Veröffentlicht am: 19.05.2023 um 23:13 Uhr:
Fotografie: Die analoge It-Box
» Das hat sie nicht verdient! Als schwerer Fashion-Schmuck mit Technik-Touch hängt Papas entstaubte Analogkamera jetzt plötzlich an der Schulter des modernen Großstadt-Hipsters. Ist diese alte, voll funktionstaugliche "It-Box" Marke Rolleiflex oder Leica nun die Antwort der Trendsetter auf die coole It-Bag für die Frau? Nicht einmal das. Denn als in der Frühlingssonne glänzendes Anhängsel suggeriert eine alte Analoge nur Kreativgeist und die technik-affine Seite des Mannes, baumelt ansonsten aber meist unberührt und ungeladen am Schultergurt ihres gestylten Trägers. Ist jetzt irgendwie total retro und passt auch prima zum neuen Vollbart. So wird die jahrzehntelang den Technik-Seiten der deutschen Tagespresse vorbehaltene "Oldschool-Kamera" plötzlich ein Fall für die mit dem Hipster-Phänomen befasste Stil-Kolumne der Süddeutschen Zeitung, die den dekorativen Vintage-Apparat bereits mit anderem Blendermaterial wie Fensterglasbrillen und Handy-Attrappen vergleicht.
Formschön sind die alten Kameras ganz ohne jeden Zweifel. Selbst simple Gerätschaften wie die Agfa Click oder alte Bakelit-Kameras à la Kodak Brownie waren schon lange schicke Accessoires der Modefotografie, wenn es darum ging, einen allzu aktuellen Bezug auf aktuelle Handelsware der Fotoszene zu vermeiden und dennoch den kreativen Genius zu portraitieren. Das neue Faible für den alten Analog-Fetisch hat längst Konsequenzen für das Design der Digitalen. Kamerahersteller wie Fuji, Olympus oder Leica setzen heute auf schlichten Retro-Schick, selbst T-Shirts mit Illustrationen alter Kultkameras wie der Nikon F (gesehen bei: Dodge and Burn) sind dieser Tage beliebt. Vielleicht bekommt mancher Hipster am Ende gar noch Lust, eines Tages echten Analogfilm in seine It-Box einzuspannen? Wäre doch zu schade, die schmucke Gerätschaft als Hohlraum durch die Stadt zu tragen. «
Quelle: Kolumne "Zollners Zeilen" im fotoMAGAZIN 6/2013