Veröffentlicht am: 26.05.2025 um 15:14 Uhr:

Bundesregierung: Rede der Bundesministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Karin Prien, bei der Aussprache zur Regierungserklärung des Bundeskanzlers vor dem Deutschen Bundestag

Bei der Aussprache zur Regierungserklärung des Bundeskanzlers vor dem Deutschen Bundestag am 15. Mai 2025 in Berlin hat die Bundesministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Karin Prien, folgende Rede gehalten

» Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Deutschen Bundestages!

Es ist mir eine große Freude, heute zum ersten Mal an diesem Pult zu stehen und Ihnen als Ministerin ein Ressort mit neuem Zuschnitt vorstellen zu dürfen. Mein Ministerium hat die Aufgabe, in den Bereichen Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Antworten auf große Fragen finden zu müssen, und zwar sehr konkret: Wie gelingt es uns, die Chancen möglichst aller Kinder und Jugendlichen auf eine gute Zukunft und auf sozialen Aufstieg zu verbessern?

Diese Bundesregierung versteht dieses Ressort als ein Ermöglichungsministerium. Bildungs- und Familienpolitik soll es Menschen ermöglichen, ihren eigenen Weg zu einem erfüllten, selbstbestimmten Leben zu gehen. Das beginnt beim Elternwerden, führt über den Start ins Leben hin zu Bildung und Entwicklung der Persönlichkeit, immer auch als Teil von Familie und Gesellschaft.

Dieses Ressort ermöglicht auch Generationengerechtigkeit. Seniorinnen und Senioren in unserem Land bringen ein enormes Potenzial mit. Wir bleiben unter unseren Möglichkeiten und unter ihren Möglichkeiten, wenn wir sie nur als Kostenfaktor für Gesundheit und Pflege sehen. Seien wir froh, dass wir sie haben! Holen wir sie in unsere Mitte!

Der neue Zuschnitt des Bundesministeriums für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist mehr als nur eine strukturelle Veränderung. Dieser Zuschnitt ermöglicht einen echten Aufbruch für die Bildung in Deutschland – ein Aufbruch, weil die Bildung von Anfang an entlang der Bildungsbiografie gedacht und Bildungs- und Familienpolitik aus einem Guss gemacht werden kann. Diese klare inhaltliche Stärkung war uns in den Koalitionsverhandlungen wichtig. Und ich danke Bundeskanzler Friedrich Merz und unseren Partnern in CSU und SPD sehr, dass dieser Ressortzuschnitt möglich geworden ist.

Wir denken künftig ganzheitlich, beginnend bei der frühkindlichen Bildung in Familie und Kita, über die allgemeinbildenden Schulen und die außerschulische Bildung bis zur beruflichen Bildung und zum lebenslangen Lernen. Wir nehmen ganz besonders die Übergänge in den Blick. Und wir verstehen berufliche und akademische Bildung als gleichwertig.

In Deutschland leben 22 Millionen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Sie verdienen gute Bildung. Sie verdienen wirksamen Schutz und echte Teilhabe, um mündige Bürger und Demokraten zu werden. Kinder, Jugendliche und ihre Familien brauchen eine starke Stimme, um in unserer älter werdenden Gesellschaft für ihre Rechte und Interessen einzutreten. Ich werbe, wir werben dafür, dass wir in den kommenden Jahren eine neue Debatte in unserer Gesellschaft über Fragen der Generationengerechtigkeit führen. In einer sich verändernden Welt, geprägt auch vom demografischen Wandel, von multiplen Krisen und Konflikten, müssen wir das Miteinander der Generationen neu austarieren.

Worum geht es in den nächsten vier Jahren konkret? Ich möchte für die entscheidenden Phasen des Lebens gute Rahmenbedingungen schaffen, damit Menschen sich entwickeln können: für Kinder und Jugendliche, die besonders schutzbedürftig sind, aber zugleich voller Neugier und voller Talente, die ihre Potenziale und ihre Chancen entdecken und nutzen wollen. Ich möchte, dass Menschen ihr Familienleben und ihr Berufsleben gestalten und vereinbaren können. Frauen und Männer mit großem Erfahrungswissen und viel Lebensklugheit sollen in unserer Mitte bleiben und bleiben wollen. Diese Ausrichtung macht unser Haus zu einem besonderen Ministerium – Generationen verbindend und den Zusammenhalt im Blick.

Zusammen mit Ihnen, sehr geehrte Abgeordnete, möchte ich Gesetze, Maßnahmen und Investitionen auf den Weg bringen: für eine Stärkung von Eltern, für eine gelingende frühkindliche Bildung, für eine gute schulische und außerschulische Bildung, die fördert und fordert, für unsere Kinder und Jugendlichen, die ihr Leben selbstbestimmt und voller Zuversicht gestalten können sollen, für die Familien, die unsere Gesellschaft tragen, für Frauen, für die Gleichberechtigung und Gleichstellung selbstverständlich sein sollten, und für Senioren in unserem Land, die inmitten unserer Gesellschaft leben und ein aktiver und wertgeschätzter Teil unserer Bürgergesellschaft sein sollen.

