Veröffentlicht am: 14.11.2024 um 18:07 Uhr:

Bundesregierung: Rede des Bundesministers der Finanzen, Christian Lindner, zum Steuerfortentwicklungsgesetz (SteFeG)

Vor dem Deutschen Bundestag am 26. September 2024 in Berlin hat der Bundesminister der Finanzen, Christian Lindner, folgende Rede zum Steuerfortentwicklungsgesetz (SteFeG) gehalten

» Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Bundesregierung unterbreitet Ihnen heute im Kern drei Vorschläge. Heute wird die aktuelle Gemeinschaftsdiagnose vorgestellt. Die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land ist unverändert unbefriedigend. Ich habe es verschiedentlich hier gesagt: Seit gut zehn Jahren hat unser Land an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Wir sind international nicht in der Verfassung, in der die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt sein sollte. Wir haben nicht das wirtschaftliche Fundament, um die sozialen und ökologischen Anforderungen, die wir an uns selbst stellen, auch nachhaltig zu finanzieren. Deshalb ergreift die Bundesregierung eine Wachstumsinitiative, um die angebotsseitigen Rahmenbedingungen unserer Wirtschaft zu verbessern. Selbstverständlich investieren wir auf Rekordniveau. Aber das, was wir jetzt im Steuerrecht vorschlagen, soll bewirken, dass die private Hand in Deutschland mehr investiert.

Wir werden unsere Wachstumsschwäche nicht mit staatlicher Investitionslenkung oder mit Subventionen überwinden, auch nicht mit mehr öffentlicher Verschuldung, sondern nur, wenn die Betriebe und Unternehmen mehr investieren, und zwar genau in die Vorhaben, an die diese Unternehmen selber glauben. Deshalb stärken wir in der ganzen Bandbreite die Abschreibungsmöglichkeiten, wir verstetigen sie, und wir bauen die Forschungszulage aus.

Das zweite Anliegen. Die Bürgerinnen und Bürger waren in den vergangenen Jahren stark von Inflation betroffen. Übrigens brauchen wir auch Nachfrage und Kaufkraft in unserer Volkswirtschaft, damit der Konsum die Binnennachfrage erhöht und die wirtschaftliche Entwicklung trägt.

Die Bundesregierung hat seinerzeit, 2022, ein Inflationsausgleichsgesetz vorgelegt, das hier im Parlament nicht unumstritten war und um das wir im Bundesrat ringen mussten, auch in der Auseinandersetzung mit von CDU/CSU regierten Ländern. Ich weiß noch genau, dass beispielsweise der Finanzminister meines Heimatbundeslandes Nordrhein-Westfalen in öffentlicher Debatte im Parlament gesagt hat, die Beseitigung der kalten Progression durch die Bundesregierung sei eine Belastung für seinen Landeshaushalt. Seine Haushaltsproblematik sei durch die Politik der Bundesregierung verursacht. Diese Bundesregierung bekennt sich dazu, vorsätzlich auf Steuereinnahmen zu verzichten, weil nicht nur die Vorhaben des Staates wichtig sind, sondern auch die persönlichen Pläne der Bürgerinnen und Bürger. Wir wissen inzwischen, dass es gelungen ist, die kalte Progression vollständig zu beseitigen. Mehr noch: Wir wissen aus den wissenschaftlichen Untersuchungen, dass die Gering- und Normalverdiener sogar noch stärker in steuerlicher Hinsicht entlastet worden sind, als es die Beseitigung der kalten Progression erforderlich gemacht hätte.

Darauf bauen wir jetzt auf. Wir wollen wiederum für die nächsten beiden Jahre den Grundfreibetrag, den Kinderfreibetrag und das Kindergeld erhöhen und den Tarif der Lohn- und Einkommensteuer nach rechts verschieben. Aus unserer Sicht ist das eine Frage der Gerechtigkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sozialleistungen werden automatisch an die Inflation angepasst. Das gleiche Recht muss aber auch für diejenigen gelten, die Sozialleistungen durch ihre Steuern bezahlen. Deshalb muss auch das Steuerrecht an die Inflation angepasst werden.

Idealerweise sollte das zukünftig in einem vergleichbaren Verfahren passieren, wie es bei den Sozialleistungen der Fall ist. Wir sind ja gesetzlich verpflichtet, Regelsätze zu berechnen. Wir sind gesetzlich verpflichtet, über die Höhe der Beitragsbemessungsgrenze zu diskutieren. Es ist aber immer wieder ein zähes Ringen, das Steuerrecht an die Inflation anzupassen. Deshalb spricht die Bundesregierung intern gegenwärtig darüber, wie wir mit diesen Verfahren und Rechengrundlagen zukünftig weiter umgehen wollen.

Das dritte Anliegen, das wir haben, ist die Umstellung der Steuerklassen III und V auf das Faktorverfahren der Steuerklasse IV. Wir wollen dafür sorgen, dass die Steuerlast zwischen Ehegatten fair verteilt ist, damit es für diejenigen, die in einer wirtschaftlichen Gemeinschaft weniger verdienen, nicht einen Fehlanreiz gibt, mehr zu arbeiten oder mehr zu verdienen.

Das ist ein Anliegen dieser Koalition. Fälschlicherweise wurde von der Opposition oft eingewendet, das sei der Einstieg in die Abschaffung des Ehegattensplittings. Das Gegenteil ist der Fall. Die Bundesregierung will all denjenigen die Argumentationsgrundlage nehmen, die gegen das Ehegattensplitting wettern. Durch die Umstellung der Steuerklassen III und V auf das Faktorverfahren der Steuerklasse IV lösen wir das Problem, das die Kritikerinnen und Kritiker des Ehegattensplittings vortragen, nämlich die Ungleichverteilung der steuerlichen Belastung und die mangelnde jährliche Berechenbarkeit der Steuerlast. Wir stellen um, um das Ehegattensplitting zu verteidigen, und nicht, um es abzuschaffen. «


Quelle: Bulletin 87-2 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 27. September 2024

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