Veröffentlicht am: 24.06.2024 um 09:12 Uhr:

Bundesregierung: Rede der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Lisa Paus, in der Aktuellen Stunde zur Gewalt gegen Ehrenamt, Politik und Einsatzkräfte

In der Aktuellen Stunde zur Gewalt gegen Ehrenamt, Politik und Einsatzkräfte hat die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Lisa Paus, vor dem Deutschen Bundestag am 16. Mai 2024 in Berlin folgende Rede gehalten...

» Frau Präsidentin!
Werte Kolleginnen und Kollegen!

Wir sind erschüttert von dem Attentat auf Robert Fico, den slowakischen Ministerpräsidenten, gestern Nachmittag. Die Bundesregierung verurteilt den Mordversuch aufs Schärfste. Im Namen der Bundesregierung möchte ich hier die besten Wünsche für seine umfassende Genesung übermitteln.

Ich teile die Worte des Bundeskanzlers: „Gewalt darf keinen Platz haben in der europäischen Politik.“ Und ich sage: Gewalt, aus welchem Spektrum auch immer, darf auch in der deutschen Politik keinen Platz haben.

Vor der Tat steht das Wort. Ich erinnere stellvertretend für so viele Entgleisungen an die schrillen Sätze von Alexander Gauland: „Wir werden sie jagen.“ „Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen. Und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen.“ Das ist Alexander Gauland. Für mich ist das verbale Gewalt, und die hat Folgen.

Die heutige Aktuelle Stunde ist nötig, weil auch in Deutschland längst der Beweis erbracht ist, wie aus düsteren Ankündigungen und Drohungen Taten werden: Straftaten, gegen Politikerinnen und Politiker, gegen demokratisch Engagierte, gegen Menschen im Ehrenamt, gegen Rettungskräfte, gegen Lokaljournalisten, die über Rechtsextreme berichten. Mir ist wichtig, zu sagen: Wir Abgeordneten der demokratischen Parteien in diesem Haus führen diese Debatte heute in Gedanken an und stellvertretend für alle Menschen, die sich für unser Gemeinwohl engagieren, für das demokratische Miteinander, für unsere Freiheit.

Wir sprechen heute für jene, die Gewalt ausgesetzt sind, weil sie Demokraten sind, einer Gewalt, die „nichts mehr mit dem zivilisierten Streit zwischen politischen Gegnern zu tun hat“; so kommentiert es die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am 2. Mai 2024. Und die Gewalt reißt nicht ab: Auch Katrin Göring-Eckardt wird angegriffen, der Dresdner SPD-Politiker Ecke zusammengeschlagen, Berlins Wirtschaftssenatorin Giffey attackiert, vor knapp zwei Wochen auch Kollege Kai Gehring und Essens dritter Bürgermeister Rolf Fliß.

Allein 2023 wurden 2.790 Angriffe auf politische Mandatsträger gemeldet, darunter Grüne 1.219, AfD 478, SPD 420, FDP 299, CDU/CSU 295 und Linke 79. Wir verurteilen diese Gewalt insgesamt und ausnahmslos.

Es ist etwas verrutscht in diesem Land: Gewalt wird Teil der politischen Auseinandersetzung. Engagierte und ehrenamtlich arbeitende Menschen werden körperlich attackiert, geschlagen, getreten, angerempelt, bespuckt – vergangene Woche in Dresden sogar vor laufender Kamera, als Vermummte erst die Stadtratskandidatin angreifen und dann das Fernsehteam, das die Szene filmt.

Die Soziologen Wilhelm Heitmeyer und Harald Welzer kommen zu dem Schluss: Ein aufgeheizter, nach rechts verschobener Diskurs ist eine Ursache für zunehmende Gewalt gegen Politiker. Und auch der frühere Innenminister de Maizière sagte neulich rückblickend, die Gefahr des Rechtsextremismus sei lange unterschätzt worden.

Ich füge an: Wenn in der Politik aus Gegnern Feinde werden, wenn nicht mehr inhaltliche Kritik im Vordergrund steht, sondern das gezielte Verächtlichmachen der anderen, dann ist der demokratische politische Diskurs bedroht, und dann fühlen sich einige im Recht, loszuziehen, um Gegner auszuschalten, mindestens mundtot zu machen. Und auch wenn Sie noch so stark dazwischen brüllen, ich lasse mich hier nicht mundtot machen.

Es ist fundamental wichtig, dass die Demokratinnen und Demokraten, die demokratischen Parteien bei allem Streit Respekt, Anstand und Fairness beherzigen und gerade in diesen Situationen umso mehr vorleben. Flagge zeigen gegen rechts außen, die auch in diesem Hause einen Ton setzen, wie wir es gerade wieder erleben, der mit den parlamentarischen Gepflogenheiten, dem demokratischen Anstand und mit menschlichem Respekt nichts mehr zu tun haben will.

Dieses Wahljahr steht natürlich im Zeichen des Wettbewerbs, des Streits der Parteien um die besseren politischen Konzepte. Aber streiten wir anständig miteinander! Tun wir es fair! Achten wir aufeinander, und schützen wir einander! Schützen wir auch die, die sich für andere engagieren! Um jeden Einzelnen von diesen Menschen muss es uns gehen; denn all diese Menschen, die sich einsetzen und engagieren für unsere Demokratie, sind das Fundament, sind der Schatz unserer Demokratie. Ich habe viele von ihnen besucht: in Sebnitz, Wiesbaden, Halle, Dresden. Das sind Menschen, die zum Beispiel Partnerschaften für Demokratie gegründet haben, die Demokratie zusammen leben und die Vorbilder sind.

Angriffe auf Ehrenamtler, Einsatzkräfte, Politiker, das sind Angriffe auf uns alle, auf die Grundwerte der Republik. Dagegen braucht es Repression, aber vor allen Dingen braucht es Ächtung. Gegen Gewalt braucht es Ächtung von Gewalt und gemeinsame Solidarität. Es braucht Prävention und deswegen auch das Demokratiefördergesetz, für das ich alle demokratischen Parteien heute erneut um Unterstützung bitte. Lassen Sie uns ideologische Differenzen überbrücken, im Dienste der Demokratie! Entsprechende Pläne gibt es auch in den Ländern Hessen und Berlin. Jetzt ist die Zeit. Lassen Sie uns gemeinsam dafür einsetzen!

Herzlichen Dank. «


Quelle: Bulletin 45-3 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 17. Mai 2024

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