Dabei will ich fördern, was uns verbindet, nicht das Trennende in den Mittelpunkt stellen, denn ich erlebe: Es gibt mehr Dinge, die die Menschen verbinden, als Dinge, die uns spalten. Eine lebendige Demokratie braucht lebendige Debatten, fair, sachorientiert und tatsachenorientiert. Wir wollen keinen Debatten ausweichen. Trauen wir uns stärker als bisher Kontroversen zu, sprechen wir wieder mehr miteinander, und zwar über die politischen Lager und auch über Blasen hinweg.

Demokratie funktioniert nur, wenn Demokraten das Gespräch suchen, auch, um das Verbindende zu finden. Aber ich sage auch sehr deutlich: Das wird nur dann funktionieren, wenn wir jeder Form von Antisemitismus, Rechtsextremismus, Islamismus, Linksextremismus den Kampf ansagen. Das gilt ebenso für jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, von Fremdenhass, Frauenverachtung und Diskriminierung von Minderheiten, und das in aller Konsequenz.

Unser Land lebt davon, dass Menschen mehr erreichen wollen, dass sie arbeiten wollen, erfinden wollen, denken wollen, Mut haben und gestalten. Es geht darum, Chancen zu nutzen. Diese Bundesregierung wird das Aufstiegsversprechen wieder stark machen, das unser Land nach dem Schrecken des Krieges und der NS-Gewaltherrschaft zur drittgrößten Volkswirtschaft in einem freien und geeinten Europa gemacht hat. Auch heute ist übrigens Bildung der entscheidende ökonomische Faktor für das Potenzialwachstum in unserem Land.

Ich möchte, dass wir einen gemeinsamen gesellschaftlichen Konsens finden, einen Konsens, der lautet: Bildung ist der zentrale Schlüssel zu mehr sozialer Gerechtigkeit und Aufstieg. Sie ist das Fundament für Wachstum, für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für Unternehmerinnen und Arbeitgeber, für unsere wirtschaftliche und demokratische Entwicklung. Dabei sind Leistung und Leistungsbereitschaft eben kein Gegensatz zu Chancengerechtigkeit und Wohlbefinden.

Ich will einen weiteren Aspekt aufgreifen. Ich würde mir wünschen, dass es uns gelingt, in unseren politischen Debatten den Föderalismus nicht immer wieder zu einem Hindernis zu machen. Der kooperative Föderalismus ist eine Chance und keine Bremse. Ich lade deshalb sehr bewusst Länder und Kommunen ein, und zwar besonders in Fragen der Bildungs- und Familienpolitik, zu einem neuen Miteinander zu kommen.

Ich will dafür sorgen, dass der Bund Länder und Kommunen evidenzbasiert besser unterstützt – im Respekt vor den verfassungsmäßigen Zuständigkeiten –, ganz konkret zum Beispiel durch die Etablierung einer frühen Sprachdiagnostik und -förderung, durch die Weiterentwicklung des Startchancen-Programms und eine schnelle Umsetzung des Digitalpaktes, aber auch des Ganztags in der Grundschule.

Ich wünsche mir eine Bildungsforschung, die in den Klassenzimmern auch tatsächlich ankommt. Die Bürgerinnen und Bürger haben kein Verständnis für Kompetenzgerangel. Wir alle, die verschiedenen politischen Ebenen, müssen uns daran messen lassen, ob Investitionen, Maßnahmen, Programme für gute Kitas und Grundschulen bei unseren Kindern und Jugendlichen tatsächlich auch ankommen und ob auch die Qualität wirklich stimmt.

Lassen Sie mich zum Schluss einen letzten Gedanken äußern. Wir schauen auf viele positive gesellschaftliche Entwicklungen in unserem Land. Und doch müssen wir zugleich sehr aufmerksam darauf achten, dass wir auf dem Weg in die Zukunft niemanden zurücklassen, niemanden verlieren. Es ist mein Ziel als Bildungs- und Familienministerin, die gesellschaftspolitischen Veränderungen mit dem richtigen Maß und im richtigen Tempo voranzubringen, sodass die gesamte Gesellschaft mithalten kann. Dabei ist eines essenziell: Vertrauen. Das gilt weit über die Bildungs- und Familienpolitik hinaus. Vertrauen ist die entscheidende Währung in der Politik. Und um dem gerecht zu werden, muss es uns gelingen, Staat und Verwaltung zu reformieren.

Nicht alle Menschen erleben Veränderung als Chance. Manche erleben sie gar als Zumutung, als Verunsicherung, als gefühlten Kontrollverlust. Das gilt für Arm und Reich, für Stadt und Land, für Ost und West. Wir, meine Damen und Herren, machen Politik für alle Menschen in Deutschland. Und das ist kein Versprechen, sondern das ist schlicht und ergreifend unser Auftrag, denn nur so stärken wir Zusammenhalt, den unser Land jetzt braucht, nur so stärken wir Sicherheit, Verlässlichkeit und Wohlstand, die Fundamente unserer Demokratie.

Ich bin bereit, mit Ihnen gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit diesem Hohen Haus. Jetzt ist die Zeit, Zukunft zu gestalten, und zwar voller Zuversicht.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. «


Quelle: Bulletin 35-6 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 16. Mai 2025

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