Veröffentlicht am: 08.11.2022 um 08:29 Uhr:

Bundesregierung: Rede von Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier zur Eröffnung des Deutsch-Spanischen Forums

Zur Eröffnung des Deutsch-Spanischen Forums am 18. Oktober 2022 in Berlin hat Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier nachfolgende Rede gehalten...

» Ich freue mich sehr, heute gemeinsam mit Seiner Majestät König Felipe das zehnte Deutsch-Spanische Forum hier in Berlin zu eröffnen, und danke herzlich den Organisatoren: der Bertelsmann Stiftung, Telefónica und dem BDI und der Fundación ICO. Ich danke Ihnen allen herzlich für ihre Unterstützung.

Gern denke ich dabei an das ebenfalls gemeinsam eröffnete Forum in Madrid zurück. Das war 2018, schon vor vier Jahren. Vier Jahre, in denen sich vieles geändert hat, in denen wir Krisen überwunden haben und jetzt vor noch größeren Herausforderungen stehen.

Wenn ich 2018 in Madrid gesagt habe, dass „wir am Ende, wenn wir europäische Krisen lösen wollen, uns auf gut funktionierende Beziehungen zwischen einigen Partnern verlassen müssen“, dann gilt das, glaube ich, heute noch mehr. Der 24. Februar, der brutale Überfall Russlands auf die Ukraine hat vieles verändert. Gorbatschows Traum vom „gemeinsamen Haus Europa“ ist ausgeträumt. Ein Albtraum ist an seine Stelle getreten. Die Folge ist zuallererst Tod, Zerstörung, millionenfaches Leid für die Ukrainerinnen und Ukrainer. Es ist zweitens ein Bruch mit völkerrechtlichen Prinzipien, die den Frieden in Europa über Jahrzehnte bewahrt haben: der Verzicht auf Gewalt, die Anerkennung von Souveränität und territorialer Integrität anderer Staaten und die Unverletzlichkeit der Grenzen. Es ist drittens der Missbrauch von Energie als Waffe, mit der Russland versucht, Europa zu spalten und das innere Gefüge unserer Gesellschaften zu vergiften. Dagegen müssen wir uns zur Wehr setzen. Und erfolgreich werden wir in Europa nur dann sein, wenn wir gemeinsam handeln.

Daraus lässt sich schließen: Freunde sind wichtiger denn je. Mehr denn je müssen wir zusammenstehen, zusammenhalten und zusammenbleiben. Welch ein Glück, Spanien in dieser Zeit an unserer Seite zu wissen! Ein Land, mit dem wir nicht nur gemeinsame Werte teilen, sondern das bereit ist, für seine Werte auch einzutreten. Das haben wir in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer wieder gemeinsam erlebt. Schulter an Schulter haben wir gearbeitet zur Überwindung der Eurokrise, zur Überwindung der Flüchtlingskrise; gemeinsam haben wir an der europäischen Antwort auf die Folgen der Coronakrise gearbeitet. Mit NextGenerationEU ist uns ein großer europäischer Wurf gelungen, der nicht nur das Potenzial zur wirtschaftlichen Erholung hatte, sondern auch für den Umbau unserer Wirtschaft mit Blick auf den Klimawandel.

Russlands Krieg gegen die Ukraine hat, das wissen Sie alle, die politische Tagesordnung verändert. Aber andere Aufgaben, die eben heute nicht auf den Titelseiten der deutschen Tageszeitungen stehen, andere Aufgaben sind unverändert drängend. Transformation in eine nachhaltige und digitale Zukunft ist anspruchsvoller, ist schwieriger geworden, aber wir sind uns einig: Sie bleibt notwendig.

Dazu brauchen wir innovative Wirtschaft, neugierige Wissenschaft, austauschbereite Kultur, vor allem braucht es Menschen, die bereit sind, Ideen und Kraft in all das zu investieren.

Nicht nur Millionen von deutschen Urlaubern zieht es jährlich nach Spanien. Für mehr als 1.800 deutsche Unternehmen ist Spanien ein wichtiger Wirtschaftsstandort. Spanisch ist inzwischen nach Englisch die meistgelernte moderne Fremdsprache in Deutschland. Über tausend ausgezeichnet ausgebildete spanische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler leben und forschen in Deutschland, spanische Ingenieure und Facharbeiter helfen uns bei der Modernisierung unserer eigenen Wirtschaft.

Sie alle sind Teil dieses wertvollen, vielschichtigen, ganz lebendigen Netzwerks. Teil dieses Netzwerks muss natürlich auch die junge Generation sein, die es in diesem Forum ebenfalls verstärkt einzubeziehen gilt. Ich habe mit König Felipe gestern darüber gesprochen, dass es sinnvoll sein könnte, das Forum mit einer Young-Leaders-Initiative zu bereichern: Multiplikatoren aus allen Bereichen der Gesellschaft zu generieren, die helfen, unsere deutsch-spanische Partnerschaft noch mehr in die Breite zu tragen.

Wenn wir nach der aktuellen Krise gemeinsam besser dastehen wollen als zuvor, brauchen wir mehr gemeinsame Anstrengungen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Darüber, wie das gelingen kann, werden Sie hier heute sprechen und hoffentlich Wege aufzeigen, um gemeinsam die „digitale und nachhaltige Zukunft in Europa“ zu gestalten.

Unter dem Motto „Sprühende Kreativität“ werden die Besucherinnen und Besucher nach dem heutigen Startschuss auf der Buchmesse Entwicklungen und Strömungen im literarischen und kulturellen Leben Spaniens erleben können. Ich wünsche Ihnen heute hier ebenfalls die „creatividad desbordante“, von der die deutsche und spanische Wirtschaft so viel besitzt und mit der wir schon so viele Krisen gemeistert und Umbrüche gestaltet haben.

In diesem Sinne viel Erfolg und muchas gracias! «


Quelle: Bulletin 131-4 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 20. Oktober 2022

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