Veröffentlicht am: 16.11.2024 um 09:32 Uhr:

Bundesregierung: Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Queerpolitischen Menschenrechtskonferenz der SPD-Bundestagsfraktion

Bei der Queerpolitischen Menschenrechtskonferenz der SPD-Bundestagsfraktion hat Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. September 2024 in Berlin nachfolgende Rede gehalten

» Danke für die Einladung! Zunächst einmal will ich sagen: Gutes Timing! Ihr habt eure Konferenz ganz bewusst nicht in den Juni gelegt, wenn überall – übrigens endlich auch am Kanzleramt – die Regenbogenfahnen gehisst werden, wenn im ganzen Land Christopher Street Days (CSD) stattfinden, wenn jedes Unternehmen ganz besonders bunte Kampagnen schaltet. Ihr habt euch für eure Konferenz stattdessen den September ausgesucht, wenn die parlamentarische Arbeit wieder losgeht.

Damit sendet ihr gleich zwei wichtige Signale: Erstens, es gibt noch viel Arbeit zu tun für Gleichstellung, Respekt und Anerkennung – hier bei uns und weltweit. Zweitens, das Anliegen, dass alle sicher und ohne Diskriminierung leben und lieben können, das ist nicht nur einen Monat im Jahr wichtig, sondern jeden Tag. Queer ist man schließlich auch nicht nur, wenn auf dem CSD gemeinsam demonstriert und gefeiert wird, sondern 365 Tage im Jahr – am Arbeitsplatz, bei der Wohnungsmiete, im Krankenhaus oder im Pflegeheim, im digitalen Raum, wo queere Menschen oft angefeindet werden, auf der Straße oder in der U-Bahn, wo sich queere Pärchen fragen, ob sie sicher sind, wenn sie Händchen halten oder sich küssen, in der Schule, wo Jugendliche ausgegrenzt werden.

Eines will ich daher sagen, was selbstverständlich klingt, aber leider nicht immer selbstverständlich ist: Alle müssen hier in Deutschland frei, ohne Angst und in Sicherheit leben können, sicher vor Hass, Gewalt, Diskriminierung und Beleidigung. Hier hat der Staat eine Schutzpflicht. Und der muss er nachkommen. Deshalb haben wir das Strafrecht reformiert. Deshalb haben wir dafür gesorgt, dass geschlechtsspezifische und gegen die sexuelle Orientierung gerichtete Taten als solche erfasst und härter bestraft werden. Für Hass, Gewalt und Intoleranz gibt es keine Toleranz.

Schutz und Sicherheit sind das A und O. Aber es geht noch um mehr. Wie ihr wisst, trete ich für eine Gesellschaft des Respekts ein, eine Gesellschaft, in der niemand auf andere herabschaut, in der alle so leben können, wie sie das möchten – natürlich solange sie die Freiheit anderer dadurch nicht einschränken. Darum geht es doch im Kern – übrigens auch, wenn wir über die anstehende Reform des Abstammungsrechts reden oder über das neue Selbstbestimmungsrecht. Diese Reformen bedrohen niemanden. Sie nehmen auch niemandem etwas weg. Aber sie bedeuten den Betroffenen unendlich viel. Deshalb werbe ich in der Diskussion darüber für Gelassenheit und eben für Respekt.

Noch einen letzten Punkt möchte ich hinzufügen: Ich finde es gut, dass ihr bei eurer Konferenz auch über den deutschen Tellerrand hinausschaut. Klar, auch hier bei uns gibt es noch viel zu verbessern; wir wissen das alle. Aber die Diskriminierung und Verfolgung queerer Personen in vielen anderen Teilen der Welt ist um ein Vielfaches schlimmer, um nicht zu sagen, unerträglich. Das dürfen wir, die wir für internationale Solidarität und Menschenrechte eintreten, niemals vergessen.

In den vergangenen zwei Jahren haben wir uns als Vorsitz der Equal Rights Coalition gemeinsam mit Mexiko auf internationaler Bühne immer wieder klar gegen Gewalt und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität oder Geschlechtscharakteristika gestellt. Auf meinen Reisen ins Ausland treffe ich mich regelmäßig mit Nichtregierungsorganisationen und Menschenrechtsgruppen – nicht nur, aber auch, um ihnen den Rücken zu stärken. Ich spreche die Menschenrechtslage in meinen Gesprächen in kritischen Ländern an. Und das ist wirklich nötig. Georgien zum Beispiel hat gerade ein Anti-LGBTQI-Gesetz verabschiedet, das diskriminierend ist und grundlegende Menschenrechte verletzt. Ich sage ganz deutlich: Damit entfernt sich Georgien auch von Europa.

Gut, dass ihr in solchen Fällen hinschaut. Und gut, dass ihr zusammenhaltet und solidarisch seid. In diesem Sinne wünsche ich euch viel Erfolg bei eurer Konferenz! Schönen Dank, dass ihr euch für mehr Respekt einsetzt – nicht nur im Juni, sondern an 365 Tagen im Jahr.

Schönen Dank! «


Quelle: Bulletin 89-4 der Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 1. Oktober 2024

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