante Heimat vieler Amateur-Reflexen. Millionenfach verkaufte SLR-Kombinationen wollten sicher untergebracht sein. Gerade die Handelsketten - Porst, Neckermann und Quelle - verkauften „Profi-Sets“ wie geschnitten Brot. Jetzt überschwemmen sie den Gebrauchtmarkt, immer wieder mit typischer, langweiliger Bestückung: Gehäuse mit 50er-Optik, Objektive 28 und 135 mm, oft ergänzt durch Gummi-Sonnenblenden, Skylight-Filter, 2x-Konverter, Blitz und Drahtauslöser.
Quer durch alle Marken war der Alukoffer das Symbol einer ganzen Fotografengeneration. Dieses markante, nach Handelsvertreterflair duftende Monstrum, das man am Griff trug – mit Schultergurt ruinierte man sich seine Beckenknochen – sollte professionell wirken. Der „Ich-bin-Profi*-Anschein verzückte seine stolzen Besitzer, sie suchten den Schulterschluss zu den von Berufsfotografen bevorzugten Rimowa Panzerschränken. Profi-sein war angesagt, für schwarze Reflexen zahlte man gerne einen Aufpreis bis zu 100 Mark. Überhaupt, der Bezug zur Ausrüstung war gänzlich anders. Ähnlich wie bei Uhren, hatte sie an sich einen Wert, der gut behütet und geschützt sein sollte. Schlösser am Koffer suggerierten Sicherheit, akribisch ausgeschnittene Schaumstoffeinlagen boten kuscheligen Schutz und Befriedigung für pedantische Charaktere. Heute ist dieser mumifizierte Schaumstoff eine große Plage, bröselt er doch hartnäckig über die ganze Ur-Ausrüstung. Das Alu-Design der Fotokoffer täuschte in der Regel Wertigkeit nur vor. Ramsch prägte das Bild: Im schlimmsten Fall machte mit Alufolie überzogenes Sperrholz diese Scheinwelt perfekt.
Es war auch die Epoche, in der es schick war, mit sogenannten Piloten-Koffern zu imponieren und in der die breite Masse der kaufmännischen Angestellten mit „Diplomaten-Koffern“ sich den Anstrich von Seriosität geben wollte. Heute, in der Phase des modischen, aber edlen Outfits, ist die Fototasche oft wertiger als der Inhalt. «
Quelle: Winfried Warnkes "Secondhand-Kolumne" im fotoMAGAZIN 11/2015